»Open End statt Opel-Ende«

– Crowdfunding für Film über Opel-Betriebsgruppe GoG gestartet

Viel ist in den letzten Monaten über den gesellschaftlichen Aufbruch vor 50 Jahren diskutiert worden. Selten wird erwähnt, dass nicht nur SchülerInnen, Jugendliche und Studierende um 1968 aufgestanden sind. Auch in den Fabriken wuchs der Widerstand. Diesen proletarischen Aufbruch widmet sich Bärbel Schönafinger von labournet.tv mit ihren Dokumentarfilm über die Geschichte der Gruppe oppositioneller Gewerkschaftler (GoG) aus Opel. Gleich am Anfang wir ein Zitat aus der wirtschaftsnahen Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 24.8.1973 über den Beginn der GoG einblendet: „Angefangen hatte es damit, dass sich vor etwa drei Jahren der Religionslehrer Wolfang Schaumberg und der Volksschullehrer Klaus Schmidt bei den Opel-Werken als Hilfsarbeiter verdingten“. Gleich danach sitzt Wolfgang Schaumburg 2018 in einem Klassenraum vor einer Tafel und berichtet, wie er und viele GenossInnen mit ihrer Betriebsarbeit die Weltrevolution voranzutreiben wollten. Er spricht über den Kontakt mit kommunistischen GenossInnen aus Deutschland und Spanien. Im Anschluss berichteten Willi Hajek und Robert Schlosser von ihrer Motivation, den Aufbruch von 68 in die Betriebe zu tragen. 1975 bekam die GoG bei den Betriebsrätewahlen über 5000 Stimmen und 12 Sitze im Betriebsrat. Das war auch eine Quittung für den alten Betriebsrat, der mit dem Management gekungelt hat. Noch heute schwärmen mehrere Gründungsmitglieder der GoG über die Euphorie der ersten Jahre, als sie durch die ganze Republik fuhren und über ihre Erfolge bei Opel Bochum berichteten. Doch nach 1975 setzte die Mühe der Ebenen ein. Die Zahl der UnterstützerInnen im und außerhalb des Betriebs ging zurück. Einige der AktivistInnen verließen die Fabrik und setzten ihr Studium fort. Doch viele blieben und ihnen gelang es, Opel Bochum zu einem rebellischen Betrieb zu machen. Es begann der Kampf um den Bildungsurlaub, mit dem die Beschäftigten eine Woche den Betrieb verlassen und sich mit anderen Themen beschäftigen konnten. Auch dem Thema „Gesundheit am Arbeitsplatz“ widmete sich die GoG bereits in den 1980er Jahren. Einen großen Stellenwert nehmen im Film die Versuche der GoG ein, der kapitalistischen Konkurrenz eine ArbeiterInnensolidarität entgegenzusetzen. Mittlerweile war aus Opel GM geworden und die einzelne Standorte sollten gegeneinander ausgespielt werden. GoG-KollegInnen fuhren in den 1990er Jahren nach Polen, Spanien und in andere Länder in der Hoffnung, eine gemeinsame Front der Arbeiter Innen gegen die Kapitalstrategie bilden zu können. Damit sind sie gescheitert, wie die Beteiligten heute mit etwas Wehmut resümieren. 2004 machte Opel Bochum mit einem sieben tägigen wilden Streik gegen Entlassungspläne Schlagzeilen. Hier ging auch die Saat auf, die GoG mit ihrer jahrelangen Arbeit im Betrieb gesät hat. Doch als eine große Mehrheit in der Belegschaft den Streik mit einer Urabstimmung gerade in dem Augenblick beendete, als er Wirkung zeigte, macht einige der AktivistInnen noch heute traurig. Der Rückgang des Betriebsaktivismus machte sich auch bei den Stimmenrückgängen für die GoG bei den Betriebsratswahlen bemerkbar. Vor allem die junge Generation fehlte. Umso wichtiger ist der Film über die GoG, in dem die Beteiligten ein Stück Geschichte des proletarischen 68 vermitteln. Um den Film fertigzustellen, wird noch Geld gebraucht, unter Anderem für Lizenzgebühren. Bis zum 25. August läuft eine Crowdfunding-Kampagne von labournet.tv und GoG. Bis dahin sollen 4000 Euro gesammelt werden.

