Neuerscheinung „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik“ (15. Mai 2020)

Pressemitteilung: 

Berlin, Bremen, Heilbronn, 14. Mai 2020

Morgen erscheint unser Buch „Corona und die Demokratie – Eine linke Kritik“ im Verlag Edition Critic. 

Wir erleben seit März 2020 die größten Freiheits- und Grundrechtsbeschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir legen mit unserem Buch die erste Veröffentlichung vor, die sich aus kritischer, linker Perspektive mit den Entwicklungen der letzten Wochen beschäftigt. 

Damit positionieren wir uns. Wir widersprechen zugleich postmodernen Sichtweisen, nach denen die Kategorien rechts und links heute nicht mehr tauglich seien. Im Gegenteil, das Thema ist zu wichtig, um es dem Mainstream oder den Rechten zu überlassen. Das sich in diesen Tagen formierende Querfront-Milieu aus rechten, rechtsextremen, neu-rechten und weiteren unappetitlichen Kräften greift zum Teil berechtigtes Unbehagen auf, um es politisch zu vereinnahmen und in die eigenen, antiaufklärerischen und antiemanzipatorischen Aktionen, Demonstrationen, Youtube-Videos und Pamphlete zu integrieren. Dieser Strategie ist eine klare Absage zu erteilen, wir grenzen uns entschieden von rechter Corona-Kritik sowie von den unterschiedlichsten (antisemitischen, den Holocaust verharmlosenden, esoterischen) Verschwörungsmythen in Deutschland ab. Es gibt weltweit neo-nazistische, islamistische und weitere antisemitische Diffamierungen, die Juden oder Israel mit Covid-19 in Beziehung setzen, was man z.B. in Karikaturen sehen kann.

Wir wenden uns scharf gegen die derzeit zu beobachtende Tendenz, nach der jede Kritik an den „Corona-Maßnahmen“ bewusst als Verschwörungstheorie denunziert wird, um sie damit ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung abzutun. Dass kein kritischer Diskurs erwünscht ist, zeigt auch der ganz aktuelle Fall eines hohen Beamten im Bundesinnenministerium, der vor den Kollateralschäden der Corona-Maßnahmen warnte und die Verhältnismäßigkeit der rechtlichen Einschränkungen infragestellte – er wurde ohne sachliche Diskussion seiner Thesen kurzerhand im Mai seines Dienstes enthoben. Abweichende Argumente werden offenbar als Meuterei betrachtet und pauschal diffamiert. Diese Formierung der Gesellschaft macht uns mehr Angst als das Virus selbst.

Wir betonen: Das Coronavirus existiert. Es ist keine Erfindung und keine Verschwörung. Es ist offenkundig nicht weniger gefährlich als die Influenza. Wir halten die Rücksichtnahme auf gefährdete Risikogruppen für eine Selbstverständlichkeit, die gegen die Prämissen der aktuellen wirtschaftsradikalen Politik durchgesetzt werden muss.  Einige der Initiativen, die sich dafür einsetzen, haben wir in dem Buch dokumentiert.  Doch gerade die Influenza (nehmen wir 2018) zeigt, dass der Tod Teil des Lebens ist.  Die aktuellen Maßnahmen sind vollkommen unverhältnismäßig. Sie gefährden die Demokratie. Wir kritisieren ein fragwürdiges Sicherheitsdispositiv, das bestimmte – aber bei weitem nicht alle, siehe z.B. die Folgen von Umweltzerstörung und Klimawandel – Risiken zu mindern versucht, indem Gesundheit und Freiheit gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegensatz zur Influenza ist COVID-19 sehr spezifisch in der Auswahl seiner „Zielgruppe“: alte und vorerkrankte Menschen. Wie die Forschung (u.a. Prof. Ioannidis aus den USA) empirisch gezeigt hat, ist das Risiko für Menschen unter 65, an diesem Virus schwer zu erkranken, so extrem selten wie ein schwerer Unfall auf dem Weg zur Arbeit.

Angesichts eines mit Sondervollmachten ausgestatteten, am Parlament vorbeiagierenden Superministers Spahn, der sich im wörtlichen Sinne „ermächtigen“ ließ (Bundestagsprotokoll), von im Eilverfahren beinahe einstimmig durchgepeitschten Gesetzesänderungen, von entmündigenden Zwangsmaßnahmen, von Grenzschließungen, die nur nationalistische Stimmungen verstärken (das Virus schert sich nicht um Grenzen), und eines wochenlangen vollständigen Demonstrationsverbots wurde das Coronavirus seitens der Regierungen offenbar genutzt, das bereits erreichte Maß der von der Zivilgesellschaft der letzten Jahrzehnte erkämpften Emanzipation wieder massiv zurückzudrehen. Erzeugt wurde eine Atmosphäre von Angst und Massenpanik – verstärkt durch Maßnahmen wie der „Maskenpflicht“ –, vor deren Hintergrund autoritäres Staatshandeln schließlich als vermeintlich „alternativlose“ „Lösung“ verkauft wurde.

