3. Mai – Internationaler Tag der Pressefreiheit: linksunten-Verbot aufheben und Strafverfahren einstellen!

Aus Anlass des Internationalen Tages der Pressefreiheit fordern der Journalist Peter Nowak, der Blogger Achim Schill und der/die PolitikwissenschaftlerIn Detlef Georgia Schulze das Ver­bot von linksunten.indymedia aufzuheben und das gegen sie selbst laufende Strafverfahren einzustellen. Das – auch von Linksradikalen genutzte – internet-Medium linksunten.indy­media.org war im August 2017 vom Bundesinnenministerium als „Verein“ verboten worden. Dagegen hatten sich Nowak, Schill und Schulze mit einer rund eine Woche später veröffent­lichten Erklärunggewandt. Den Text bebilderten sie mit einem Ausschnitt aus der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums, die wiederum das Logo der fraglichen Web­seite enthielt.

Die Bebilderung legt ihnen die Berliner Staatsanwaltschaft als Verwendung des „Kennzei­chens“ eines verbotenen „Vereins“ und den Inhalt der Erklärung als „Unterstützung“ des ver­meintlichen Vereins aus. – Dazu erklären die Betroffenen:

Krücke „Vereins“-Verbot

Das vom Bundesinnenministerium ausgesprochene „Vereins“-Verbot stellt eine Krücke dar, um die durch Artikel 5 Grundgesetzgeschützte Meinungsäußerungs- und Pressefreiheitund ins­besondere das dort statuierte Zensurverbotzu umgehen. Selbst wenn die herausgeberische Struktur von linksunten.indymedia ein Verein (gewesen) wäreund die Verbotsgründe des Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetzvorliegen würden(insbesondere Letzteres ist zu bestreiten), so würde es dennoch an jeder Rechtsgrundlage dafür fehlen, auch allen anderennatürlichen(Menschen) und juristischen(bestimmte Vereine und Gesellschaften) Personen die Verwen­dung der URL linksunten.indymedia.org und dessen, was das Bundesinnenministerium als das „Kennzeichen“ des vermeintlichen „Vereins“ ansieht, zu verbieten. Das, was das Innenministe­rium als „Kennzeichen“ des vermeintlichen verbotenen Vereins ansieht, ist in Wirklichkeit das einheitliche(((i)))-Logo des – nicht-verbotenen – transnationalen indymedia-Netzwerkes und die schlichte URL linksunten.indymedia.org in roter Schrift.

Mögen vielleicht auch einigein der Vergangenheit bei linksunten veröffentlichte Texte nach der Rechtsauffassung des Bundesinnenministeriums illegal gewesen sein, so sind aufgrund des vom Innenministerium ausgesprochenen Verbots auch zahlreiche unstrittigvöllig legale Texte betroffen, die nun nichtmehrzugänglich sind; und vor allem beansprucht das Ministe­rium, das zukünftigeErscheinen des Mediums – egalmit welchemInhalt – verbieten zu dürfen. Dafür fehlt es aber an jeder Rechtsgrundlage!

Zwar sind die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz von „den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“ beschrankt. Aber es gibt auch dortschlicht und ergreifend keineNorm, die es dem Staat erlauben würde, das künftige Erscheinen von (bestimmten oder gar allen) Medien zu verbieten.

Zwar

  • erlauben die Vorschriften zum Schutze der Jugend altersbezogene Vertriebsbeschrän­kungen;
  • konstituieren die Vorschriften zum Schutze der persönlichen Ehre zivilrechtliche Lö­schungs-/Unterlassungs- und Schadenersatz- sowie staatliche Strafansprüche

und

  • erlauben die allgemeinen Gesetze die zeitweilige Sperrung von internet-Medien, um die Einhaltung von bestimmten Formvorschriften zu erzwingen (§§ 55, 59 II – VI Rundfunkstaatsvertrag).

Darüber hinaus beansprucht der Staat, auch bestimmte (politische) Äußerungen unter inhaltli­chen Aspekten, die nichtdie persönliche Ehre und nicht den Jugendschutz betreffen, bestrafen zu dürfen. Aber nichtsdavon stellt ein Komplett-Verbot eines bestimmten Mediums (oder gar aller Medien) pro futurodar.

Bei Geltung des Grundgesetzes unüberwindliche Hürde: Das Zensur-Verbot

Solche einfach-gesetzliche Normen, die es erlauben würde, das künftige Erscheinen von Medien zu verbieten, wären im übrigen auch verfassungswidrig. Denn nur die Rechteaus Arti­kel 5 Absatz 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz, aber nicht das Zensurverbotaus Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz („Eine Zensur findet nicht statt.“) stehen unter dem Vorbehalt der Schran­ken des dortigen Absatz 2. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu – zurecht und eindeutig – entschieden:

„Das Zensurverbot soll die typischen Gefahren einer solchenPräventivkontrolle ban­nen. Deswegen darf es keine Ausnahme vom Zensurverbot geben, auch nicht durch ‚allgemeine Gesetze’ nach Art. 5 Abs. 2 GG. (BVerfGE33, 52 – 90 [72 = DFR-Tz. 76])

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden:

„The practice of banning the futurepublication of entire periodicals […] went beyond any notion of ‚necessary’ restraint in a democratic society and, instead, amounted to censorship.“

(https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22tabview%22:[%22document%22],%22itemid%22:[%22001-95201%22]}, Tz.44)

„Die Praxis, die zukünftige Veröffentlichung eines ganzen Periodikums […] zu verbieten,geht über über jeden Begriff (jede Vorstellung) davon, welche Beschränkungen [der Meinungsäußerungsfreiheit] in einer demokratischen Gesellschaft ‚notwendig’ sind, hin­aus, und ist Zensur / zählt als Zensur / läuft auf Zensur hinaus.“ (eigene Übersetzung)

Deshalb kann es heute nur eine Forderung geben: Das Verbot von linksunten.indymedia sofort aufheben!Und ab morgen fordern wir wieder: Das Strafverfahren gegen uns einzustellen, denn wir haben kein „Vereins“-„Kennzeichen“ verwendet, sondern ein – vom Bundesinnenministerium ausgesprochenes– Verboteines vermeintlichen „Vereins“ bildlich zitiert. Es gibt aber keineNorm, die das bildliche Zitieren von Verbotsverfügungen des Bundesinnenministeriums unter Strafe stellen würde.

Detlef Georgia Schulze, Joachim Schill, Peter Nowak