(Vorab aus telegraph #141/142. Der neue telegraph erscheint im Januar 2023)

Der heiße Herbst und die gesellschaftliche Linke

Seit einigen Jahren hoffen auch öfter linke Bewegungsaktivist*innen auf einen heißen Herbst und bemühen sich redlich darum, die Massen in Bewegung zu setzen. In den letzten 15 Jahren trugen die entsprechenden Kampagnen Namen wie „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, Blockupy oder M31, um nur drei Labels zu nennen, die heute vielen nichts mehr sagen. Unter dem Namen „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ versuchten linke Gruppen in den Jahren 2009/2010 eine Mobilisierung gegen die damalige Finanzkrise zu befördern. Schnell stellte sich heraus, dass sich in Deutschland, dessen Wirtschaft von der Krise profitierte, wenig Widerstand entwickelte.

Es muss schon misstrauisch machen, wenn die Phrase vom „heißen Herbst“ gebraucht wird. Schließlich wird sie häufig vor Tarifauseinandersetzungen der DGB-Gewerkschaften verwendet und die sind selten heiß. Ausnahmen bestätigen die Regel. Seit einigen Jahren hoffen auch öfter linke Bewegungsaktivist*innen auf einen heißen Herbst und bemühen sich redlich darum, die Massen in Bewegung zu setzen. In den letzten 15 Jahren trugen die entsprechenden Kampagnen Namen wie …

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Tagungsvorbereitungsgruppe (Hg.) Die IL läuft Gefahr, Geschichte geworden zu sein, Dokumentation der Tagung über die Krise der IL und der radikalen Linken vom 2. bis 4. Juli 2021 in Berlin, 104 Seiten Die Broschüre kann gegen eine Spende bestellt werden über: tagung_punk@riseup.net

Von den Schwierigkeiten linker Politik in nichtrevolutionären Zeiten

Innerhalb der Interventionistischen Linken, einer der grösseren Organisationen der ausserparlamentarischen Linken in Deutschland, gibt es Strategiediskussionen, die auch für Menschen interessant sein können, die mit der Organisation nichts zu tun haben

Die jetzt auch? Diese Frage stellt sich sofort, wenn man den Titel des knapp 100seitigen Readers liest, der kürzlich in einschlägigen linken Buchläden gegen eine Spende vertrieben wurde. „Die IL läuft Gefahr, Geschichte geworden zu sein“, lautet er. Mit dem Kürzel ist die Interventionistische Linke gemeint, die sich als grösseres Bündnis innerhalb der ausserparlamentarischen Linken begriffen hat.  An der Interventionistischen Linken haben sich in der ausserparlamentarischen Linken viele gerieben. Die Kritikpunkte waren zahlreich, und reichten beispielsweise von …

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Strategiediskurs: Auch eine größere Organisation der außerparlamentarischen Linken sieht sich in der Krise, während die Linkspartei bei Wahlen herbe Verluste hinnehmen muss

Out, aber nötig? Linke Politik in nichtrevolutionären Zeiten

Zu den besten Texten in der Broschüre gehören die, die sich eben nicht in IL-interne Querelen verbeißen, sondern die objektiven Bedingungen in den Blick nehmen, die es heute linken Gruppen und auch der Linkspartei schwer machen. Darüber machte sich Barbara Imholz in einen Beitrag kluge Gedanken, der in der Tageszeitung junge Welt vorab gedruckt wurde.Imholz geht in zehn Thesen darauf ein, wie der Digitalkapitalismus auf die Subjekte wirkt – und welche Rückwirkungen dies wiederum auf linke Politik hat. Gleich zu Beginn benennt sie als Problem, dass das neoliberale Credo keine Gesellschaft, sondern nur noch Individuen kennt. Geschichte wird für das Erkennen heutiger Probleme für überflüssig erklärt.

Die jetzt auch? Diese Frage stellt sich sofort, wenn man den Titel des knapp 100-seitigen Readers liest, der kürzlich in einschlägigen linken Buchläden gegen eine Spende vertrieben wurde. „Die IL läuft Gefahr, Geschichte geworden zu sein“, lautet er. Mit dem Kürzel ist die Interventionistische Linke gemeint, die sich als größeres Bündnis innerhalb der außerparlamentarischen Linken begreift.An der Interventionistischen Linken haben sich im außerparlamentarischen linken Spektrum viele gerieben. Die Kritikpunkte waren zahlreich und reichten beispielsweise von Kampagnenpolitik bis zum Vorwurf, die IL mutiere zum außerparlamentarischen Arm der Linkspartei, die bei der NRW-Landtagswahl am Sonntag nur noch 2,1 Prozent erreichte.  Doch auch viele Kritiker der IL würden es bedauern, wenn dieses Bündnis der postautonomen Linken …

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Demo der Corona-Maßnahmen-Gegner von der Polizei aufgelöst

Vom Vermummungsverbot zum Vermummungsgebot

In der Vergangenheit war das Vermummungsverbot der Knackpunkt. Immer wieder wurden meist linke Demonstrationen aufgelöst, weil ein Teil der Teilnehmer Schals oder Sonnenbrillen getragen hat, selbst wenn die Witterung für das Tragen dieser Utensilien sprach. Am Samstag bei den Corona-Protesten wurde die gleiche Taktik angewandt - nur mit einem Unterschied. Dieses Mal wurde die Großdemonstration aufgelöst, weil der Großteil der Teilnehmer keine Maske trug, also das Vermummungsgebot missachtete.

Zwei Gerichtsinstanzen haben in den vergangenen Tagen entschieden, dass die Großdemonstration der Corona-Maßnahme-Gegner heute stattfinden kann. Dass damit noch längst nicht klar ist, dass das dann auch geschieht, war Beobachtern von Großdemonstrationen in den vergangenen Jahrzehnten klar. Letztlich kann die Polizei vor Ort entscheiden, wie sie das Demonstrationsrecht auslegt. Dabei spielen auch immer Opportunitätsgründe eine Rolle. Das bedeutet, ob ….

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So geht Europa

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem der Anspruch von EU-Bürgern auf Sozialleistungen stark beschränkt werden soll.

»Immer mehr EU-Ausländer klagen bei Kommunen Sozialhilfe ein«, titelte die Rheinische Post vorige Woche. Das konservative Blatt reihte sich damit in den Alarmismus ein, den zahlreiche Medien und Politiker von Union und SPD verbreiten. Sie echauffieren sich darüber, dass EU-Bürger, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten Sozialhilfe beantragen, ohne vorher schon in einem Lohnarbeitsverhältnis gestanden zu haben.

Den Anspruch auf Sozialleistungen hatte das Bundessozialgericht in Kassel Ende 2015 ausdrücklich bekräftigt. Das Gericht urteilte, dass EU-Ausländer nach einem halben Jahr in Deutschland zwingend Anspruch auf Sozialhilfe haben, weil sich dann ihr Aufenthalt verfestigt habe. Die Sicherung des Existenzminimums ist ein grundgesetzlich verbrieftes Recht. Mit diesem Urteil hätte die Debatte, ob EU-Bürger das Sozialrecht missbrauchen, wenn sie in Deutschland Sozialhilfe beantragen, eigentlich beendet sein müssen. Skandalisiert werden könnte stattdessen, dass die Sozialbehörden EU-Bürgern noch immer die Sozialhilfe verweigern und sie mit ihrem Anliegen auf den Rechtsweg verweisen, denn den juristischen Beistand müssen sich die Antragsteller erst einmal leisten können. Selbst wenn Betroffene nach einem entsprechenden Urteil das Geld, das ihnen zusteht, nachträglich ausgezahlt bekommen, müssen sie erst einmal ohne Geld leben. Sie verschulden sich und müssen auch die Kündigung ihrer Wohnung fürchten, wenn sie aufgrund der verweigerten Sozialhilfe in einen Mietrückstand geraten. Angesichts dieser Praxis bräuchte man ein Gesetz, das die zuständigen Behörden verpflichtet, die Sozialhilfeanträge sofort zu bewilligen und damit das Urteil des Bundessozialgerichts umzusetzen.