Peter Nowak

Wer für den Film spenden will, findet hier weitere Infos:
https://www.startnext.com/gog/

aus: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

http://www.labournet.de/express/

Opel-Belegschaft will nicht für die Autokrise zahlen

Was das Nein der Bochumer Opel-Beschäftigten mit dem Nein des zypriotischen Parlaments zu den EU-Troika-Plänen zu tun hat

Die Belegschaft von Opel Bochum hat vor einigen Tagen mit einer Mehrheit von über 76 Prozent ein Abkommen abgelehnt, das die IG-Metall mit dem Opel-Management ausgehandelt hatte. Es hat den hochtrabenden Titel „Deutschlandplan“ getragen. Die Beschäftigten sollten dort weiteren Verzichtsleistungen zustimmen, darunter einem Lohnstopp und der Streichung von übertariflichen Entgeltbestandteilen. Im Gegenzug wollte das Management die Opel-Produktion bis 2016 in Bochum belassen und eine Transfergesellschaft einrichten.

In der Regel werden solche Verzichtsleistungen für den Standort von den Lohnabhängigen mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert, gerade dann, wenn eine DGB-Gewerkschaft als Vertragspartner mit im Boot ist. Doch bei Opel Bochum lief es anders. Die Mehrheit der Belegschaft hatte genug vom ewigen Verzicht und zeigte nicht nur dem Management, sondern auch der IG-Metall die kalte Schulter. Daher ist die Einschätzung eines taz-Kommentators, wonach mit dem Votum aus Bochum auch die IG-Metall eine Ohrfeige bekommen habe, völlig korrekt. Schließlich hatte auch die IG-Metall den Standort Bochum längst aufgegeben und sich auf den Erhalt von Rüsselsheim konzentriert.

Sechs Tage der Selbstermächtigung

Das Nein aus Bochum kommt nicht überraschend. Mehr als zwei Jahrzehnte hatte die linksgewerkschaftliche Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen in dem Werk eine Basis. Sie lehnte jeden Standortnationalismus ab und setzte sich schon früh für einen länderübergreifenden Kampf aller Beschäftigten gegen die Konzernpläne ein. Im Oktober 2004 erregte ein Großteil der Opel-Belegschaft mit einem sechstägigen wilden Streik bundesweit große Aufmerksamkeit (Details können in dem im Verlag Die Buchmacherei herausgegebenen Buch Sechs Tage der Selbstermächtigung nachgelesen werden).

Nach dem Schließungsbeschluss vom 11. Dezember letzten Jahres war die Stimmung bei Opel zunächst gedämpft. Ca. 100 Beschäftigte beteiligten sich an einer Demonstration am gleichen Tag. Am 14. Dezember rief die IG Metall zu einer Kundgebung vor dem Tor 4 auf. „Die meisten Reden verbreiteten Zweckoptimismus“, erklärte der langjährige Betriebsrat und GoG-Aktivist Wolfgang Schaumberg. Er registriert die Veränderungen im Opel-Werk sehr genau und kennt auch die Ursachen.

„Heute liegt der Altersdurchschnitt im Werk bei über 47 Jahren. Gerade die Älteren hoffen auf eine Abfindung und rechnen sich schon aus, wie sie mit Abfindungen und Arbeitslosengeld bis zum Rentenalter kommen“, beschrieb er Situation. Weil die Komponentenfertigung für andere Werke aus Bochum abgezogen wurde, könnte ein Ausstand heute nicht mehr, wie 2004, die Opel-Produktion in ganz Europa lahmlegen. Dieser durch die technologische Entwicklung begünstigte Verlust der Produzentenmacht hat auch dazu geführt, dass viele Streikaktivisten von 2004 Abfindungen angenommen und sich aus dem Betrieb verabschiedet haben.

Der „Arbeitermilitante“, der, wie der vor einigen Jahren verrentete Wolfgang Schaumberg, über Jahrzehnte im Betrieb arbeitete und seine Erfahrungen an die jeweils nächste Generation weitergab, war auch bei Opel schon vor den Schließungsplänen ein anachronistischer Typus geworden. Schließlich haben die Bochumer Opelaner den Machtverlust selber erfahren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Belegschaftsmitglieder kontinuierlich zurückgegangen. Die Beschäftigten haben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ihr Verzicht nicht etwa belohnt, sondern mit weiteren Kürzungs- und Schließungsplänen beantwortet wurde. Das Nein zu einem erneuen Verzicht war dann nur eine logische Konsequenz.

