Die Einstufung der Identitären als verfassungsfeindlich zielt auch auf die AfD

Der Verfassungsschutz und der Multikulturalismus

Ein Besuch der Proteste am 20.Juli in Halle gegen die Identidäre Bewegung ist auf jeden Fall sinnvoller als die Einordnung der Bewegung als verfassungsfeindlich.

Identitäre Bewegung versenken“ lautet das Motto einer Demonstration, zu der antifaschistische Gruppen bundesweit für den 20.Juli nach Halle mobilisieren. Sie wollen an dem Tag eine Großdemonstration der Identitären Bewegung (ID) verhindern, zu der die rechte Bewegung in der Stadt mobilisiert, in der sie seit einigen Jahren ein Zentrum besitzt. Das hat vor allem deshalb für viel Aufmerksamkeit gesorgt, weil es sich in unmittelbarer Nähe der Universität von Halle befindet.Schon seit vielen Jahren haben zivilgesellschaftliche Gruppen die Identitären beobachtet, es gibt gut recherchierte Broschüren und Bücher zum Thema. Die Proteste gegen die auch als rechte Hipster bezeichnete Bewegung hatten durchaus Erfolge. Man kann von einer Stagnation der ID sprechen. Wenn dann der Verfassungsschutz neuerdings die ID als „gesichert rechtsextreme Bewegung“ einstuft, ist das eigentlich….

…“ völlig überflüssig. Wer sich mit der ID befasste, wusste seit Langem, dass es eine extrem rechte Bewegung ist, wer sich ihr hingegen zugehörig fühlt oder nahesteht, sieht sich nur darin bestätigt, dass der Verfassungsschutz politisch instrumental arbeitet, was nun wahrlich keine Überraschung ist.

Natürlich stehen hinter der Einschätzung des Verfassungsschutzes politische Erwägungen, das war beim KPD-Verbot in den 1950er Jahren nicht anders, auch nicht beim PKK-Verbot in Deutschland und auch nicht, wenn es um den behördlichen Blick nach rechts geht.

Bekommt Multikulti Verfassungsrang?

Die Positionen der IBD sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die IBD zielt letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren. Menschen ohne gleiche ethnische Voraussetzungen können aus Sicht der IBD niemals Teil einer gemeinsamen Kultur sein. Multikulturalismus als Ausdruck einer ethnisch pluralistischen Gesellschaft gilt der IBD als kulturvernichtend. Für die IBD existiert Kultur nur in einer dauerhaften Verknüpfung mit einer Ethnie (Ethnopluralismus). Dies zeigt sich u. a. in Aktionen und Kampagnen der IBD wie etwa „Der große Austausch“, „Keine No-Go-Areas“ oder „Stop Fatih – Gegen islamischen Universalismus – Für echte Vielfalt“.

Aus der Pressemitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz

Nun ist es politische Praxis, dass Menschen aus bestimmten außereuropäischen Staaten in Deutschland diskriminiert werden. Wäre es anders, müsste kein Mensch auf der Suche nach einem besseren Leben in Deutschland im Mittelmeer sterben. Aber auch die Menschen, die es hierher geschafft haben, arbeiten überwiegend in schlechtbezahlten Jobs im Niedriglohnsektor. Wer erlebt, wie auch Wissenschaftlern aus Peru oder Kolumbien, die sich einige Wochen in Deutschland aufhalten wollen, die Einreisevisa mit der Begründung verweigert werden, sie könnten ja im Land bleiben, der weiß, was Diskriminierung außereuropäischer Menschen ist.

Auch die Ablehnung von Multikulturalismus, die jetzt gegen die ID ins Feld geführt wird, war eigentlich lange Zeit auch Regierungsprogramm der Unionsparteien, Bundeskanzlerin Merkel hat Multikulti für gescheitert erklärt. Und jetzt soll ein Projekt, das im Wesentlichen von den Grünen vorangetrieben wurde, Verfassungsrang haben? Wenn dann noch als Beispiele für die Verfassungsfeindlichkeit der ID Kampagnen wie „Keine No-Go-Areas“ oder „Stop Fatih – Gegen islamischen Universalismus – Für echte Vielfalt“ angeführt werden, ist die politische Instrumentalisierung noch deutlicher. Schnell können auch nichtrechte Kampagnen gegen den politischen Islam in den Fokus der Behörden geraten.

Die Gründe, warum Multikulturalismus plötzlich Verfassungsrang bekommen soll, liegen nicht in den Umfrageerfolgen der Grünen. Trotzdem gibt es eine Verbindung: Es ist der demographische Faktor, vor allem in Deutschland. Es werden billig vernutzbare Arbeitskräfte gebraucht. Ohne migrantische Arbeit würde schon heute der Pflegesektor zusammenbrechen. Deshalb ist ein Konzept, das die Grünen in den 1980er Jahren in einer Minderheitenposition entwickelt haben, auf einmal staatstragend und wer es kritisiert, ist Verfassungsfeind.

Dass die meisten Migranten trotzdem schon am Transfer scheitern, ist kein Widerspruch, sondern intendiert. Wer es trotzdem schafft, bis hierher zu kommen, hat schon einiges auf sich genommen und passt dann genau in den Kampf um Arbeitsplätze. Es sei denn, er oder sie hat gelernt, sich zu wehren und wird widerständig. Dagegen wird massiv mit Polizei und Justiz vorgegangen, wie die aktuelle Dokumentation über die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen dokumentiert.

War die Entlassung von Maaßen eine Zäsur?