Tatsächlich hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Woche einen Gesetzentwurf in dieser Angelegenheit vorgelegt. Doch der beinhaltet eine Entrechtung der EU-Bürger, indem er das Urteil des Bundessozialgerichts negiert. Der ­Gesetzentwurf, der bereits die Zustimmung des Bundeskabinetts fand, sieht vor, dass EU-Bürger mindestens fünf Jahre in Deutschland leben müssen, bevor sie Sozialhilfe oder Leistungen nach SGB II beantragen dürfen. Als Begründung der geplanten gesetzlichen Neuregelung diente die bei Rechtspopulisten beliebte Floskel von der »Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme«, die unterbunden werden müsse.

Kritik an diesen Plänen der schwarz-roten Bundesregierung kam von Politikern der Oppositionsparteien und den Gewerkschaften. Annelie Buntenbach, Mitglied des Vorstands des DGB, sagte mit dem Verweis auf eine Studie der Gewerkschaft, dass die geplante Neuregelung sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen EU-Recht verstoße. »Sollte der Referentenentwurf so kommen, dürfte das letzte Wort in Karlsruhe gesprochen werden«, sagte Buntenbach dem Evangelischen Pressedienst.

So erfreulich es ist, dass sich der DGB-Vorstand klar gegen die weitere Entrechtung von EU-Bürgern ausspricht, so enttäuschend ist, dass auch hier lediglich auf den Rechtsweg verwiesen wird. Schließlich müssten die Gewerkschaften auch aus eigenem ­Interesse gegen die Pläne aus dem sozialdemokratisch geführten Arbeits­ministerium opponieren. Mit der Verweigerung von staatlichen Leistungen in den ersten fünf Jahren würde eine weitere Reservearmee für den in Deutschland boomenden Niedriglohnsektor geschaffen.

Viele Menschen aus den süd- und osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten erhoffen sich in Deutschland ein besseres Leben. Die Wirtschaft ihrer Herkunftsländer wurde nicht zuletzt durch die von Deutschland forcierte Austeritätspolitik und die deutsche Export­orientierung geschwächt und niederkonkurriert. Angesichts ihrer prekären Situation werden diese EU-Bürger Deutschland nicht verlassen, wenn sie keine Sozialhilfe bekommen. Die Verweigerung von staatlichen Leistungen wird dazu führen, dass noch mehr Arbeitsmigranten in der Gastronomie, im Care-Sektor und andere Niedriglohnbereichen schuften. Denn dort verdienen sie oft immer noch mehr als in ihren Herkunftsländern.

Vor allem Arbeitsmigranten aus Südeuropa haben in den vergangenen Monaten damit begonnen, sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in Deutschland zu wehren. Für Gruppen wie »Migrant Strikes« und »Oficina Precaria«, die in Berlin aktiv sind, geht es um den Kampf für soziale Rechte, unabhängig von der Aufenthaltsdauer. Dabei kooperieren sie mit Erwerbslosengruppen wie der Berliner Initiative »Basta«. Allerdings begreift nur eine Minderheit von Erwerbslosen die Entrechtung der Arbeitsmigranten auch als Angriff auf sich selbst. Stattdessen wird allzu oft in die Propaganda von der Einwanderung in die Sozialsysteme eingestimmt. Widerstandslos wird dabei hingenommen, dass das Bundesarbeitsministerium parallel zur Entrechtung von Arbeitsmigranten den Sank­tionskatalog gegen Hartz-IV-Empfänger ausweitet (Jungle World 20/2016). ­Solange Erwerbslose im Chor mit Kommunalpolitikern darüber klagen, dass die klammen Kassen der Kommunen durch das Urteil des Bundessozialgerichts auch Sozialleistungen für EU-Bürger bereitstellen müssen, wird sich daran nichts ändern. Was dabei verdrängt wird, ist die Frage nach den Ursachen für die Finanznot der Kommunen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang nicht nur die sogenannte Schuldenbremse, die von der Bundes­regierung durchgesetzt wurde, sondern auch die Weigerung, wieder eine Vermögenssteuer einzuführen, wie es sie zu Zeiten der Kanzlerschaft von Helmut Kohl (CDU) noch gab. Im September protestierte das »Blockupy«-Bündnis mit einer Belagerung des Bundesarbeitsministeriums gegen die Vorenthaltung sozialer Rechte – unabhängig vom Pass der Betroffenen. Die Resonanz blieb gering.

http://jungle-world.com/artikel/2016/42/55011.html

Peter  Nowak

Neue Vernetzung im Rhein-Main-Gebiet

Regionale Strukturen arbeiten stärker zusammen

Auch ohne neu geplante Blockupy-Aktionen will die Mainmetropole das Zentrum für sozialen Widerstand bleiben. Flüchtlings-, Mieter- und Studierendengruppen sowie Beschäftigte aus 17 Betrieben im Sozialbereich wollen gemeinsam die Politik in der Stadt prägen.

Im Anschluss an eine Flüchtlings- und Antirassismusdemonstration wurde in der Mainmetropole Frankfurt ein leerstehendes Haus der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG-Holding besetzt. Schon wenige Stunden später wurde es von der Polizei unter Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray geräumt. Das Projekt Shelter initiierte die Besetzung und will den Kampf um ein selbstverwaltetes Zentrum für Geflüchtete auch nach der Räumung fortsetzten. Seit Monaten wirbt die Gruppe für das Zentrum. Zugleich ist sie Teil eines neuen Vernetzungsprozesses in der Stadt, an dem auch Mieter- und Studierendengruppen sowie Beschäftigte aus 17 Betrieben im Sozialbereich beteiligt sind. »Wesentliche Themen und Aktivitäten sind die gegenseitige Unterstützung bei der Organisierung in den Betrieben, der Austausch zwischen bestehenden Betriebsgruppen, der gegenseitige Besuch von Betriebsversammlungen und die Information übe die Arbeitssituation in den Betrieben«, erklärt eine Mitbegründerin des Netzwerks den Zweck.

Wenn Beschäftigte sanktioniert oder gekündigt werden, organisiert das Netzwerk Solidarität. Es will auch rumänische Wanderarbeiter, die besonders im Osten Frankfurts täglich auf Arbeitssuche sind, über ihre Rechte informieren. Kooperationspartner ist dabei die Frankfurter Beratungsstelle »Faire Mobilität« des DGB. »Viele rumänische Bauarbeiter haben Interesse, deutsch zu lernen. Tagsüber müssen sie arbeiten, aber ein Abendkurs wäre sicher ein interessantes Angebot«, meint Beraterin Letitia Matarea-Türk.

Die Zusammenarbeit so unterschiedlicher Gruppen hatte durch ein politisches Großevent Anschub bekommen. »Die Blockupy-Proteste, die in den letzten Jahren Frankfurt zum Zentrum eines sogar über Deutschland hinausgehenden Widerstands gegen die Krisenpolitik gemacht haben, brachten uns wichtige Impulse«, betont der Erwerbslosenaktivist Harald Rein gegenüber »nd«. Die Aktionen sollten Frankfurt und die Rhein-Main Region zu einem »Wendland des antikapitalistischen Protests« machen. Wie das Zwischenlager Gorleben das Wendland zum Zentrum des bundesweiten Anti-AKW-Protests machte,
sollte die Europäische Zentralbank (EZB) die Antikrisenproteste in Frankfurt bündeln. Das Konzept ging auf. An mehreren Aktionstagen beteiligten sich Tausende Gegner der europäischen Krisenpolitik, zuletzt am 18. März 2015.

