I. Kurzer Hinweis in:
ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 630 /
Abschreckung vor Aufklärung. Nach den G20-Protesten setzt das Amtsgericht Hamburg auf »Generalprävention«. Von Claudia Krieg (S. 21)
„Unter dem Artikel „Solidarisch zu sein, heißt: sich dem Verbot zu widersetzen“ haben drei Journalist_innen einen Aufruf veröffentlicht, in dme sie dazu auffordern, Position zu beziehen und sich zu Veröffentlichen auf Indymedia linksunten zu bekennen.“
Von Moritz Wichmann
12.09.2017
Politik
»Sozial-bewegt«: Indymedia-Autoren bekennen sich online
Autoren rufen auf, Texte wieder zugänglich zu machen / Initiatoren verstehen »Linksunten« als Portal der außerparlamentarischen Linken in »ganzer Vielfalt«
Drei Autoren von linksunten.indymedia.org haben ihre Texte in einer Solidaritätsaktion wieder zugänglich gemacht. Sie sehen die Nachrichtenplattform als streitbares Portal der außerparlamentarischen Linken und fordern andere Autoren auf, ihre Texte ebenfalls wieder online zu stellen.
Der Journalist Peter Nowak, der Blogger Achim Schill und die PolitikwissenschaftlerIn Detlef Georgia Schulze bekennen sich auf einem Blog zu ihrer Autorenschaft und schreiben: »Solidarisch sein, heißt: sich dem Verbot widersetzen«. In ihren nun wieder aufrufbaren Texten hatten die Autoren über »revolutionäre Organisierung«, Israelkritik und Antisemitismus sowie zu einzelnen linksradikalen Gruppen geschrieben.
Die drei Journalisten und Blogger erklären: »Wir sind nicht Fans der sich als ‚freiheitlich‘ feiernden anti-kommunistischen ‚Grundordnung des deutschen Staates’.« Mit dem Bereitstellen ihrer Texte wollen die drei Autoren aber zeigen, dass die Behauptung des Bundesinnenministeriums, die Texte auf » Linksunten Indymedia« seien »dem Wesen nach ‚den Strafgesetzen zuwider‘« und »gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet«, falsch ist. Während einige Beiträge auf der Plattform »linksradikal« gewesen seien, waren andere laut der Einschätzung von Nowak, Schill und Georgia »bloß ‚sozial-bewegt‘«.
Ende August hatte das Bundesinnenministerium das Portal linksunten.indymedia.org verboten. Dabei kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen. Computer und Mobiltelefone wurden beschlagnahmt. In der Folge gab es mehrere Solidaritätsdemonstrationen, etwa in Freiburg, Berlin und Hamburg. Drei mutmaßliche Verantwortliche für die Plattform gehen mittlerweile juristisch gegen ihre Zuordnung zur Plattform und die Tatsache, dass das Innenministerium »Linksunten« als Verein versteht, vor.
Indymedia war für die sich nun bekennenden Autoren ein Portal der »außerparlamentarischen Linken in ihrer ganzen Vielfalt«. Deren Betreiber hätten sich durch die Veröffentlichung von strafrechtlich relevanten Beiträgen nicht wie vom Innenministerium behauptet mit diesen identifiziert, sondern vielmehr diese als »diskussionswürdige« Texte einem »berechtigten Informationsbedürfnis« der Leser zugänglich gemacht. Das gelte auch trotz der Tatsache, dass einige Texte von den Moderatoren der Plattform nicht veröffentlicht beziehungsweise wieder gelöscht wurden.
aus taz: 13. 9. 2017
Appell an linksunten.indymedia
Wer schreibt, der bleibt
Autor*innen der Plattform rufen Kolleg*innen dazu auf, Texte auf einem neuen Blog zu veröffentlichen. So wollen sie das Medium wiederherstellen.
BERLIN taz | Am Dienstag haben drei Autor*innen der im August von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verbotenen Plattform linksunten.indymedia andere Autor*innen des Forums dazu aufgerufen, sich zu ihren Texten zu bekennen.
Der Hintergrund: Das Innenministerium hatte die Plattform mit dem Argument verboten, sie würde „von gewaltbereiten Linksextremisten genutzt, um dort fortlaufend öffentlich zur Begehung von Straftaten aufzufordern“. Dagegen hatten sich die Betreiber*innen des Forums gewehrt.
Nun haben drei der Autor*innen – Peter Nowak, Achim Schill und Detlef Georgia Schulze – einen neuen Blog eingerichtet, über den sie ihre Texte wieder zugänglich machen. Sie rufen „alle, die unter Klarnamen und nicht-konspirativen Pseudonymen“ bei linksunten publiziert haben, dazu auf, sich ihnen anzuschließen. Ziel: Die Inhalte des Mediums wiederherzustellen.
Mit dem umstrittenen Verbot der Seite (taz berichtete) hatte Innenminister de Maizière einen Pfeil in die Achillesferse der linken Szene der Bundesrepublik geschossen. Zu den globalisierungskritischen Protesten in Seattle 1999 ins Leben gerufen, hatte sich die Plattform in der Bundesrepublik als wichtiges Vernetzungs- und Informationsportal etabliert.
Eine Reaktion auf G20
„Das Medium fehlt einfach“, sagt Detlef Georgia Schulze. Die PolitikwissenschaftlerIn hofft auf eine breite Beteiligung an der Aktion. Aus „Mangel an technischer Kompetenz“ hätten die Initiator*innen keine Möglichkeit gehabt, die Plattform mit einer vergleichbaren Infrastruktur zu ersetzen, berichtet Schulze. „Wir hatten ja schon gegen die Regeln verstoßen“, bekennt sich die PolitikwissenschaftlerIn. Es wäre nicht weiter gefährlich gewesen, sich dem Verbot über diesen Umweg zu widersetzen.
Das Verbot sei lediglich eine Reaktion auf die gewaltsamen G20-Proteste im Juli in Hamburg gewesen, sagen Verbotskritiker*innen. Das Innenministerium wiederum argumentiert, die auf der Plattform veröffentlichten Texte riefen zur Gewalt gegen Polizisten auf und verstoßen damit gegen das Grundgesetz.
De Maizière zufolge setze das Verbot der Plattform „ein deutliches Zeichen“. Noch am Morgen des 25. August hatten mehrere Hausdurchsuchungen bei den vermeintlichen Betreiber*innen stattgefunden. Fünf Personen haben inzwischen beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Verfügung geklagt. Solidaritätsdemonstrationen fanden in verschiedenen Städten statt – zuletzt am vergangenen Samstag in Freiburg. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kritisierte das Verbot als „rechtsstaatlich äußert fragwürdig“.
Kurios ist, dass das Portal erst durch das Verbot öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Vielen Menschen dürfte es vorher kein Begriff gewesen sein.