Die Aktion 3. Saar setzt sich nicht nur für eine umweltfreundliche Landwirtschaft ein, sondern engagiert sich auch gegen Faschismus und Rassismus. Zudem wendet sich die Aktion 3. Saar gegen auf Israel bezogenen Antisemitismus auch in linken Zusammenhängen. „Was aber hat dies mit einer Agrarrede zu tun?“, fragt Röder. Schließlich sollte sich die abgesagte Rede ihm zufolge um die Probleme der Milchbäuer*innen und der Molkereien drehen
Zu den rund 60 Organisationen hinter der „Wir haben es satt“-Demonstration für eine umweltfreundliche Landwirtschaft vergangenen Samstag gehörte auch die Aktion 3. Welt Saar. Doch ihr vereinbarter Redebeitrag wurde auf der Versammlung in Berlin …
Anders als noch in den 1990er Jahren beim Fall Kroatien gibt
es im Fall der Ukraine keine relevante deutschlandkritische Strömung mehr, die über die Interessen des deutschen Imperialismus
aufklärt und klar erkennt, dass dieser seit 2014 einen immensen
Erfolg erzielt hat. Heute wird auch in einst deutschlandkritischen
Zeitungen begriffslos von der „Solidarität mit der Ukraine“ geschwafelt. Dabei geht es um die Verteidigung des deutschlandfreundlichen Flügels des ukrainischen Nationalismus, der nur
nicht mehr benannt werden darf.
Es war 1983, kaum war die SPD in der BRD aus der Regierung geflogen, da biederte sich der damalige SPD-Bundesvorsitzende Willy Brandt bei der Friedensbewegung an. Er sollte in Bonn auf einer zentralen Abschlusskundgebung sprechen. Doch seine Rede ging in einem Pfeifkonzert unter. Zigtausende Menschen riefen „Heuchler“ und skandierten die Parole „Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten“. Nur die DKP und ihr Umfeld verteidigten die Rede des SPD-Vorsitzenden, wobei sie ihr Bündnis mit den Reformisten gegen alle linken Strömungen damals manchmal auch mit der Faust verteidigten. Für fast alle Linke jenseits von Sozialdemokratie und Stalinismus war aber klar, dass der Vorsitzende einer Partei, die seit 1914 dafür sorgt, dass die Arbeiter in den Krieg ziehen, kein Rederecht auf einer Demonstration haben sollte, die genau diesen Militarismus bekämpft. Dazu brauchen sie gar nicht so weit in die Geschichte zurückgehen. Schließlich hatte der SPD-Bundeskanzler und Ex-Wehrmachtsoffizier Helmut Schmidt immer stolz erklärt, dass er mit dafür gesorgt hat, dass in der BRD Mittelstreckenraketen aufgestellt werden, natürlich nur zum Schutz vor dem „Russen“, wie auch damals die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Pakts bezeichnet wurden. Am 3. Oktober 2024 gingen wieder ca. 25.000 Menschen in Berlin „für den Frieden“ auf die Straße. Viele der Organisatoren waren auch Anfang der 1980er Jahre schon dabei, und sie gehörten auch damals schon zu denen, die unbedingt einen SPD-Funktionär auf der Abschlusskundgebung dabei haben wollten. Dieses Mal war es der …
In diesen Wochen jährt sich zum zwanzigsten Mal der Protest einer sozialen Bewegung, die zunächst ohne die Unterstützung von Parteien und Grossorganisationen über mehrere Wochen viele Menschen auf die Strasse brachte.
Gemeint sind die Montagsdemonstrationen gegen die Einführung von Hartz IV. Den Startschuss lieferte der arbeitslose Kaufmann Andreas Ehrhold, der Ende Juli 2004 Zettel mit den handgeschriebenen Parolen „Schluss mit Hartz IV – denn heute wir, morgen ihr“ verbreitete. Anfangs waren es wenige Hundert Menschen, die sich in Magdeburg versammelten Doch an den darauffolgenden Monaten gingen …
Ist es nicht ein autoritäres Staatsverständnis, wenn die Obrigkeit zwar straf- oder vereinsrechtlich keine Handhabe gegen missliebige Akteure findet, aber ersatzweise den Bewohnern eines Stadtteils im Quartiersbeirat reinreden will, mit wem die zusammenarbeiten? Hier geht es nicht um eine Bewerbung für Beamte, sondern schlicht um Stadtteilarbeit.