Dieser Tag stellte für die Blockupy-Bewegung zugleich eine Zäsur dar. Nach der Neueröffnung der EZB war klar, dass es eine weitere Mobilisierung in der bisherigen Form nicht geben wird. Mit der regionalen Vernetzung will man jetzt neue Strukturen schaffen. An einem stadtpolitischen Ratschlag »Frankfurt für alle!« beteiligten sich Anfang Dezember zahlreiche Initiativen. Dort wurde auch die Demonstration am Tag der Menschenrechte organisiert, die in die kurze Besetzung des leerstehenden Hauses mündete. Als Selbstverständnis formuliert die regionale Koordinierung: »Wir sehen die hier ankommenden Geflüchteten nicht als Konkurrent*innen im Zugang zu öffentlichen Leistungen, sondern als Mitstreiter*innen im Kampf für soziale Gerechtigkeit, denen unsere uneingeschränkte Solidarität gilt.«

Mehr Infos: »Crossing Arms – Crossing Fights«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/995139.neue-vernetzung-im-rhein-main-gebiet.html

Peter Nowak

Autoritärer Staat und Austerität

Die Reaktionen von Politik und Medien auf den Protesttag zeigen, dass die Angst davor wächst, dass diejenigen, die unter der Austeritätspolitik leiden, öfter in Deutschland ihren Protest ausdrücken könnten

Die Spuren des Blockupy-Aktionstages wurden in Frankfurt/Main schon längst beseitigt. Doch vor allem bei der konservativen Presse und Politik scheint die Tatsache, dass erstmals Menschen aus ganz Europa ihren Protestin in das Land getragen haben, das für die Austeritätspolitik hauptsächlich verantwortlich ist, doch für Beunruhigung gesorgt zu haben. Sie beginnen wohl zu begreifen, dass es mit der Friedhofsruhe hierzulande vorbei sein könnte, wenn die Menschen aus dem EU-Raum dort protestieren, wo die Verantwortlichen sitzen.

Da ist Frankfurt auf jeden Fall in einer Zeit eine gute Adresse, wo sich die Politik vor allem darum sorgt, wie es dem Dax geht und ob der Markt verschreckt wird, aber nicht, ob die Menschen noch ein Dach über den Kopf oder genug zu essen haben. Da wird seit Tagen in deutschen Medien darüber gerätselt, was es mit den Stinkefinger auf sich hat, den der heutige griechische Finanzminister vor Jahren als linker Oppositionspolitiker gezeigt haben soll, als er Deutschland erwähnte. Varoufakis Grundlagentext [1], in dem er sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus betätigt, um das Umkippen der Gesellschaft in die Barbarei zu verhindern, wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl er viel über seineheutige Politik sagt.

Auch die Studie [2] der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung über die Folgen der Austeritätspolitik für die Mehrheit der Menschen in Griechenland, die die Kritik des Blockupy-Bündnisses bestätigt, schafftees kaum in die Medien. „Der Austeritätskurs in Griechenland hat die Einkommen der privaten Haushalte in dem Krisenland drastisch einbrechen und die Armut ansteigen lassen“, lautet das Ergebnis.

Doch die Studie wird nicht dazu führen, dass sich Schäuble oder seine Unterstützer von der Austeritätspolitik distanzieren oder sie nur kritisch hinterfragen. Schließlich geht es ihnen um den Wirtschaftsstandort und nicht um Menschen. Distanzieren aber sollen sich jetzt die Organisatoren der Proteste zur EZB-Eröffnung, wenn es nach den Politikern einer ganz großen Koalition von Grünen bis zur Union geht. Sie griffen bei einer Debatte im Bundestag die Protestorganisatoren an. Zudem forderten sie von der Linken wieder einmal eine Distanzierung von Gewalt.

Straßenmilitanz in Kiew bejubelt, in Frankfurt/Main kriminalisiert

Doch als Katja Kipping, eine der Co-Vorsitzende der Linken dieser Aufforderung nachkam [3], war das nur ein Anlass für weitere Distanzierungsaufforderungen. Viel souveräner ging die Linksparteiabgeordnete Heike Hänsel mit denDistanzierungsforderungen um. Sie listete einige der Opfer der Austeritätspolitik auf und kam zu dem Schluss, „dass die Gewalt in erster Linie von der EZB ausgeht, nicht von ihren Kritikern“.

Besonders erbost reagiertendie Medien und viele Politiker als Hänsel daran erinnerte [4], dass militante Kämpfe gegen eine bürgerlich-demokratisch gewählte Regierung auch von Politikern der großen Koalition nicht immer abgelehnt werden. Als im letzten Jahr die Lage in Kiew eskalierte, waren sie des Lobes voll für die dortigen Straßenkämpfer und ihre Gewalt. Sie konnten sich ja sicher sein, dass dort keine Linken aktiv sind. Die Empörung, die Hänsel mit dieser simplen Erklärung, deren Realitätsgehalt niemand bestreiten kann, auslöste, zeigte, dass sie ins Schwarze getroffen hat. Erbost [5] reagierten die konservativen Medien darauf, dass das Blockupy-Bündnis deutlich machte, dass es sicher einzelne militante Aktionen ablehnt, sich aber einer Distanzierung verweigert.

Der deutsche Distanzierungszwang verhindert letztlich inhaltliche Auseinandersetzungen. Das Blockupy-Bündnis fordert diese ein und erteilt allen Spaltungsversuchen in gute und schlechte Demonstranten eine Absage. Sie verweisen darauf, dass sie nicht alle Aktionen billigen, aber die Wut der Menschen über die Folgen einer Politik, die ihnen Lebenschancen nimmt, verstehen können.

In der FAZ hingegen übt man sich nach den Protesten schon mal im Rundumschlag gegen alle, die sich zur EZB-Eröffnung überhaupt kritisch zu Wort melden. In einen Kommentar [6] werden Politiker von Linken und Grünen, aber auch Gewerkschaften heftig angegriffen und sogar ziemlich unverhohlen in die Nähe von Mord und Totschlag gerückt.

„Einem schwärmerischen Neunzehnjährigen mag man die Naivität durchgehen lassen, er habe doch nur demonstrieren wollen, den Wilkens und Genossen aber nicht. Sie wussten genau, was sie taten. Sie nahmen Tote in Kauf. Erst brennen die Streifenwagen, dann die Menschen“, lautet das letzte Kapitel im Kommentar. Es ist eindeutig, dass hier eine kritische Bewegung kriminalisiert werden soll.

„Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt den Planeten“

Offensiv hat die bekannte Publizistin und Kapitalismuskritikerin Naomi Klein [7], die in ihrem jüngsten Buch [8] über eine Kooperation zwischen Umweltbewegung und Kapitalismuskritik nachdenkt, den politischen Zusammenhang dargestellt. „Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt Planeten“, schrieb sie Institutionen wie der EZB ins Stammbuch. Diese betrieben eine Politik für Reiche, in ihr säßen „die wahren Randalierer“.

Damit hat auch Klein den weitgehend tabuisierten Zusammenhang hergestellt zwischen der hilflosen Gewalt der Opfer jener mächtigen Gewalt, die vielfältiger Weisein das Leben von Millionen eingreift. Es waren vor allem die Regelverletzungen bei den Protesten in Frankfurt/Main, die das Thema in die Medien brachte. Das erkannte auch der hochrangige Syriza-Politiker Giorgos Chondros [9], der an den Protesten teilnahm und von den Medien auch gefragt wurde, ob er die rund um die EZB brennenden Autos okay finde. Die Taz zitiert seine Antwort [10]: „Ja“, sagt Chondros. „Das ist gut für Medien. Was anderes wollen die ja nicht.“

Am Tag des Blockupy-Beitrags stieg der Dax einmal nicht und die Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks sprach davon, dass die Märkte beunruhigt seien. Zwei Tage später steigt der Dax wieder, die Märkte sind wieder zufrieden und die griechische Regierung wird von der Bundesregierung und den von ihr abhängigen Institutionen unter Druck gesetzt, das Land wieder unter ihr Kuratel zu stellen, also die Politik umzusetzen, die in Griechenland abgewählt wurde.