Die Weigerung

„Die Alternative wäre gewesen, dass wir noch ein paar Tage länger hätten produzieren können – mit einer schrumpfenden Belegschaft“, beschrieb der durchaus nicht als besonders radikal bekannte Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Reiner Einenkel den von der IG-Metall beworbenen Vertrag.

Dass sich die Belegschaft nicht widerspruchslos fügen würde, war bereits im letzten Jahr zu erkennen. So empfahl ein oppositioneller Betriebsrat den Beschäftigten auf einer Kundgebung am 14. Dezember, sich an den belgischen Ford-Kollegen aus Genk ein Beispiel zu nehmen. Die sind Anfang November nach der Ankündigung der Schließung ihres Werkes spontan zum Ford-Werk nach Köln gefahren und haben dort protestiert. Die Aktion ist in den Medien in Deutschland als Randale hingestellt worden und die belgischen Arbeiter wurden von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt. Die mangelnde Solidarität der IG-Metall sorgte an der Gewerkschaftsbasis durchaus für Unmut. Manche der Beschäftigten werden sich an diese Aktionen erinnert haben, als sie sich jetzt bei der Abstimmung weigerten, dem eigenen Verzicht aktiv zuzustimmen.

Eine Form der Krisenproteste

Das Management hat die Ablehnung mit der Bemerkung kommentiert, man bedauere, dass die Belegschaft ein attraktives Angebot ausgeschlagen hat und werde nun das Opel-Werk bereits 2014 schließen. Bei großen Teilen der Belegschaft wird diese Ankündigung als Bluff aufgefasst. Das Management könne sich eine Schließung im nächsten Jahr gar nicht leisten und werde weiter verhandeln, lautet eine weitverbreitete Einschätzung. Doch was ist, wenn sie nicht zutrifft und das Werk tatsächlich geschlossen werden soll? Gibt es dann eine Werksbesetzung?

Solche Fragen sollten sich die Beschäftigten in Bochum zumindest stellen. Denn sie haben mit ihrer Weigerung, weiter für den Standort Verzicht zu üben, in Deutschland etwas Seltenes getan. Sie haben Nein gesagt und dem Druck wiederstanden, der auf sie ausgeübt wurde.

In dieser Hinsicht kann man das Nein zum Verzichtsplan in Bochum mit dem Nein des zypriotischen Parlaments zu dem von der Troika festgelegten Krisenplan vergleichen. In beiden Fällen waren sich fast sämtliche Medien und Politiker einig, eine Annahme der Pläne ist sowohl in Zypern als auch in Bochum alternativlos, eine Ablehnung dagegen würde schlimme Folgen haben. Im Fall Zypern will die EU-Troika nun mit allen Mitteln durchsetzen, dass die renitenten Parlamentarier doch noch einen Rückzieher machen und den EU-Plan akzeptieren. Solche Pressionen könnten auch der Belegschaft in Bochum noch bevorstehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153986
Peter Nowak