Geheimdienst-Praktiken, die Linksliberalen unter dem Stichwort „Kampf gegen Rechtsextremismus“ schmackhaft gemacht werden sollten, treffen aktuell unter anderem bayerische Klima-Aktivisten und Berliner Muslime. Wer einen Blick auf die …
Sachliteratur
Insgesamt hat Lukas Meisner mit seinem Buch "Medienkritik ist links" eine dringend notwendige Debatte über eine linke Medienkritik eröffnet. Es wäre zu wünschen, dass sie aufgegriffen wird.
Lügenpresse, der Begriff ist eindeutig von rechts besetzt. Doch das war nicht immer so. Da muss man nur an die Kampagne „Bild lügt“ erinnern, die über viele Jahre gegen Bild und Springerkonzern agierte. Auch heute ist eine linke Medienkritik dringend nötig. Das merken alle, die regelmässig kritisch den Deutschlandfunk hören. Dort gibt es sicher manche linksliberale Inhalte, die die Rechten Sturm laufen lassen. Doch auch im Deutschlandfunk ist man völlig unkritisch auf Militarismuskurs, nennt noch mehr Waffen an Kiew Solidarität mit der Ukraine und wer die Abschottungspolitik der EU kritisiert gilt als antieuropäisch. Doch es gibt heute anders als noch vor einigen Jahrzehnten wenig linke Medienkritik. Da ist es erfreulich, dass der Soziologe Lukas Meisner im Eulenspiegel-Verlag in einem gut lesbaren Buch für eine neue …
Regierende scheinen die Pandemiejahre schnell vergessen zu wollen. Das gilt auch für einen Großteil der Linken. Andere propagieren genau deshalb einen Bruch. Sie luden am 2. Juni zur Diskussion
Als die Antikriegslinke nach dem Ersten Weltkrieg den Bruch mit der Linken, die den Kriegskrediten zugestimmt haben, propagierte und auch durchsetzte, da hatte das eine gesellschaftliche Relevanz, weil große Teile der organisierten Arbeiterbewegung davon betroffen waren. Wenn 2023 vom Bruch mit der Linken gesprochen wird, bedeutet dass, das die Redaktion der Wochenzeitung Jungle World und einige andere linke Gruppen sich eine andere Stammkneipe gesucht haben.
Mit einer kleinen Meldung informierte der Deutschlandfunk, dass die Warnfunktion der Corona-App jetzt abgeschaltet wurde. Doch wen interessiert das noch? Besser könnte gar nicht deutlich werden, wie schnell große Teile der Bevölkerung in Deutschland die Pandemiejahre 2020 bis 2022 vergessen wollen. Nur schnell zurück zur Normalität ist die Devise. Und was macht die gesellschaftliche Linke? Die taumelte aus dem Corona-Lockdown in die regierungsamtlich ausgerufene Zeitenwende nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Auch dort gilt die Devise: Bloß nicht über die Corona-Jahre und vielleicht auch über die eigenen Fehler reden. Schließlich haben sich ja in den letzten drei Jahren politische Zusammenhänge zerstritten, Freundschaften gingen die Brüche. Doch nicht alle wollen über diese Jahre Schweigen, wie sich am 2. Juni im Berliner Veranstaltungsort Jockel zeigte. Dort lud die …
Die autoritäre Innenpolitik des französischen Präsidenten zerstört Leben. Deutsche Politiker und Medien stört seine Entspannungspolitik gegenüber China. Die folgt der gaullistischen Tradition.
Macrons Äußerungen zu Taiwan könnten tatsächlich auch entspannend wirken, vor allem, weil sie den realistischen Kräften in Taiwan Auftrieb geben könnten, die verhindern wollen, dass die Insel zur Ukraine Asiens wird – einem Schlachtfeld, auf dem verschiedene globale Mächte ihre Kämpfe ausfechten, auf Kosten der Menschen dort.
Die Kritik an den Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach dessen China-Reise reißt in der deutschen Politik- und Medienlandschaft nicht ab. Sogar an seinem Geisteszustand wurde dabei schon gezweifelt, so fragt sich unter anderem der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, ob Macron „von Sinnen“ sei, der Spiegel nennt ihn „schamlos“. Bei solch einem negativen Presseecho muss er einen wunden Punkt angesprochen haben. Tatsächlich sind es zwei Punkte, welche die Kritiker erzürnen. Zunächst wird Macron im Grunde vorgeworfen, in China nicht als Vertreter einer …
Böhmermann sorgt mit Attacken gegen "Terfs" für Gesprächsstoff – Identitätspolitik mittlerweile in allen Milieus für Streit, besonders unter Linken. Ein neuer Sammelband trägt ausnahmsweise Konstruktives zur Debatte bei.