Obwohl die Dokumentation Troika – Macht ohneKontrolle [11] nachgewiesen hat, dass bei der Etablierung dieser Strukturen zahlreiche Gesetze und Bestimmungen verletzt wurden, wird gegen die dafür Verantwortlichen, an erster Stelle Wolfgang Schäuble, nicht gerichtlich ermittelt. FAZ und Co. klagen nicht darüber, dass diese Gesetzesbrecher noch im Amt sind. Zwei Tage nach den Protesten kündigt das Bundesinnenministerium den Aufbau einer weiteren Anti-Terror-Einheit an. Hier wurden wieder einmal lange in den Schubladen liegende Pläne rausgeholt, um den Weg in den autoritären Staat, der zur Austeritätspolitik passt, auch hier voranzutreiben.

http://www.heise.de/tp/news/Autoritaerer-Staat-und-Austeritaet-2581962.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.woz.ch/-5a79

[2]

http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/52614_53364.htm

[3]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/blockupy-im-bundestag-die-linke-und-die-randale-in-frankfurt-a-1024472.html

[4]

https://twitter.com/HeikeHaensel/status/578155299640631298

[5]

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/blockupy/blockupy-distanziert-sich-nicht-von-gewalt-13492647.html

[6]

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/blockupy/linke-krawalle-in-frankfurt-nur-noch-blinder-hass-13491675.html

[7]

http://www.naomiklein.org/main

[8]

http://thischangeseverything.org/

[9]

http://www.deutschlandfunk.de/griechenland-wir-erleben-eine-soziale-katastrophe.694.de.html?dram%3Aarticle_id=282670

[10]

http://www.taz.de/!156687/

Das rebellische Europa zu Gast in Frankfurt

Wut gegen Austeritätspolitik erreicht Frankfurt

Es ging nicht nur um die EZB, sondern um die Politik der deutschen Regierung

„Danke an alle für den großartigen Vormittag! Jetzt ist Zeit zum Ausruhen. Wir sehen uns mit neuer Frische um 17 Uhr bei der Demo!“ Diese Nachricht auf dem Liveticker[1] des Blockupy-Bündnisses[2] erklärt, warum in den letzten Stunden in der Innenstadt von Frankfurt/Main  wieder Ruhe eingekehrt ist.

Seit dem frühen Morgen des 18. März[3] haben ca. 6000 Kapitalismuskritiker, darunter über 1.000 aus dem europäischen Ausland, Teile der Innenstadt von Frankfurt/Main blockiert. Es kam immer wieder zu Scharmützel mit der Polizei. An einigen Stellen wurden Schaufenster eingeschlagen.

Das Knattern der Polizeihubschrauber über der Stadt macht deutlich, dass in der Stadt Ausnahmezustand herrscht. Aus ganz Europa sind Menschen in der Mainmetropole gekommen, um anlässlich der symbolischen Eröffnung der Europäischen Zentralbank, die ihr neues Gebäude im Osten der Stadt längst bezogen hat, deutlich zu machen, was sie von der Austeritätspolitik der deutschen Regierung und der EU-Kommission halten.

Es geht nicht um humanitäre Philosophie, sondern um die finanziellen Folgen

Und da hat in den letzten Wochen einiges an Wut angesammelt. Die Haltung von Schäuble und Co., die gegen der neuen griechische Regierung wie Kolonialoffiziere auftraten, die den Einwohnern einer unbotmäßigen Provinz beibringen, wie sie sich zu benehmen haben. Erst vor wenigen Stunden wandte sich der griechische Ministerpräsident Tsipras gegen Versuche von EU-Gremien, die geplanten Hilfsmaßnahmen für die besonders verarmten Teile der Bevölkerung als Verletzung der Verträge auszulegen, die Griechenland mit den EU-Gremien geschlossen hat.

In einem Brief hatten Vertreter der EU-Kommission darauf gedrängt, diese Gesetze, die einigen zehntausend Menschen ein etwas besseres Leben ermöglichen sollen, nicht ins Parlament einzubringen. Wenn der EU-Kommissar Moscovici darauf nur entgegnen konnte, es gehe nicht um humanitäre Philosophie, sondern um die finanziellen Folgen, dann bringt er genau die Politik auf den Punkt, gegen den die Menschen in Frankfurt/Main revoltieren. Wie sie es nun seit heute Morgen taten, ist Gegenstand von zahlreichen Medienberichten und Erklärungen von Politikern aller Parteien.

Von einem Missbrauch des Demonstrationsrechts wird ebenso geredet wie von krimineller Energie der Demonstranten. Da zeigt sich einmal mehr, die unterschiedliche Wahrnehmung von Gewaltverhältnissen. Eingeschlagene Fensterscheiben und brennende Polizeifahrzeuge erregen große Empörung. Die stumme Gewalt ökonomischer Verhältnisse, die in Griechenland und auch in anderen Teilen der europäischen Peripherie verhindern, dass Menschen ihre Lebenschancen nutzten können, wird als Sachzwang akzeptiert. Auch in Deutschland sorgen diese Zwänge des Verwertungssystems für menschliches Elend. Trotzdem ist in Deutschland die Ignoranz der Folgen einer Politik, die hierzulande durch Wahlen mehrheitlich bestätigt wurde, besonders ausgeprägt.

Der Protesttag in Frankfurt/Main hat deutlich gemacht, dass die von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützte Politik von Deutschland, vor allem im europäischen Ausland auf Unverständnis stößt. Die Organisatoren der Blockupy-Proteste haben hingegen erkannt, dass die deutsche Politik auch Folgen hat. Auf einer Pressekonferenz des Blockupy-Bündnisses wurde erklärt, dass man die Wut der Menschen verstehen kann. Natürlich durfte der übliche Streit über die Frage, von wem die Gewalt ausgeht, nicht fehlen.

Während ein Polizeigewerkschafter davon spricht, dass die Blockupy-Aktivisten Kriminelle und keine Demonstranten seien, wirft das Protestbündnis umgekehrt der Polizei unverhältnismäßiges Vorgehen vor. Schließlich setzt der überwiegende Großteil der Protestierenden auf friedlichen Protest. Manche distanzieren sich von militantem Aktionen: „Diese Bilder haben wir nicht gewollt“, erklärte[4] Ulrich Wilken mit den Verweis auf brennende Polizeiauto. Wilken sitzt für die Linke im hessischen Landtag und ist Anmelder der Großdemonstration, die heute ab 17 Uhr in die Nähe des Frankfurter Bankenviertels ziehen soll. Es wird erwartet, dass es dann mit der Ruhe auf den Straßen von Frankfurt/Main wieder vorbei ist.

Alles Populisten außer der EZB?

Wie der Aktionstag auch ausgeht, einen Erfolg können sich die Protestierenden schon zugute schreiben. Bei der symbolischen EZB-Eröffnung spielten plötzlich auch die Opfer der Austeritätspolitik eine Rolle. Hätte es lediglich eine Kundgebung ohne Zwischenfälle gegeben, wäre das medial kurz abgehandelt worden und man wäre zur Tagesordnung übergegangen. Jetzt aber haben EZB-Verantwortliche und Politiker sich vorgenommen, den Menschen besser zuzuhören, damit sie nicht Populisten auf den Leim gehen. Als Populisten wurden nach dieser Lesart sowohl die Regierungspartei Syriza als auch die Demoorganisatoren bezeichnet.

Die Rituale rund um den Blockupy-Aktionstag kennt man von solchen großen Protest-Events. In dieser Hinsicht erinnern die Geschehnisse in Frankfurt/Main heute an die Rostocker Auftaktdemonstration gegen das G8-Treffen in Heiligendamm im Jahr 2007 (Demonstration gegen G8-Gipfel endete in Militanz[5]). Auch damals wurde in den Medien ein Bürgerkriegsszenario an die Wand gemalt, während die Protestorganisatoren vor allem darauf hinwiesen, dass die Polizei die große Mehrheit die gewaltfrei demonstrieren wollte, mit Wasserwerfern und CS-Gas eindeckte.

Anhang

Links

[1]

https://twitter.com/Blockupy_Ticker/status/578167158628343808

[1]

https://www.facebook.com/blockupy.europe

[2]

https://blockupy.org/

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44433/2577734.html

[4]

http://www.ulrichwilken.de/site

[5]

http://www.heise.de/tp/artikel/25/25424/

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44433/1.html

Peter Nowak

Verschlepptes Verfahren

Prozess gegen einen Polizisten wegen beschädigter Kamera lässt auf sich warten

Wird die Beschädigung einer Kamera eins Videojournalisten des Erfurter Medienkollektivs Filmpiraten bei den Blockupy-Protesten 2013 noch ein gerichtliches Nachspiel haben? »Obwohl die polizeilichen Ermittlungen seit Oktober 2014 abgeschlossen sind und der Polizist, der die Kamera beschädigt hat, namentlich bekannt ist, ist noch immer kein Prozesstermin festgesetzt worden«, kritisiert Jan Smendek von den Filmpiraten. Er tritt als Besitzer der beschädigten Kamera als Nebenkläger auf.