Aus für Opel – und nichts passiert

Opel Bochum zeigt, wie schwer sic hdie Belegschaften mit der Automobilkrise tun

„Hier hat sich die Belegschaft selbst organisiert. Von Donnerstag an stand fest, die Belegschaft handelt und entscheidet gemeinsam jeden Schritt und jede Aktion. Ohne großartige Abstimmungen wurden die Tore besetzt, um zu verhindern, dass LKWs mit Ladung das Werk verließen – leer konnten sie fahren.“ Dieser Lagebericht des oppositionellen Bochumer Opel-Betriebsrates Manfred Strobel ist vor acht Jahren in der Zeitschrift Express erschienen, die gewerkschaftlichen Kämpfen in und außerhalb des DGB ein Forum gibt.
Damals hatte ein durch angekündigte Massenentlassungen ausgelöster sechstägiger Streik der Opel-Belegschaft in Teilen der Linken für Begeisterung gesorgt. Denn die Aktion hatte erkennbar nicht die Handschrift der IG-Metall-Führung getragen. Der Berliner Verlag „Die Buchmacherei“ hat unter dem Titel „6 Tage der Selbstermächtigung“ ein Buch herausgegeben, in dem die damaligen Kämpfe anschaulich dokumentiert sind. Acht Jahre später wurde der Schließungsbeschluss des Opelwerkes verkündet und es gab keine Torbesetzungen und Streiks. Kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses demonstrierten am 10. Dezember knapp 100 Beschäftigten durch das Werk. Am 14. Dezember hatte die IG-Metall zu einer Kundgebung vor dem Tor 4 aufgerufen. Der Tenor der meisten Reden war Zweckoptimismus. Es sei schon ein Erfolg, dass die Gespräche weitergehen. So soll über die Auszahlung der 4,3% Tariflohnerhöhung, die Opel wegen als Vorleistung der Belegschaft gestundet worden sind, weiterverhandelt und das Ergebnis dann den Kollegen zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem wurde von den Betriebsräten die Aufsichtsratsversammlung vom 12. Dezember als erfolgreich bezeichnet, weil dort kein Schließungsplan vorgelegt worden war.
„Das halte ich für eine Nebelkerze. Schließlich wissen alle, dass es den Schließungsbeschluss gibt“, kommentierte Wolfgang Schaumberg diesem Versuch, die Belegschaft ruhig zu stellen. Schaumberg war jahrzehntelang in der oppositionellen Gewerkschaftsgruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) aktiv. Sie und ihre Vorläufer haben in den vergangenen drei Jahrzehnten bei Opel eine wichtige Rolle gespielt und sicher auch mit zum 6tägigen Streik vor 8 Jahren beigetragen. Dass die Gruppe, die die Standortlogik und das gewerkschaftliche Comanagement immer bekämpft hat, bei der letzten Betriebsratswahl erstmals kein Mandat mehr bekommen hat, zeigt das veränderte Klima.

Viele wollen lieber die Abfindung kassieren

Heute liegt der Altersdurchschnitt im Werk bei über 47 Jahren. „Gerade die Älteren hoffen auf eine Abfindung und rechnen sich schon aus, wie sie mit Abfindungen und Arbeitslosengeld bis zum Rentenalter kommen“, beschreibt Schaumberg die Situation Weil die Komponentenfertigung für andere Werke aus Bochum abgezogen wurde, könnte ein Ausstand heute nicht mehr wie 2004 die Opel-Produktion in ganz Europa lahmlegen. Dieser durch die technologische Entwicklung begünstigte Verlust der Produzentenmacht hat auch dazu geführt, dass sich viele StreikaktivistInnen von 2004 mit Abfindungen aus dem Betrieb verabschiedet haben. Dazu gehört auch der Express-Autor Manfred Strobel. Die Figur des “Arbeitermilitanten“, der, wie der vor einigen Jahren verrentete Wolfgang Schaumberg, über Jahrzehnte im Betrieb arbeiteten und Kampferfahrungen an neue Generationen weitergaben, war auch bei Opel schon vor den Schließungsplänen ein Auslaufmodell. Schließlich haben die Bochumer OpelanerInnen den Machtverlust selber erfahren können. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Belegschaftsmitglieder kontinuierlich zurück gegangen.
Dieser Rückgang der ArbeiterInnenmacht, bedingt durch den technologischen Fortschritt und die Politik der Wirtschaftsverbände, machen Belegschaften in vielen europäischen Ländern zu schaffen. Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass Entscheidungsstreiks in einzelnen Fabriken in den letzen Jahren zurückgegangen sind und dafür die aus der Defensive geführten politischen Streiks zugenommen haben, lautet die These des von Alexander Gallas, Jörg Nowak und Florian Wilde kürzlich im VSA-Verlag erschienenen Buch „Politische Streiks im Europa der Krise“.
Der IG-Metall-Vorstand zumindest macht sich über neue Kampfformen kaum Gedanken. Auf ihrer Homepage wird der Opel-Konflikt zu einem Kampf zwischen den Standorten USA und Deutschland stilisiert. Dort ist von „einer Kampfansage von General Motors an Opel Bochum“ die Rede. Das Management habe die Marke Opel beschädigt, lautet die Klage der gewerkschaftlichen Komanager, die ein profitables Opel-Werk fordern. „Damit sind weitere Verzichtserklärungen der Beschäftigten schon vorprogrammiert“, kommentiert Schaumberg realistisch.
Allerdings gibt auch bei Opel noch verschiedene Formen von Widerspruch gegen diese IG-Metall Linie. So empfahl ein oppositioneller Betriebsrat auf der Kundgebung am 14. Dezember, sich an den belgischen Ford-Kollegen aus Genk ein Beispiel zu nehmen, die Anfang November nach der Ankündigung der Werkschließung vor dem Ford-Werk in Köln protestierten. Die Aktion sei in den Medien in Deutschland als Randale hingestellt worden, es habe sich aber um eine Protestaktion mit Vorbildcharakter, erklärte er unter Applaus.