Wenn von der „Bild“-Zeitung bis zur Antifa beinahe alle Menschen bereit zu sein scheinen, einen Ausnahmezustand zu akzeptieren, der zum Normalzustand zu werden droht – inklusive eines nicht offiziell erklärten, faktisch aber umgesetzten Notstands, hoher Bereitschaft zu digitaler Überwachung, verbreiteter Denunziationen, in Vorbereitung befindlicher schärferer Polizeigesetze –, dann betrachten wir es geradezu als unsere Pflicht, gegen den verheerenden Konsens anzuschreiben. 

Wir freuen uns über die Einladung zu Interviews und Veranstaltungen wie auch über Rezensionen unseres Buches in Rundfunk, Fernsehen, Printmedien und Internetforen. Sie können uns unkompliziert über info@editioncritic.de eine Mail schreiben. Wir freuen uns auf Ihr Interesse!

Mit freundlichen Grüßen,

Gerald Grüneklee

Clemens Heni

Peter Nowak 

Rezensionen:

CILIP 122REZENSIONEN

LITERATUR

Demokratie. Eine linke Kritik, Berlin (Edition Critic) 2020

Peter Nowak sieht „bei vielen Befürworter*innen als auch Gegner*innen des Corona-Notstands irrationale Denkweisen“. Die Unzufriedenheit mit den „größten Freiheits- und Grundrechtsbeschränkungen“ seit 1945 und „das Versagen der Linken […], die weitgehend die Staatspropaganda“ und „Corona-Massenpanik“ mitmache, teilt der Journalist mit dem Sozialpädagogen und Antiquar Gerald Grüneklee und dem Politikwissenschaftler Clemens Heni. Um die Grundrechte aus einer dezidiert linken Position heraus zu verteidigen und dem Mangel an Diskurs etwas entgegenzusetzen, sei kurzfristig das vorliegende Buch entstanden und die Texte „auch als Dokumente des Moments zu lesen“.

Grüneklees Beiträge schwanken zwischen Tagebuch, Feuilleton und politischer Agitation. Er beklagt die hohe Akzeptanz gegenüber polizeilichen Maßnahmen und spricht von einer „autoritäre(n) Formierung“ der Gesellschaft. Die Gefahr durch das Virus selbst wird kleingeredet, messbare Übersterblichkeit ignoriert. Dafür geht er auf Risikogruppen ein, die besonders von den Maßnahmen betroffen sind (Frauen, Obdachlose, Lohnabhängige…). Das Primat staatlichen Handelns sei dabei „weiterhin die Wirtschaft, nicht die Gesundheit“.

Auch Heni reflektiert in tagebuchartigen, sozialwissenschaftlich gefärbten Texten die Pandemie. Nach ihm geht es jedoch „nicht um die Rettung des Kapitalismus, sondern um den Staat“ an sich. Beim Thema Gesichtsmaske spricht Heni von „Selbstfaschisierung“ und versteigt sich schließlich über Burka/Maske-Analogien zu antimuslimischem Rassismus („Man kann schon jetzt ohnehin verschleierte Musliminnen sehen, die innerlich lachend den Mundschutz tragen, der ist billiger als eine Burka und hat ganz ähnliche Effekte: die Demütigung der Frauen, die Entwürdigung eines Menschen, das Degradieren zu einem Stück Fleisch mit Stoff drum herum, wie ein Roboter.“).

Nowak steuert schließlich weitere Artikel bei, welche die Situation kaleidoskopartig, sehr konkret und mit Einsprengseln einer internationalen Perspektive behandeln. Er rezipiert viele Stimmen der gesellschaftlichen Linken und unterzieht sie einer bewertenden Einordnung. So werde der Corona-Notstand als Präzedenzfall für einen Klimanotstand geradezu begrüßt. Man müsse sich fragen, „warum Menschen, die oft links und antiautoritär sozialisiert sind, diese autoritäre Politik der Anweisungen so klaglos hinnehmen“. Besonders interessant ist auch ein Text, der das Entstehen der „Hygiene-Demonstrationen“ und deren Entwicklung aus persönlicher Perspektive darstellt. Autoritäre Staatlichkeit ist für Nowak „keine Verschwörung, sondern eine Konsequenz kapitalistischer Politik“.

Mit unterschiedlichem Fokus lässt das Buch die letzten Monate drei Mal Revue passieren. Das Anliegen ist zunächst legitim und staatliche Autorität, Subjektkonstituierung und kapitalistische Wirtschaftsweise sind ein gutes Analysedreieck um Einverstandensein und Verschwörungstheorie gleichsam hinter sich zu lassen. Leider sind die Kritiken oft sehr oberflächlich und die Paradoxie der Situation wird umgangen, indem eine „Gesundheitsdikatur“ (Heni) imaginiert wird. Immerhin zeigt das Buch klare Kante gegen rechts und stellt in Teilen einen Diskussionsbeitrag dar, an dem man sich reiben kann. (Christian Meyer)