Die Filmpiraten hatten eine Videoszene ins Internet gestellt, auf der zu sehen ist, wie in einem Polizeikessel ein Polizist das Mikrophon der Kamera abbricht und an sich nimmt. Nachdem diese Aufnahme in zahlreichen Dokumentationen über die Blockupy-Aktionen Eingang gefunden hat, begann die Polizei mit den Ermittlungen – und wurde bei der Sichtung ihrer eigenen Videos fündig. Die Abteilung V6-Amtsdelikte beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main konnte einen sächsischen Bereitschaftspolizisten als Urheber der Beschädigung feststellen. Nun liegen die Akten bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Eine Mitarbeiterin der Pressestelle der Behörde erklärte gegenüber »nd«, dass noch nicht entschieden ist, ob es zu einer Anklage kommt oder ob das Verfahren eingestellt wird. Auch der Termin der Entscheidung sei noch offen. Nicht ungewöhnlich sei es, dass der Zeitraum zwischen dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen und der Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens länger dauert.

Ruth Schmidt von der Berliner Vorbereitungsgruppe für die Blockupy-Aktionen am kommenden Mittwoch äußert gegenüber »nd« ebenfalls Unverständnis über die lange Dauer der Ermittlungen gegen den Polizisten: »Es wäre ein klares Signal an die Polizei auch im Hinblick auf die kommenden Blockupy-Aktionen gewesen, wenn es zu einer Anklage gegen den namentlich bekannten Polizisten gekommen wäre. Dann würde deutlich, dass ungesetzliches Handeln auch juristische Konsequenzen hat.« Die lange Dauer des Verfahrens könne aber das gegenteilige Signal haben. Obwohl der Verantwortliche durch die Ermittlungen der Polizei bekannt ist, kommt die gerichtliche Aufarbeitung nicht voran.

»Das Verfahren darf nicht weiter verschleppt werden«, betont auch Jan Smendek. Für ihn hat das lange Prozedere auch finanzielle Nachteile. Nach der Beschädigung der Kamera sind die Filmpiraten auf den Kosten sitzen geblieben. »Wir waren zeitweilig in unserer Arbeit sehr eingeschränkt«, betonte Smendek. Das Videokollektiv hatte im Internet via Crowdfunding im Internet Spenden für eine neue Kamera gesammelt. Erst wenn das gerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, kann Smendek eine Klage auf Schadenersatz gegen die Polizei stellen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/964521.verschlepptes-verfahren.html

Peter Nowak

Skepsis und Solidarität

Die Freude über den Sieg von Syriza bei der Wahl in Griechenland war bei der außerparlamentarischen Linken in Deutschland groß. Für Unbehagen sorgt die Wahl der rechtspopulistischen Partei Anel als Koalitionspartner.

Wochenlang dümpelte die Kampagne für den europaweiten »Blockupy«-Aktionstag, der am 18. März in Frankfurt/Main stattfinden soll, vor sich hin. Wie soll man auch an einem Mittwoch die Massen zu einem symbolischen Protest anlässlich der Eröffnungsfeier für das neue Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) bewegen, wenn die Mitarbeiter der EZB ihre Arbeit dort schon vor einigen Monaten aufgenommen haben? Zudem gab es auch lange Zeit zahlreiche politische Diskussionen darüber, warum ausgerechnet die EZB zum Ziel der Proteste gemacht wurde. Hatte diese nicht trotz des Widerstands der deutschen Bundesregierung Geld in den Euro-Raum gepumpt und damit schon vor zwei Jahren Spekulationen über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone die Grundlage entzogen?

Doch der Wahlsieg von Syriza in Griechenland hat der Kampagne für den »Blockupy«-Aktionstag Auftrieb gegeben. Für die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe ist der Glücksfall eingetreten, dass eine gemäßigt linke Regierung im Euro-Raum den Beweis dafür antreten möchte, dass auch in der Euro-Zone eine andere Politik möglich ist, ohne gleich den Kapitalismus infrage zu stellen. Dem Experiment einer linkskeynesianischen Politik stellt sich nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die EZB entgegen. Diese hat eine Sondergenehmigung für den Einsatz griechischer Staatsanleihen aufgehoben. Die Bonds werden seit dem 11. Februar nicht mehr als Sicherheiten für EZB-Kredite akzeptiert. Mit dieser Entscheidung erschwert die EZB den griechischen Banken den Zugang zu frischem Geld. Der konservativen griechischen Vorgängerregierung wurde dieser Zugang noch ermöglicht, obwohl sie den versprochenen Kampf gegen die Korruption nie begonnen hat. Der Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras will die EZB hingegen schon von Anfang an die Möglichkeiten begrenzen.

Eine bessere Werbung konnte sich das »Block­upy«-Bündnis nicht wünschen. Auf der Homepage des Bündnisses wird das ganz offen erklärt. Dort wird zunächst eingeräumt, dass es große Zweifel gab, ob die Entscheidung für den Aktionstag am 18. März nicht ein Fehler gewesen sei. Mit dem Blick auf die Wahl in Griechenland heißt es dann: »Nun können wir sagen: Dieser Fehler war ein Glücksfall.« Man verneige sich »vor dieser Entschlossenheit und Rebellion, vor dem langem Atem und der Hoffnung«, wird das griechische Wahlergebnis kommentiert. Allerdings wird die Begeisterung dann doch etwas abgeschwächt: »Eine andere, bessere Welt wird nicht per Kabinettsbeschluss eingeführt.« Man stehe nicht an der Seite eines Regierungsprojektes, sondern an der »der kämpfenden Menschen in Griechenland und der solidarischen Linken«.

Der Widerspruch, ein Wahlergebnis zu feiern, aber auf Distanz zur sich darauf stützenden Regierung zu gehen, erklärt sich aus der Zusammensetzung des »Blockupy«-Bündnisses, das von Attac bis zum Bündnis »Ums Ganze« reicht. Gerade den linken Vertretern des Bündnisses dürfte die Koalition von Syriza mit der rechtskonservativen Partei Anel besonders missfallen. »Die Chance der griechischen Wahl misst sich daher nicht nur am Umgang der Regierung mit den Auflagen der Troika, sondern gleichermaßen an ihrem Verhältnis zu den Fragen der linken Bewegungen. Sozial geht nicht national, nicht patriarchal, nicht homophob, nicht antisemitisch, nicht rassistisch.«

Auch die »Neue antikapitalistische Organisation« (NaO), ein Bündnis trotzkistischer und antifaschistischer Gruppen, findet deutliche Worte zum Koalitionspartner Syrizas. Anel »ist eine antisemitische, rechtspopulistisch-nationalistische Kraft, die den Teil des griechischen Kapitals repräsentiert, der sich mehr Widerstand gegen EU und Deutschland wünscht«, heißt es dort. »Die Koalition mit der Anel-Partei erschwert sehr die Solidarität«, sagt NaO-Sprecher Michael Prütz der Jungle World. Zugleich ist Prütz aber davon überzeugt, dass die Regierung Syrizas ohne eine starke Solidaritätsbewegung scheitern würde. Bereits vor den letzten Wahlen gründete die NaO ein Griechenland-Solidaritätskomitee. Daraus ist ein Netzwerk entstanden, auf das sich die Solidaritätsgruppen stützen können. Ende Februar wollen sie sich in Köln zu einer ersten Vernetzungskonferenz treffen. Im Rahmen des »Blockupy«-Aktionstags soll es dann zu einer europäischen Kooperation kommen.