Oppositonelle Gewerkschafter gespalten

Ebenfalls aus den Reihen oppositioneller Opel-Gewerkschafter wird mit dem Vorschlag, Gewerkschaften und Umweltorganisationen sollen sich gemeinsam für die Produktion umweltfreundlicher Autos einsetzen, an die Konversionspläne der 70er Jahre angeknüpft.
„Solche Forderungen können nicht in einem Werk umgesetzt werden, sondern setzen eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem Kapital voraus“, betont Schaumberg. Bei der GoG wird daher die Forderung diskutiert, dem Management mit der Position gegenüber zu treten, die Arbeit könnt ihr behalten, aber ihr müsst uns weiter bezahlen. Schließlich hätten die Lohnabhängigen die Situation nicht verursacht, die zum Schließungsbeschluss führte. Damit knüpfen sie an die Parole „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ an. Im Fall Opel ist die Parole sehr treffend. Denn es ist auch die durch die deutsche Krisenpolitik der europäischen Peripherie aufoktroyiertes Verarmungsprogramm, das den deutschen Export einbrechen ließ und Opel unrentabel macht. Wer jeden Cent zweimal umdrehten muss, kauft schließlich keine Autos.
Ein erstes Fazit, das sich aus den Reaktionen auf die Opel-Krise ziehen lässt, ist so also durchaus zwiespältig. Viele außerparlamentarische Linke hätten natürlich jeden direkten Widerstand im Werk als Zeichen für die weiterhin lebendige ArbeiterInnenbewegung interpretiert. Dass aber die KollegInnen eben nicht einfach die Brocken hinwerfen und stattdessen ihre Abfindungen ausrechnen, ist auch der Erkenntnis geschuldet, dass im heutigen Kapitalismus eine isolierte Lösung in einer einzelnen Fabrik nicht möglich ist.
Die von der Umweltgewerkschaft angefachte Debatte über die Produktion von umweltfreundlichen Fahrzeugen ist nur möglich, wenn die Eigentumsfrage und ProduzentInnenmacht und Konzepte einer gesamtgesellschaftlichen, demokratischen Planung der Produktion wieder gestellt wird. In Zeiten, in denen die Markt- und Kapitallogik scheinbar alternativlos erscheint , könnten damit linke Zielvorstellungen wieder in der Öffentlichkeit platziert werden. Für das erste März-Wochenende plant die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Stuttgart eine Konferenz zum Thema „Erneuerung durch Streik“. In dem detaillierten Programm, das auf der Homepage http://www.rosalux.de/event/46538/erneuerung-durch-streik.html veröffentlicht, ist bisher allerdings Opel-Bochum nicht erwähnt.

aus analyse und kritik 579
http://www.akweb.de/
Peter Nowak

Die Arbeit könnt ihr behalten

Die Reaktionen auf die Schließungspläne bei Opel zeigen, dass es heute kaum noch möglich ist, in einer einzelnen Fabrik Kämpfe zu führen.

»Hier hat sich die Belegschaft selbst organisiert. Von Donnerstag an stand fest, die Belegschaft handelt und entscheidet gemeinsam jeden Schritt und jede Aktion. Ohne großartige Abstimmungen wurden die Tore besetzt, um zu verhindern, dass LKW mit Ladung das Werk verließen – leer konnten sie fahren.« Dieser Lagebericht des oppositionellen Bochumer Opel-Betriebsrates Manfred Strobel ist vor acht Jahren in der Zeitschrift Express erschienen, die gewerkschaftlichen Kämpfen außerhalb des DGB ein Forum gibt. Damals hatte ein durch angekündigte Massenentlassungen ausgelöster sechstägiger Streik der Opel-Belegschaft für Begeisterung unter Linken gesorgt, weil die Aktion nicht die Handschrift der IG-Metall-Führung getragen hatte.