Wieder einmal gibt es Streit im linksliberalen Milieu und wieder geht es um die Identitätspolitik. Da werfen Till Randolf Amelung und Holger Marcks in der Jungle World Jan Böhmermann Wissenschaftsfeindlichkeit und die Verbreitung von Fake-News vor. Stein des Anstoßes ist Böhmermanns „ZDF-Magazin Royale“ vom 2. Dezember, wo dieser zum Rundumschlag gegen Leute ausholt hatte, die Forderungen und Aktivismus von Transpersonen kritisieren. Dabei setzt Böhmermann die Staatsfeministin Alice Schwarzer fast mit AfD-Politikerinnen gleich und beschuldigt am Ende auch noch Putin, die Kampagne mit voranzutreiben. Während Böhmermann in seiner Abrechnung mit den Terfs, so das Szenewort für transfeindliche Feministinnen, die nötige Differenzierung fehlt, so bleiben auch beiden Kritiker Amelung und Marks mit ihrer pauschalen Verteidigung der von Böhmermann Gescholtenen an der Oberfläche. Hätten sie weiter recherchiert, wäre ihnen aufgefallen, dass mit Schwarzer …
Nur eine Außenministerin mit dem Parteibuch der Grünen kann es sich leisten, die ehemaligen Opfer der Deutschen offen zu brüskieren. Kritik gibt es in Deutschland daran kaum noch.
Die Forderungen nach Entschädigung für die Opfer Deutschlands und ihre Nachfahren hatte in den 1990er Jahren einen zentralen Stellenwert in einer deutschlandkritischen Linken. Davon ist heute kaum noch etwas übriggeblieben. Wo bleiben die Stimmen, die in der aktuellen Debatte um Reparationen für Polen zunächst einmal darauf hinweisen, dass die Forderungen generell berechtigt sind?
So muss man konstatieren, dass die Deutschlandkritiker vor 20 Jahren mit ihren Warnungen recht hatten. Der Schlussstrich unter die Vergangenheit ist gezogen – und selbst die ehemaligen Gegner haben es akzeptiert
Laut der Polen-Korrespondentin der taz, Gabriele Lesser, hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock „Warschau einen Korb“ gegeben. Die rechtskonservative Regierung hatte der deutschen Bundesregierung die Rechnung für die Verbrechen präsentiert, die die deutsche Wehrmacht in dem Nachbarland angerichtet hatte. Auf 1,3 Billionen Euro hatte sich die Summe mittlerweile erhöht. Die polnischen Forderungen sind nicht neu. Vor einigen Wochen hatten …
Das große Problem der Linken heute ist, dass universalistischen Grundsätze verloren gegangen sind. Was hat es zu bedeuten, wenn Ewgenly Kasakows Beobachtung im konkret-Beitrag richtig ist, dass die ukrainischen Linken ihre Beiträge auch unwidersprochen vor einer FDP-nahen Stiftung hätten halten können, aber auch bei den Linken Buchtagen und eine linke kritische Stimme abgewehrt wurde? Klingen diese deutschen Linken dann bald auch so, dass sie bei Friedrich-Naumann-Stiftung unwidersprochen auftreten können? (
„Die Ukraine, der Krieg und die westliche Linke“ lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung auf den Linken Buchtagen im Mai in Berlin. Der Publizist Ewgeniy Kasakow, der die Veranstaltung beobachtete, hatte in einem Beitrag in der Wochenzeitung konkret erstaunliches zu vermelden. Da wurden auf einer Veranstaltung der Linken Buchtage die ukrainischen Linken tatsächlich gefragt, wie sie zu den rechten Kräften von Asow oder dem in der Ukraine über die Ultrarechte hinaus beliebten Antisemiten Stepan Bandera stehen. Zudem sei aus dem Publikum die Meinung geäußert worden, dass Linke weder Vater- noch Mutterland haben und daher auch nicht dafür in den Krieg ziehen sollen. Ewgeniy Kasakow kommt zu dem Schluss, dass es hier um eine Postion emanzipativer Linker gehe. Doch ein Teil des Publikums sei von der Wortmeldung nicht angetan gewesen. Schließlich seien ja zwei …
Es gab eine Zeit, da orientierte sich ein Teil der außerparlamentarischen Linken auch in Deutschland an der zapatistischen Bewegung, die im Süden Mexikos aktiv war, aber diskursiv auf Linke in aller Welt ausstrahlte, weil sie in ihren Erklärungen mit der Rhetorik der traditionellen Linken gebrochen hatte
Leider hat die Anfang März verfasste zapatistische Erklärung zum russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die sie eigentlich verdient. Denn diese Erklärung könnte auch …
Auch in der Ukraine und Russland waren antimilitaristische und pazifistische Gruppen vor einer weiteren Eskalation auf allen Seiten. Nur sie werden in allen Ländern kaum gehört
Linke und Antimilitaristen in Deutschland sollten im Konflikt mit der Ukraine sowohl Russland als auch die Nato-Staaten in die Kritik nehmen. Und sie sollte gemäß der alten Parole der linken Arbeiter- und Antikriegsbewegung besonders die Rolle Deutschlands ins Visier nahmen, das mit der Maidan-Ukraine wieder einen Staat unterstützt, dessen Protagonisten einen historischen NS-Hintergrund nicht verleugnen können.