Der langjährige IG-Metall-Gewerkschafter Hans Köbrich hat in den vergangenen zwei Jahren mehrmals linke außerparlamentarische Projekte in Griechenland besucht und deren Mitglieder zu Besuchen in Deutschland eingeladen. 2013 beteiligte sich eine griechische Delegation an der »Revolutionären 1. Mai-Demonstration« in Berlin. Sie wollten explizit in Deutschland, dem Land, in dem die Austeritätspolitik für den Euro-Raum konzipiert wurde, ihren Protest zum Ausdruck bringen. In den kommenden Wochen soll wieder eine Solidaritätsdelegation nach Deutschland kommen. Nur ist ihr Großteil dann Teil der neuen Regierungsmehrheit in Griechenland. Doch Köbrich betont, dass es keine Syriza-Jubelveranstaltung geben wird: »Solidarität muss immer kritisch sein.« Allerdings betont der Gewerkschafter auch, dass er der neuen griechischen Regierung nicht vorschnell das Etikett einer weiteren reformistischen Illusion verpassen will. »Ich sehe in der neuen Regierung keine neue Sozial­demokratie, die nur Wohltaten verteilen will. Ich sehe in der Abwahl der alten Eliten eine Chance für reale emanzipatorische Veränderung, die wir nutzen müssen«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World.

Während Köbrich Chancen für eine außerparlamentarische Linke ausloten will, haben auch der Vorsitzende des DGB, Reiner Hoffmann, und die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften IG Metall, GEW, IG BCE, NGG, Verdi, EVG und IG Bau einen Aufruf unterzeichnet, der unter dem Motto steht: »Griechenland nach der Wahl – keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa«. Sie werten den Wahlsieg von Syriza als eine Chance für mehr Sozialdemokratie im Euro-Raum. Bezeichnenderweise mochte als einzige DGB-Gewerkschaft die Gewerkschaft der Polizei diesen Aufruf nicht unterzeichnen.

Auffällig ist, dass in der Solidaritätsbewegung für Griechenland bisher ein Thema kaum aufgegriffen wurde, das von Tsipras bereits lange vor der Wahl und bei seiner Regierungserklärung im Parlament erneut angesprochen wurde. Es geht um Schulden Deutschlands an Griechenland. Dabei bezieht sich Tsipras auf eine Zwangsanleihe, die die griechische Nationalbank während der NS-Besetzung an das Dritte Reich in Höhe von 476 Millionen Reichsmark zahlen musste. Sie wurden nie zurückgezahlt. Nach griechischen Berechnungen entspräche dies heute elf Milliarden Euro. Griechische Widerstandsorganisationen fordern seit vielen Jahren Reparationszahlungen, sie nennen einen Gesamtbetrag von 162 Milliarden Euro ohne Zinsen für alle Reparationsforderungen. Keine bisherige Regierung hat gewagt, eine solche Forderung an Deutschland zu richten. Das könnte sich unter der neuen Links-rechts-Koalition ändern.

Die Bundesregierung hat auf Tsipras’ Parlamentsrede mit der lapidaren Antwort reagiert, weitere Reparationszahlungen seien ausgeschlossen. Nur handelt es sich bei den nicht zurückgezahlten Zwangsanleihen nicht um Reparationen, sondern schlicht um Schulden. Hier könnte sich auch das Feld für eine linke Bewegung auftun, die bei aller Kritik an Syriza und der neuen griechischen Regierung diese Forderung nach Bezahlung der Schulden an Griechenland in den Mittelpunkt stellen könnte. Zudem könnte sich eine kritische Linke gegen den Sozialchauvinismus wenden, der sich in der deutschen Politik und führenden Medien gegenüber einem Großteil der griechischen Bevölkerung artikuliert. Das begann schon vor einigen Jahren, als die Bild-Zeitung und andere Boulevardblätter über »Pleite­griechen« höhnten, die doch gefälligst ihre Inseln zum Verkauf anbieten sollten. In der kommenden Zeit dürfte wieder die Kampagne »Kein deutsches Geld an Griechenland« reanimiert werden, und zwar in einem Land, das sich standhaft weigert, die Schulden aus der Nazizeit zu begleichen.

In Griechenland geborene Linke wie Mark Terkessidis und Margarita Tsomou haben sich in der Taz irritiert darüber gezeigt, wie ausgiebig in manchen deutschen Medien die Koalition von Syriza und Anel kommentiert wurde, während die Kritik an der Wahl des Koalitionspartners Anel auch in der außerparlamentarischen Linken in Griechenland einen geringeren Stellenwert hat. Die Kritik an den griechischen Rechtspopulisten in Deutschland wäre glaubwürdiger, wenn der antigriechische Sozialchauvinismus deutscher Medien und der Umgang der deutschen Regierung mit den Schulden aus der Nazizeit genauso skandalisiert würden.

http://jungle-world.com/artikel/2015/07/51416.html

Peter Nowak

Wann zahlt Deutschland seine Schulden an Griechenland?

Während die deutsche Regierung zur neuen griechischen Administration auf Konfrontationskurs geht, bringt sich die Solidaritätsbewegung langsam in Position

Der neue griechische Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung betont, dass seine Regierung die Verpflichtungen einhalten will. Allerdings nicht gegenüber der EU-Troika, sondern gegenüber seinen Wählern, die die Troikapolitik in Griechenland abgewählt haben. Manche in der EU schienen das nicht begriffen zu haben, und fordern von der neuen griechischen Regierung, die Politik ihrer Vorgängerregierung fortzusetzen.

Das ist eine Aufforderung zum politischen Selbstmord. In der konservativen FAZ wird ganz offen ausgesprochen, dass Tsipras scheitern muss. Schließlich bestünde ja die Gefahr, dass ein Ende des Verarmungsprogramms in einem EU-Land auch in anderen Ländern Nachahmungseffekte auslöst.
So heißt es in einen Kommentar [1] auf dem Wirtschaftsseiten der FAZ:

Die neue griechische Regierung strebt vor allem nach mehr laufenden Ausgaben. Sie will höhere Mindestlöhne, höhere Renten, neue Einstellungen im Staatsdienst, mehr Sozialleistungen, subventionierten Strom und weniger Steuern für Kleinverdiener.
Aus seinem knappen Wahlsieg leitet der neue Ministerpräsident nicht nur ab, dass er die Legitimation erhalten habe, das versprochene Ausgabenprogramm zu verwirklichen, sondern auch, dass ihm andere das nötige Geld hierfür geben müssten. An diesem Punkt zerschellen hoffentlich die griechischen Wunschträume an der ungemütlichen Realität: Griechenland ist nicht kreditwürdig und bekommt an den Finanzmärkten keine langfristigen Kredite zu bezahlbaren Zinsen.

Schon zuvor hatte die FAZ mit der Schlagzeile: „Die Troika lässt sich nicht abschaffen“ [2] deutlich gemacht, dass es für das Blatt eine Instanz gibt, die mächtiger als gewählte Politiker ist. In der FAZ werden auch Leserkommentare zitiert, die eine angebliche Enttäuschung der griechischen Wähler über „die Stümper Varoufakis und Tsipras“ wiedergeben [3]. Auch baldige Neuwahlen werden gefordert, damit für die Bundesregierung und den ihnen nahestehenden Medien das Gespenst einer anderen Politik wieder aus dem EU-Raum verschwindet.

Mehr Sozialdemokratie wagen

Doch langsam macht sich auch die Solidaritätsbewegung bemerkbar. Die Akteure und ihre Aussagen sind sehr unterschiedlich. „Mehr Sozialdemokratie wagen“ könnte der Inhalt des Aufrufs [4] lauten, der vom Vorsitzenden des DGB und all seiner Einzelgewerkschaften mit Ausnahme der Gewerkschaft der Polizei unterzeichnet wurde:

Der politische Erdrutsch in Griechenland ist eine Chance nicht nur für dieses krisengeschüttelte Land, sondern auch dafür, die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU grundsätzlich zu überdenken und zu korrigieren.

Einen ganz anderen Tenor hat ein Aufruf [5] der linken Neuen Antikapitalistischen Organisation:

Der Wahlsieg von Syriza ist ein wichtiges Zeichen gegen die Sparpolitik und die Diktate der EU-Bürokratie und des deutschen Imperialismus.