Acht Jahre später nun, am 10.Dezember, wurde der Beschluss verkündet, das Opelwerk zu schließen. Das zog jedoch keine Torbesetzungen und Streiks nach sich. Kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses, am 11. Dezember, beteiligten sich gerade mal 100 Beschäftigte an einer Demonstra­tion durch das Werk. Am 14. Dezember rief die IG Metall zu einer Kundgebung vor dem Tor 4 auf. Die meisten Reden verbreiteten Zweckoptimismus. Es sei schon ein »Erfolg«, dass die Gespräche weitergehen, hieß es. So soll über die Auszahlung der 4,3 Prozent Tariflohnerhöhung, die Opel wegen der Vorleistung der Belegschaft gestundet worden sind, am 8. Januar weiterverhandelt und das Ergebnis dann den Kollegen zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem bezeichneten die Betriebsräte die Aufsichtsratsversammlung vom 12. Dezember als erfolgreich, weil dort der Schließungsplan noch nicht offiziell bestätigt wurde. »Das halte ich für eine Nebelkerze. Schließlich wissen alle, dass es den Schließungsbeschluss gibt«, kommentierte Wolfgang Schaumberg diesen Versuch, die Belegschaft ruhigzustellen. Schaumberg war jahrzehntelang in der oppositionellen Gewerkschaftsgruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) engagiert. Sie und ihre Vorläufer haben in den vergangenen drei Jahrzehnten bei Opel eine wichtige Rolle gespielt und sicher auch zum sechstägigen Streik vor acht Jahren beigetragen. Dass die Gruppe, die die Standortlogik und das gewerkschaftliche Co-Management immer bekämpft hat, bei der jüngsten Betriebsratswahl erstmals kein Mandat mehr bekommen hat, zeigt, wie die Verhältnisse sich geändert haben.

Heute liegt der Altersdurchschnitt im Werk bei über 47 Jahren. »Gerade die Älteren hoffen auf eine Abfindung und rechnen sich schon aus, wie sie mit Abfindungen und Arbeitslosengeld bis zum Rentenalter kommen«, beschreibt Schaumberg die Situation. Weil die Komponentenfertigung für andere Werke aus Bochum abgezogen wurde, könnte ein Ausstand heute nicht mehr, wie 2004, die Opel-Produktion in ganz Europa lahmlegen. Dieser durch die technologische Entwicklung begünstigte Verlust der Produzentenmacht hat auch dazu geführt, dass viele Streikaktivisten von 2004 Abfindungen angenommen und sich aus dem Betrieb verabschiedet haben. Dazu gehört auch der Express-Autor Manfred Strobel. Der »Arbeitermilitante«, der, wie der vor einigen Jahren verrentete Wolfgang Schaumberg, über Jahrzehnte im Betrieb arbeitete und seine Erfahrungen an die jeweils nächste Generation weitergab, war auch bei Opel schon vor den Schließungsplänen ein anachronistischer Typus geworden. Schließlich haben die Bochumer Opelaner den Machtverlust selber erfahren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Belegschaftsmitglieder kontinuierlich zurückgegangen.

Dass die Macht der Arbeiter schwindet, bedingt durch den technologischen Fortschritt und die Politik der Wirtschaftsverbände, macht Belegschaften in vielen europäischen Ländern zu schaffen. Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass die Zahl der Entscheidungsstreiks in einzelnen Fabriken in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist und die aus der Defensive geführten politischen Streiks zugenommen haben, lautet die These des kürzlich erschienenen Buchs »Politische Streiks im Europa der Krise«.

Der Vorstand der IG Metall zumindest macht sich über neue Kampfformen kaum Gedanken. Auf ihrer Homepage wird der Opel-Konflikt zu einem Kampf zwischen den Standorten USA und Deutschland stilisiert. Von einer »Kampfansage von General Motors an Opel Bochum« ist da etwa die Rede. Das Management habe die Marke Opel beschädigt, lautet die Klage der gewerkschaftlichen Co-Manager, die ein profitables Opel-Werk fordern. »Damit sind weitere Verzichtserklärungen der Beschäftigten schon vorprogrammiert«, kommentiert Schaumberg.

Allerdings gibt es auch bei Opel noch Widerspruch gegen die Linie der IG Metall. So empfahl ein oppositioneller Betriebsrat auf der Kundgebung am 14. Dezember, sich an den belgischen Ford-Kollegen aus Genk ein Beispiel zu nehmen, die Anfang November nach der Ankündigung der Werkschließung vor dem Ford-Werk in Köln protestiert hatten. Die Aktion sei in den Medien in Deutschland als Randale hingestellt worden, es habe sich aber um eine Protestaktion mit Vorbildcharakter gehandelt, sagte er unter Applaus. Ebenfalls aus den Reihen oppositioneller Opel-Gewerkschafter wird mit dem Vorschlag, Gewerkschaften und Umweltorganisationen sollen sich gemeinsam für die Produktion umweltfreundlicher Autos einsetzen, an die Konversionspläne der siebziger Jahre angeknüpft.

