antifa. Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur

Heft 7-8/2013, Seite 26

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Linker Antizionismus?

Peter Nowak möchte die Antisemitismusdebatte versachlichen

Peter Nowak: Kurze Geschichte der Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken. Mit einem Interview mit Peter Ullrich. 96 Seiten, 9,80 Euro
Reihe: Reihe Antifaschistische Politik (RAP), Band 4, Reflexionen, Band 1, Erschienen im März 2013

In einer Veranstaltung »palästinasolidarischer« Linker im Hamburg der späten 80iger Jahre kamen mir erstmals erhebliche Zweifel an meiner, unter Linken weitverbreiteten, »antiimperialistischen« Sicht auf den Staat Israel und damit auch auf seine Bewohner. Karam Khella, Sozialpädagoge, »Palästina-Spezialist« und erklärter Antizionist, reihte kühn Imperialismus-Zionismus-Faschismus aneinander und schob den Juden die Schuld an ihrer eigenen Vernichtung mit zu. Der Holocaust erschien als gemeinsames Projekt der deutschen Faschisten, der britischen Kolonialisten und natürlich der »Zionisten«. Meine Frage an meinen Nachbarn ob der Typ da vielleicht ein Antisemit sei, beantwortet dieser mit einem Kopfnicken und wir verließen den Saal. Bis dahin war meine Antisemitismusdefinition recht einfach gewesen: Linke können keine Antisemiten sein.

Der freischaffende Berliner Journalist Peter Nowak würde in seiner »Kurze(n) Geschichte der Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken« die Aussagen Khellas vermutlich als »regressiven Antizionismus« oder »regressive Israelkritik« bezeichnen. Das ist durchaus auch als Verteidigung von eben nicht »regressiven« also »ehrbaren« antizionistischen Positionen zu sehen, Positionen die sich nicht Antisemitismus, Weltverschwörungsszenarien und rechten Weltbildern öffnen.

Aber Peter Nowak möchte die mittlerweile 25 Jahre andauernden Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken wieder diskutierbar machen, die Debatte »versachlichen«, ein Anliegen dass er vermutlich mit vielen Linken seiner Generation teilt.

Dazu beschäftigt er sich mit den beiden vermeintlich feindlichen Schwestern in dieser Debatte.

Das Büchlein versucht knapp, die Entstehung, Begründung und Berechtigung der damals neuen »antideutschen« und »israelsolidarischen« Ansätze in der deutschen Linken und der Antifa nach 1990 im »wiedervereinigten« Deutschland aufzuzeigen.

Parallel dazu untersucht er die klassischen »antiimperialistischen« und »antizionistischen« Positionen der neuen Linken auf ihren linken (Rest?)Utopiegehalt.

Und er zeigt auf, dass die Debatte um die Positionierung im Israel-Palästina Konflikt bzw. der schwierigen solidarischen Positionierung zum Staat der Überlebenden, die auch in der VVN-BdA oft so erbittert geführt wird, nicht erst mit den »Antideutschen« begann.

Nützlich für den Versuch einer Versachlichung sind aber vor allem die aufgeführten Grundlagentexte dieser Diskussionen. Beginnend mit der Mahnung Ulrike Meinhofs von 1967, dass »es für die europäische Linke keinen Grund (gibt), ihre Solidarität mit den Verfolgten aufzugeben, sie reicht in die Gegenwart und schließt den Staat Israel ein« über Moische Postones Kritik an der Friedenbewegung bzw. Antiraketenbewegung, die eine »deutschnationale Erweckungsbewegung« sei, kommen wir bei der »Nie wieder Deutschland-Bewegung« an. Wir erfahren etwas über die Empathielosigkeit deutscher Linker mit den von irakischen Raketen bedrohten Holocaustüberlebenden im 1. Golfkrieg in Israel, den Versuch der RZ in ihrem Text »Gerd Albartus ist tot« den eigenen als Antizionismus daherkommenden Antisemitismus zu untersuchen. Und wir begegnen nicht zuletzt den linken Zeitungen in denen dieser »Streit« ausgetragen wurde. Ein kurzer Diskurs über die Debatte in der DDR vor und nach der »Wende« und ein Literaturverzeichnis erhöhen den Gebrauchswert überdies.

Das Adjektiv »kurz« trägt Nowaks Geschichte der Antisemitismusdebatte übrigens zu Recht, es fehlt vieles, allzu vieles gerade Leuten die die Debatten über die Jahre mitverfolgt haben. Und auch der Vorschlag Nowaks, lediglich die »regressiven« Positionen der »feindlichen Schwestern« aus einer zukünftigen Diskussion herauszuhalten, erscheint mir ein wenig zu kurz. Dass Jean Améry schon 1967 im Antizionismus nichts als den »ehrbaren Antisemitismus« entdecken konnte, Antizionismus nicht für diskutierbar hielt, wird dieses Anliegen doch erheblich erschweren.

Trotzdem ist das Buch auch gerade für jüngere Einsteiger/innen ein empfehlenswerter Crash-Kurs, mehr will es wohl auch nicht sein. Und das Anliegen Nowaks, die Debatte weiterzutreiben, ist mehr als zu begrüßen.

Markus Tervooren