Allerdings wird auch mit Kritik an der Koalitionsentscheidung von Syriza nicht gespart:

Für viele Außenstehende überraschend kam sicherlich die schnelle Koalitionsgründung mit Anel gleich am ersten Tag der Verhandlungen. Wir lehnen diese Partei ab und sprechen uns gegen deren Regierungsbeteiligung aus. Anel, als Abspaltung der ND seit 2011 im Parteiensystem dabei, ist eine antisemitische, rechtspopulistisch- nationalistische Kraft, die den Teil des griechischen Kapitals repräsentiert, der sich mehr Widerstand gegen EU und Deutschland wünscht. Ihre „Haltelinien“ für die Koalition heißen „Kirche, Außenpolitik und Einwanderung“.

Wird der 18. Marz die erste Solidaritätsaktion für Griechenland?

Auch das Blockupy-Bündnis [6], das seit mehreren Monaten einen Aktionstag gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt/Main vorbereitet, kritisiert den Koalitionspartner von Syriza:

Gerade vor dem Hintergrund der Koalition mit der rechtspopulistischen ANEL dürfen wir insofern jetzt nicht in das alte Denken des Hauptwiderspruchs zurück fallen. Die Chance der griechischen Wahl misst sich daher nicht nur am Umgang der Regierung mit den Auflagen der Troika, sondern gleichermaßen an ihrem Verhältnis zu den Fragen der linken Bewegungen. Sozial geht nicht national, nicht patriarchal, nicht homophob, nicht antisemitisch, nicht rassistisch.

Der Aktionstag am 18. März konnte jetzt zu einem ersten europaweiten Aktionstag mit der griechischen Linken werden. Schließlich versucht die EZB die neue griechische Regierung ökonomisch unter Druck zu setzen. So hat die EZB eine Sonderregelung mit Athen suspendiert und damit den griechischen Banken den Zugang zu frischem Geld erschwert. Am 21./22. Februar wird es ein Treffen der bundesweiten Griechenlandsolidarität [7] in Köln geben, in dem es auch um die Vorbereitung des 18. März gehen soll.

Wann zahlt Deutschland die Schulden?

Bisher spielt in der Debatte in Deutschland ein Aspekt noch keine Rolle, der in den letzten Tagen in Griechenland in den Mittelpunkt rückte. Es geht um Schulden Deutschlands an Griechenland. Dabei bezieht sich die neue Regierung auf eine Zwangsanleihe, die die griechische Nationalbank während der NS-Besetzung an das Dritte Reich zahlen musste und nie zurückgezahlt wurde. Nach griechischer Rechnung entspräche dies heute elf Milliarden Euro.

Griechische Widerstandsorganisationen fordern seit vielen Jahren eine Rückzahlung und nennen weit höhere Summen. Alle bisherigen Regierungen haben nicht gewagt, eine solche Forderung an Deutschland zu richten. Das hat sich unter der neuen Regierung geändert. Die Bundesregierung hat auf Tsipras Parlamentsrede mit der lapidaren Erklärung reagiert, weitere Reparationszahlungen seien ausgeschlossen.

Mittlerweile wird an einer Argumentation gebastelt, mit der die deutsche Regierung auch schon in anderen Fällen versucht hat, NS-Opfer leer ausgehen zu lassen. Dabei geht es um die juristisch bedeutsame Frage, ob die Zwangsanleihe in die Kategorie Schulden oder Reparationen fällt. Während Schulden auch nach 70 Jahren mit Zinsen zurück gezahlt werden müssen, hat es die Bundesregierung mit viel Druck erreicht, dass alle Reparationsforderungen abgegolten sind.

Warum das Darlehen nicht in die Kategorie Schulden, sondern Reparationen fällt, erläuterte [8] im Deutschlandfunk Matthias Hartwig vom Max-Plank-Institut [9]:

Ich persönlich bin der Auffassung, dass dieser Kredit zunächst einmal während der Besatzungszeit Griechenlands durch das Deutsche Reich abgeschlossen worden ist und sicherlich als Vertrag gesehen werden muss, welcher nicht auf Augenhöhe geschlossen wurde, also insofern sicherlich, wenn man es so nennen möchte, ein ungleicher Vertrag zwischen Deutschland und Griechenland, und das lässt sich auch damit belegen, dass der Kredit seinerzeit zinslos gegeben worden ist. Von daher gesehen sprechen sehr gute Gründe dafür, diesen Vertrag als einen Teil des Kriegsunrechts anzusehen, mit der Folge, dass eine Wiedergutmachung im Rahmen von Reparationszahlungen zu erfolgen hat.

Kurz zusammengefasst heißt es, weil das Darlehen ein besonders großes Unrecht war, will sich die Bundesregierung von der Rückzahlung drücken. Das erinnert an die Debatte um die Zahlung der Ghettorenten, wo staatliche Stellen und Behörden mit allen Mitteln [10] versuchten die Zahlung zu verhindern.

Auch in diesem Fall wurde argumentiert, dass es in den Ghettos keine normalen Arbeitsverhältnisse gab, sondern der Zwang ausschlaggebend war. Das war sicher nicht mal falsch, wurde aber als Argument genutzt, um die Rentenzahlung zu verweigern. Dass es schließlich für viel zu wenige Leute noch eine Nachzahlung der Ghettorenten [11] ist auch eine Folge eines größeren Drucks, den auch die deutsche Politik nicht ignorieren kann. Es wird sich zeigen, ob ein solcher Druck auch im Fall Griechenland erreicht werden kann.

Wenn sich in aktuellen Umfragen eine große Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung eher für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone als für eine Umschuldung ausspricht [12], zeigt ein solches Ergebnis angesichts der deutschen NS-Schulden noch mal ein besonderes Ausmaß von Geschichtsvergessenheit. Hier wäre eine besondere Form der Griechenlandsolidarität gefragt, die die Rolle Deutschlands in den letzten 70 Jahren kritisch unter die Lupe nimmt.

http://www.heise.de/tp/news/Wann-zahlt-Deutschland-seine-Schulden-an-Griechenland-2545829.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/kommentar-griechischer-wunsch-trifft-realitaet-13419155.html

[2]

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenland-die-troika-laesst-sich-nicht-abschaffen-13419145.html

[3]

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenland-viele-waehler-sind-ernuechtert-13414347.html

[4]

http://wp.europa-neu-begruenden.de/griechenland-chance-fuer-europa/griechenland-nach-der-wahl-keine-gefahr-sondern-eine-chance-fuer-europa/aufruf-unterzeichnen/

[5]

http://nao-prozess.de/troika-abgewaehlt-solidaritaet-mit-der-griechischen-bevoelkerung-ersatzlose-streichung-der-schulden-keine-zugestaendnisse-an-merkeleu/#more-4442

[6]

https://blockupy.org/

[7]

http://gskk.eu/?event=griechenlandsoligruppen-vernetzungstreffen

[8]

http://www.deutschlandfunk.de/forderungen-griechenlands-nicht-dieses-alte-fass-aufmachen.694.de.html?dram%3Aarticle_id=311238

[9]

http://www.mpg.de/institute

[10]

http://www.welt.de/politik/article13767555/Ein-engagierter-Richter-beisst-auf-Granit.html

[11]

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17060

[12] http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/umfrage-zu-grexit-und-schuldenschnitt-jeder-zweite-deutsche-plaediert-fuer-aust

Stockende Aufklärung des Polizeieinsatzes bei Blockupy-Aktionstagen

Links

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„Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“


Hessen: Linke und Grüne streiten über Polizeigewalt – und ein Veranstaltungsplakat

Ein Veranstaltungsplakat sorgt für Verstimmung zwischen den Grünen und der Linkspartei in Hessen. Wohl vor allem, weil es auf dem ersten Blick so aussieht, als wäre es eine Kopie alter Plakate der Ökopartei. Die viel persiflierte Parole „Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt“ wurde damals häufig verwendet. Doch der aktuelle Zusatz auf dem Plakat – „Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“ – ist sogar damals den größten Zynikern nicht eingefallen.

Nun verwendet ihn die Linke, um auf den Polizeieinsatz während der Großdemonstration im Rahmen der Blockupy-Proteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt hinzuweisen, für den ihrer Meinung auch die Grünen in der Verantwortung stehen. Schließlich befindet die sich in Frankfurt/Main mit der CDU in einer Koalition. Deshalb fällt auch die Pressemitteilung der Grünen zum Polizeieinsatz während am 1. Juni erstaunlich zahm aus.