»Solche Forderungen können nicht in einem Werk umgesetzt werden, sondern setzen eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem Kapital voraus«, betont Schaumberg. Bei der GoG wird daher über die Forderung diskutiert, dem Management mit der Position gegenüberzutreten: »Die Arbeit könnt ihr behalten, aber ihr müsst uns weiter bezahlen.« Schließlich hätten die Lohnabhängigen die Situation, die zum Beschluss führte, das Werk zu schließen, nicht verursacht. Damit knüpfen sie an die Parole »Wir zahlen nicht für eure Krise« an. Im Fall Opel ist die Parole sogar treffend. Denn es ist auch das durch die deutsche Krisenpolitik der europäischen Peripherie oktroyierte Verarmungsprogramm, das den deutschen Export einbrechen ließ und Opel unrentabel macht. Wer jeden Cent zweimal umdrehen muss, kauft keine Autos.

http://jungle-world.com/artikel/2012/51/46820.html
Peter Nowak

»Es gibt keine Patentlösungen für Opel«


Gewerkschaftsaktivist fordert neue Auseinandersetzung mit dem Kapital statt abstrakter Rettungspläne
GM will das Bochumer Opel-Werk 2016 schließen. Der richtig große Aufschrei bleibt aber bisher aus, kritisiert der ehemalige Betriebsrat Wolfgang Schaumberg, der in der gewerkschaftlichen Gruppe »Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) mitarbeitet.

nd: Die Zukunft des Opel-Werks in Bochum scheint besiegelt. Vor acht Jahren gab es nach Schließungsdrohungen noch spontane Streiks und Demonstrationen. Wie ist die Situation heute?
Alle wissen, dass der Altersdurchschnitt der Beschäftigten bei Opel-Bochum bei über 47 Jahren liegt. Gerade die Älteren hoffen auf eine Abfindung und rechnen sich schon aus, wie sie mit Abfindungen und Arbeitslosengeld bis zum Rentenalter kommen. Außerdem hat man nicht mehr die Macht wie 2004, durch Streiks ganz Opel Europa kurzfristig lahmzulegen.

Am Freitag legten 300 Opelaner die Arbeit mehrfach kurzzeitig nieder und es gab Kundgebungen. Was sind die Forderungen?
Die Betriebsratsmehrheit sieht es schon als Erfolg, dass die Gespräche weitergeführt werden. Auch über die Auszahlung der 4,3-Prozent-Tariflohnerhöhung, die Opel wegen »Verhandlungen gestundet worden sind«, soll am 8. Januar weiterverhandelt und das Ergebnis dann der Belegschaft zur Abstimmung vorgelegt werden. Zudem erklärten die Betriebsräte, die Aufsichtsratsversammlung am vergangenen Donnerstag sei ein Erfolg gewesen, weil kein Schließungsplan vorgelegt wurde. Auch das halte ich für eine Nebelkerze. Schließlich wissen alle, dass es den Schließungsbeschluss gibt.

● Aber alle Redner betonten doch, dass Widerstand gegen die Schließungspläne nötig sei?
Da muss man schon genauer hinhören. Wenn gesagt wird, wir haben jetzt noch vier Jahre Zeit, um Widerstand gegen die Schließung zu leisten, müssen wir fragen, wer dann noch bei Opel ist. Wir waren bei Opel in den letzten Jahrzehnten mit einer Verzichtserklärung nach der anderen konfrontiert. Die Zahl der Arbeitsplätze ist immer mehr geschrumpft, von 19 200 noch im Jahr 1992 auf 3200 jetzt.

● Gab es auch widerständigere Stimmen?
Ja, ein Betriebsrat, der nicht zur Mehrheitsfraktion gehört, hat an die Ford-Kollegen vom belgischen Genk erinnert, die im Oktober wegen des dortigen Schließungsbeschlusses vor dem Kölner Ford-Werk protestiert haben. Er erinnerte daran, dass die Aktion in den Medien in Deutschland als Randale hingestellt wurde, es sich aber um eine Protestaktion handelte. Der Kollege schloss seine Rede mit dem Satz. »Wer uns wehtut, dem tun wir auch weh« und bekam dafür viel Applaus.