„Nie wieder Krieg“, diese Parole findet man aktuell auf manchen Plakaten. Doch sie sind kein Protest gegen die drohende Eskalation um die Ukraine, sondern Werbung für das neuste Album der Diskurs-Popband Tocotronic. Im Titelsong ging es um die Abrüstung zwischen den Menschen, gesellschaftliche Probleme werden heute auch im linksliberalen Kulturbetrieb weitgehend ausgespart. Doch angesichts der weiter fortbestehenden Eskalation um die Ukraine, die mindestens genauso von den USA und der Nato wie von Russland geschürt wird, beginnen nun doch …
Das Impfprogramm gegen Corona fällt vielmehr in eine Zeit, in der Begriffe wie "Untergang", "Apokalypse" und "Notstand" längst zu den Vokabeln einer Protestbewegung gehören. Dieser Befund stammt aus einen in der Wochenzeitung Jungle World veröffentlichten Text der ideologiekritischen Gruppe Nevermore.
Dieses Jahr haben die Jahresrückblicke coronabedingt schon früher begonnen. Seit einigen Tagen hört man in Radiosendungen Einschätzungen des Jahres 2020, die zwischen Zweckoptimismus nach dem Motto „Corona als Chance“ und Verwünschen („Albtraum 2020“) changieren. Dabei blitzt bei manchen die beginnende Impfkampagne als Hoffnung auf, dass vielleicht …
Die Linke zerstreitet sich auf ihren Parteitag erwartungsgemäß über offene Grenzen. Doch die Abschiebungen in von ihr mitregierten Bundesländern wurden erst am Ende ein Thema
Am Ende kam es doch noch zum Eklat auf dem Parteitag der Linken. In einer teilweise sehr emotionalen, extra anberaumten einstündigen Diskussion über die Flüchtlingsfrage[1] zeigte sich, wie sehr die Delegierten das Thema umtreibt. Es hatten sich fast 100 Delegierte für eine Wortmeldung angemeldet. Nicht mal ein Viertel konnte sich aus Zeitgründen äußern.
Es war seit Monaten vorauszusehen, dass die Flüchtlingspolitik zum Knall führen wird. Dabei bemühte man sich zwei Tage um Formelkompromisse. Es sah auch erst so aus, als könnte das gelingen.
„Bleiberecht für Alle“ oder „Bleiberecht für Menschen in Not“
Sahra Wagenknecht erklärte ausdrücklich, dass sie mit dem vom Parteivorstand eingebrachten Beschluss leben kann, weil dort nicht mehr ein Bleiberecht für alle Menschen, sondern für alle Geflüchtete gefordert wird. Nun handelt es sich hier auch wieder um viel Semantik. Denn natürlich wollen nicht alle Menschen fliehen und nur ein Bruchteil der Menschen in Not will überhaupt nach Deutschland.
Darauf wies Fabian Goldmann in einem Kommentar[2] in der Tageszeitung Neues Deutschland hin.
Von den 67 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, kamen im vergangenen Jahr 186.644 nach Deutschland. Rechnet man noch die 1,17 Millionen Geflüchteten aus den beiden Vorjahren hinzu, kommt man immer noch nicht auf „die ganze Welt“, sondern auf rund zwei Prozent der weltweiten Flüchtlingsbevölkerung.