Nicht nur in rechten Kreisen wird gemutmaßt, erst nach der Entlassung des rechtskonservativen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen sei die Einstufung der ID als verfassungsfeindlich möglich gewesen. Doch dafür gibt es wenig Beweise. Vielmehr zielt auch die aktuelle Maßnahme darauf ab, die Rechte handhabbar zu machen. Dabei geht es vor allem darum, die angeblich gemäßigten Teile der AfD gegenüber den rechten Flügel zu stärken. Das war übrigens schon das Ziel von Maaßen, als er sich mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry getroffen hat.

Wenn jetzt AfD-Politiker aus der zweiten Reihe den Thüringer AfD-Vorsitzenden und Flügel-Inspirator Björn Höcke auffordern, sich um die Politik in seinem Bundesland zu kümmern und sich nicht anzumaßen, für die gesamte Partei zu sprechen, ist das ein erneuter Versuch, eine AfD zu kreieren, die als Koalitionspartner für die Union ansprechbar ist. Dieser Kampf geht schon mehrere Jahre so, nur wissen die Höcke-Kritiker, dass ihr innerparteilicher Gegner heute fester in der Partei verankert ist als noch einigen Jahren, als schon mal ein Ausschlussverfahren gegen ihn gelaufen und gescheitert ist.

Deshalb fordern die Höcke-Kritiker auch gar keinen Ausschluss, kritisieren auch die Politik des Flügel nicht inhaltlich, sondern stören sich am Personenkult und an der martialischen Form des Flügel-Treffens. Tatsächlich sind die inhaltlichen Positionen zwischen Höcke-Kritikern und seinen Anhängern in der AfD so unterschiedlich nicht. Von fast all den Unterzeichnern des kritischen Briefes lassen sich Zitate finden, die auch vom Flügel stammen können. Durch die Einstufung des ID als verfassungsfeindlich soll der Druck auf den angeblich gemäßigten Flügel in der AfD steigen, sich von den Rechten, mit denen kein Staat zu machen ist, mehr abzugrenzen. Ob das Kalkül aufgeht, ist völlig offen. Es können auch Solidarisierungseffekte eintreten, nach dem Motto, wir sind alle betroffen und halten zusammen.

Von den Ergebnissen der nächsten Landtagswahlen und dem Abschneiden der AfD wird auch viel abhängen, wie sich der innerparteiliche Streit weiter entwickelt. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnten Parteiformationen, die den rechten Flügel repräsentieren, erfolgreich sein. Dass würde natürlich Höcke und seinem Anhang ein stärkeres Gewicht innerhalb der Partei geben. Deshalb mussten die AfD-Politiker, die dem Flügel nicht nahestehen, es als Drohung begreifen, wenn Höcke ankündigt, sich nach den Wahlen um die Zusammensetzung des Bundesvorstands zu kümmern. Nur sind auch die Höcke-Kritiker in einem Dilemma, zumindest öffentlich nicht zu deutlich zu machen, dass sie sich über schlechte Wahlergebnisse in den östlichen Bundesländern freuen würden.

Wenn die Staatsapparate ihre Stellschrauben anziehen

Aber auch hier haben die Staatsapparate schon mal die Stellschrauben in Form des Wahlrechts angezogen. Seit Monaten wird darüber diskutiert, dass die AfD in Sachsen womöglich stärkste Partei werden könnte. Prompt legt der Wahlausschuss das Recht so aus, dass eine eingereichte Liste nicht gültig sei und nur 18 Listenkandidaten möglich sind.

Nun ist Recht immer Auslegungssache und man würde denken, dass über eine solche Entscheidung Gerichte entscheiden. Doch genau das ist rechtlich nicht vorgesehen. Parteien können erst nach den Wahlen juristisch gegen Entscheidungen des Wahlausschusses vorgehen. So hat man die Grenzen des Rechtsstaats kennengelernt, die auch schon linksreformerischen Parteien vor Augen geführt wurden. Die AfD will jetzt mit einer Kampagne zur Förderung ihrer Direktkandidaten auf die Schrumpfung ihrer Wahlliste reagieren, denn die wären davon nicht betroffen. Jetzt gibt es schon Diskussionen, dass sämtliche Parteien links von der AfD gemeinsam antreten sollen, umso AfD-Direktkandidaten zu verhindern. Vor einem solchen Szenario graust auch den Taz-Kommentator Christian Rath:

Die AfD will nun möglichst viele Direktmandate holen, damit das angebliche „Komplott“ der Altparteien keine Folgen hat. Die anderen Parteien überlegen, gemeinsame Wahlempfehlungen abzugeben, um Direktmandate der AfD zu vermeiden. Der Charakter der Wahl würde dadurch also völlig verändert. Hier macht der Aufschub gerichtlicher Prüfung offensichtlich keinen Sinn. Die Ordnungsmäßigkeit und die Legitimität der bevorstehenden Wahlen werden so keineswegs gesichert, sondern im Gegenteil eher gefährdet. In einer derartigen Situation sollte das sächsische Landesverfassungsgericht Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ausnahmsweise doch für zulässig erklären und die umstrittene Entscheidung des Wahlausschusses sofort – also vor der Wahl – überprüfen. Noch ist Zeit genug.

Christian Rath

Es ist unwahrscheinlich, dass die Staatsapparate darauf eingehen. Wahlausschuss und Verfassungsschutz sind ein Teil davon, und sie spielen ihren Part. Das ist aber keine Abkehr vom Rechtsstaat, wie manche Demokratie-Idealisten meinen, sondern seine Umsetzung. Nur sollte niemand, der es ernst im Kampf gegen die Rechte meint, da mitspielen. Da ist ein Besuch der Proteste am 20.Juli in Halle auf jeden Fall sinnvoller.