Wie beurteilen Sie die Forderungen der IG Metall?
Der Gewerkschaft wird von der Mehrheit der Belegschaft nicht zugetraut, dass sie bereit ist, den Widerstand über das Opel-Werk hinauszutragen. Dass bestätigt sich, wenn man auf der Homepage der IG Metall die Klage liest, dass das Management die Marke Opel beschädigt hat und ein profitables Opel-Werk gefordert wird. Damit sind weitere Verzichtserklärungen der Beschäftigten programmiert.

Was fordern linke Gewerkschaftsgruppen wie »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG), die im Werk Einfluss haben?
Es gibt keine Patentlösungen. Forderungen nach Streiks bis zur Rücknahme des Schließungsbeschlusses, die Einführung der 30-Stunden-Woche oder eine andere Produktpalette, wie sie jetzt von linken Gruppen wieder vertreten werden, sind abstrakt richtig, gehen aber an der Realität im Opelwerk vorbei. Denn solche Forderungen können nicht in einem Werk umgesetzt werden, sondern setzen eine ganz andere Auseinandersetzung mit dem Kapital voraus.

Die GoG diskutiert daher die Forderung: »Die Arbeit könnt ihr behalten, aber ihr müsst uns weiter bezahlen.« Schließlich haben die Lohnabhängigen die Situation nicht verursacht, die zum Schließungsbeschluss führte. Damit knüpfen sie an die Parole »Wir zahlen nicht für Eure Krise« an. Allerdings ist für diese Einstellung das Bewusstsein nicht weit verbreitet

http://www.neues-deutschland.de/artikel/807574.es-gibt-keine-patentloesungen-fuer-opel.html
Interview: Peter Nowak

Krisenzeiten für Betriebslinke

»Gegenwehr, das müssen wir schon selber tun«, lautete ein zentrales Motto, mit dem die linksgewerkschaftliche Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) bei Opel-Bochum zu den Betriebsratswahlen antrat. Sie erhielt allerdings nur 90 Stimmen und ist damit nicht mehr im Betriebsrat vertreten. Dabei scheuten die Linksgewerkschafter seit mehr als 30 Jahren bei Opel-Bochum mit ihrem kämpferischen Kurs keinen Konflikt mit dem Management und der Gewerkschaftsbürokratie.

Die Ursachen der Niederlage sind sicher auch in der Zersplitterung zu suchen. So kandierten IG-Metall-Mitglieder auf 12 Listen. Mindestens die Hälfte monierte mehr oder weniger deutlich die offizielle Verzichtspolitik. Zudem verteidigte die der MLPD nahestehenden Liste Offensiv ihren Sitz im Betriebsrat. Während es bei den letzten Betriebsratswahlen zwischen GoG und Offensiv zu einer Kooperation kam, wollte die GoG mit ihrer Eigenkandidatur ihre Distanz auch zu einer linksgewerkschaftlichen Position deutlich machen, die in erster Linie für eine kämpferische Betriebsratsarbeit steht und am Stellvertretermodell wenig Kritik übt.

Neben der Selbstorganisation wandte sich die GoG gegen Standortnationalismus und die Verzichtslogik. Ein großer Teil der Belegschaft, die mit Verzicht auf Lohnerhöhungen und Kurzarbeit schon lange für die Krise zahlt, folgt aus Überzeugung oder mit der Faust in der Tasche dieser Standortlogik. So erhielt die Liste »Wir gemeinsam« des Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel in Bochum ebenso klare Mehrheiten wie sein Rüsselsheimer Kollege Klaus Franz, der sich mit seiner Liste »IG-Metall: Wir sind Opel« als der bessere Manager geriert.

Für die Gewerkschaftslinke, die nur bei den Betriebsratswahlen im Mercedes-Benz-Werk Berlin-Marienfelde, wo die Liste der »Alternativen Metaller« fünf Sitze erhielt, einen Erfolg verbuchen konnte, sollte das Scheitern der GoG Anlass zur verstärkten kritischen Reflexion sein. Ebenso wie in der übrigen Gesellschaft kann auch in den Betrieben die Linke in Krisenzeiten nicht automatisch Erfolge erzielen. Ihre Stärke gewinnt sie in konkreten Ausein-andersetzungen, wie beim sechstägigen Streik bei Opel-Bochum im Jahr 2004.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/168681.krisenzeiten-fuer-betriebslinke.html

Peter Nowak