Obwohl schon lange die Verantwortung führender CDU-Politiker für den Polizeieinsatz diskutiert wird, sinnieren die Grünen über Differenzen zwischen dem hessischen Innenminister und dem Frankfurter Polizeipräsidenten nach.

Drohung mit Klage und anschließender Rückzieher

Wesentlich weniger gelassen reagierten die Grünen auf das Plakat der Linken zur Polizeigewalt. Manuel Stock, der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen, nennt gegenüber der Frankfurter Rundschau als Gründe für das Missfallen, das Plakat erwecke den Anschein von den Grünen zu sein. Zum anderen findet Stock die Botschaft doch „ziemlich befremdlich“.

Dass die Stadtregierung für Polizeigewalt verantwortlich sei, könne gar nicht sein. Schließlich seien die Beamten nicht der Stadt, sondern dem Land unterstellt. Und gerade beim Thema Blockupy hätten sich die Grünen eindeutig positioniert. Fragt sich nur in welche Richtung. Zumindest der Rechtspolitiker der hessischen Grünen Jürgen Frömmrich positionierte sich in einem Interview nahe bei der CDU und gab den Demonstranten die Hauptschuld an den Auseinandersetzungen.

Auch im Umgang mit dem Plakat der Linken machten die Grünen keine gute Figur. Überlegten sie doch zwischenzeitlich eine Klage dagegen, ließen diese Idee aber schnell wieder fallen. Vielleicht konnten sich manche Grünen der ersten Stunde noch daran erinnern, wie ein juristischer Feldzug gegen ein Plakatmotiv, das Polizeigewalt in Hessen anprangerte, zum Aufstieg der hessischen Grünen führte.

Es war der knüppelschwingende hessische Wappenlöwe, der in den Hochzeiten der Bewegung gegen die Startbahn West im Rhein-Main-Gebiet zu zahlreichen Strafverfahren und Hausdurchsuchungen auch in Büros der damaligen Grünen Partei geführt hat.

„Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt wird“

Ansonsten agieren alle politischen Parteien in Hessen nach dem bewährten Prinzip, Verantwortung dort einzufordern, wo sie in der Opposition sind. So fordern die Grünen im hessischen Landtag mittlerweile den Rücktritt des hessischen Innenministers, weil der Polizeieinsatz „völlig unverhältnismäßig war. Doch auch in dieser Presseerklärung versucht die Partei einer „kleinen Gruppe von Demonstranten“ eine Mitverantwortung zuzuschreiben.

Das Blockupy-Bündnis hingegen lehnt jede Spaltung in gute und böse Demonstranten ab. In einer Pressemitteilung wurden die Versuche des hessischen Innenministers zurückgewiesen, die eingekesselten Demonstranten als gewaltbereit hinzustellen und damit die Polizeimaßnahme im Nachhinein zu rechtfertigen.

„Für den Innenminister gilt offenbar: Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt und misshandelt wird. Folgt man dieser verdrehten, zutiefst autoritären Logik, sind die Opfer von Polizeigewalt per Definition Gewalttäter“, erklärt Roland Süß, der die globalisierungskritische Organisation Attac im Blockupy-Bündnis vertritt. Die Sozialdemokraten, die sich in Frankfurt/Main auch mal verbal gegen den Polizeieinsatz am 1. Juni empören, sorgten im hessischen Landtag dafür, dass es keinen Untersuchungsausschuss zum Blockupy-Einsatz geben wird.

Grüne und Linke stimmten dafür, doch ihnen fehlten für das notwendige Quorum von 25 Abgeordneten eine Stimme. Die Hoffnung, sie könnte von einen Sozen kommen, der seinen Gewissen und nicht der Parteidisziplin folgt, erfüllte sich nicht. Schließlich will die SPD nach der hessischen Landtagswahl im Herbst dort wieder die Regierung übernehmen, am liebsten gemeinsam mit den Grünen. Die Chancen dort sind höher als im Bund. Dann könnte für die nächsten Blockupy-Proteste der Innenminister einer rot-grünen Landesregierung verantwortlich sein. Da will man sich schon mal alle Optionen offen lassen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154559
Peter Nowak

Nicht hinnehmbare Eskalation durch die Polizei

Auch in der zweiten Woche nach der von der Polizei durch Einkesselung verhinderten Blockupy-Demonstration reißt die Kritik nicht ab

Jetzt haben sich zahlreiche Polizei- und Konfliktforscher aus der gesamten Republik mit einen eigenen Aufruf zu Wort gemeldet. „Bereits im Jahr 2012 wurden die Blockupy-Proteste vor allem juristisch behindert, wenngleich kaum eine der Maßnahmen nachträglich vor Gericht Bestand hatte. In diesem Jahr hat die Polizei die genehmigte Demonstration durch die Einkesselung von über 900 Menschen, die bis zu neun Stunden ohne jede Versorgung festgehalten wurden, willkürlich unterbunden“, heißt es in dem Text.
Für die Forscher sind die Szenen aus Frankfurt Anzeichen „einer nicht hinnehmbaren Eskalation“. „Aufgabe der Polizei in der BRD sollte es eigentlich sein, Versammlungen zu schützen und nicht, diese zu behindern oder gar zu bekämpfen. Wir sehen die aktuellen Entwicklungen eines zunehmend repressiven und gewalttätigen Umgangs mit legitimen Protesten mit großer Sorge und schließen uns den Forderungen einer umfänglichen Untersuchung und Aufarbeitung der polizeilichen Übergriffe auf Demonstranten in Frankfurt an“, heißt es in dem Aufruf. Zu den konkreten Forderungen gehören die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten, um Gesetzesübertretungen verfolgen zu können, die Schaffung (polizei-)unabhängiger Kontroll- und Beschwerdeinstanzen zur Untersuchung solcher Vorfälle und eine unabhängige Forschung zu sozialen Bewegungen, Protest und staatlichem Umgang mit diesen Phänomenen.

Die Forscher sprechen damit Forderungen an, die auch in Aktivistenkreisen nach Frankfurt verstärkt diskutiert werden. Unmittelbar nach der verhinderten Demonstration initiierte Dirk Stegemann eine Petition mit einer ähnlichen Forderung.


Blockupy ein Erfolg?

Währenddessen redet sich das Blockupy-Bündnis die anhaltenden Proteste gegen die Polizeitaktik als großen Erfolg schön und verbreitet argumentfreie Beschwörungen: „Blockupy 2013 war ein Erfolg. Politisch und praktisch standen wir gemeinsam, als die Polizei unsere großartige Abschlussdemonstration angriff. Über Tausend von uns wurden eingekesselt. Aber wir standen zusammen und stehen zusammen. Blockupy geht weiter.“

Am vergangenen Samstag gingen in Frankfurt/Main ca. 7500 Menschen auf die Straße, um gegen die Polizeirepression vom 1. Juni zu protestieren. Auch Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Mitglieder der Grünen waren dort vertreten. Deren Teilnahme sorgte allerdings für Kritik des linken Ums-Ganze-Bündnis.

Schließlich unterstützen die Grünen als Partner einer schwarz-grünen Koalition in Frankfurt den Dezernenten Markus Frank, der von den Kritikern für die repressive Polizeitaktik mitverantwortlich gemacht wird. „Solange die Grünen den Ordnungsdezernenten Frank im Besonderen und die Koalition mit der CDU im Allgemeinen weiter unterstützen, sind sie nicht Teil der Lösung, sondern eindeutig Teil des Problems. Sie sind bei der Demonstration unerwünscht“, heißt es in der Erklärung. Selbst in einem Taz-Kommentar wurden Parallelen zwischen der repressiven Polizeitaktik in Frankfurt und Istanbul gezogen. Dabei hatte sich grünennahe Taz bisher bei der Berichterstattung über die Ereignisse in Frankfurt/Main sehr zurückgehalten. Kritiker erklären sich das mit Rücksichtsnahmen auf die der Zeitung nahestehenden Grünen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154419
Peter Nowak