Fabian Goldmann
Allerdings macht Goldmann seine Kritik an einer populistischen Äußerung der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles fest. Doch eigentlich zielte seine Kritik auf den Flügel um Sahra Wagenknecht und so wurde sie auch punktgenau vor dem Beginn des Parteitags der Linken im Neuen Deutschland platziert.
Hier wird einer der Gründe deutlich, warum in der Linken eine Debatte um Migration so schwierig ist. Goldmann schlägt Nahles und meint Wagenknecht, die manche schon nicht mehr als rechte Sozialdemokratin sehen, sondern gleich in die Nähe der AfD stellen. Und Goldmann hat auch noch exemplarisch gezeigt, wie man in der Migrationsdebatte in der Linkspartei künstlich Konflikte schafft.
Denn die Überschrift über Goldmanns Überschrift ist natürlich polemisch gemeint, was im Text deutlich wird. „Doch wir können alle aufnehmen“ – weil nur 2% der Migranten überhaupt nach Deutschland kommen. Es ist schon erstaunlich, dass sich vor allem der realpolitische Flügel der Linken in den Fragen der Migrationspolitik als Maximalisten der Worte geriert, während seine Mitglieder in fast allen gesellschaftspolitischen Fragen ansonsten jeden Wortradikalismus bekämpfen, weil er angeblich viele potentielle Wähler abschrecke.
Würde, so ließe sich fragen, in einem sozialpolitischen Leitantrag die Überschrift auftauchen, dass nur eine kommunistische Gesellschaft – nicht zu verwechseln mit dem untergegangenen Staatskapitalismus – die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigen kann? Einem Antrag mit einer solchen Wortwahl würden nicht mal 10 Prozent der Delegierten zustimmen. Warum also in der Flüchtlingsfrage die Liebe zur Wortradikalität?
Da lohnt ein Blick in die Geschichte der Arbeiterbewegung. Schon Jahre vor Beginn des 1. Weltkriegs, als ein Großteil der sozialdemokratischen Parteien ihren Burgfrieden mit Staat und Kapital schloss, hatten bekannte Parteifunktionäre diesen Schritt vorbereitet. Sie befürworteten den Kolonialismus, wollten Frauen aus der Arbeiterbewegung ausgrenzen – und auch die Liebe zu Nation und Staat hatten sie schon entdeckt. Doch diese Verstaatlichung der Sozialdemokratie wurde durch radikal klingende Parteiprogramme verdeckt, in denen man sich scheinbar orthodox auf Marx berief. Doch sie hatten wenig mit der konkreten Parteipolitik zu tun. Daher konnte man sie zu Beginn des 1. Weltkriegs so schnell über Bord werfen. Umgekehrt schien die Burgfriedenspolitik für viele überraschend, weil sie eben nur auf die radikal klingenden Programme und weniger auf die Praxis guckten.
Warum nicht auch ein würdiges Leben für die, die nicht migrieren wollen?
In der Debatte um die Flüchtlingspolitik in der LINKEN scheint sich das Muster zu wiederholen. Das wird schon daran erkennbar, dass die Aufregung von der Person abhängt, die sich zur Migrationspolitik äußert.
Es ist absolut richtig und mit linker Programmatik kompatibel, die Bedürfnisse und Interessen der Menschen in den Aufnahmeländern ebenfalls im Blick zu haben.
Wieder so ein Satz von Sahra Wagenknecht gegen Offene Grenzen? Nein, er stammt von einen Beitrag[5] des Bundestagsabgeordneten Michael Leutert[6] in der Wochenzeitung Jungle World. Dort verteidigt Leutert ein Einwanderungsgesetz der LINKEN, das er mit formuliert hat. In einen späteren Beitrag kritisiert[7] Caren Lay[8] dieses Einwanderungsgesetz vehement und sieht es als Versuch der Revision einer angeblich libertären Programmatik in der Flüchtlingspolitik der LINKEN.
Das Thesenpapier von Fabio De Masi, Michael Leutert und anderen folgt dagegen einer anderen Agenda: nämlich die bisherige programmatische Forderung der Linkspartei nach offenen Grenzen zu revidieren. Es spricht sich erstmalig in der linken Migrationsdebatte klar für die Regulierung von Einwanderung, vor allem die Begrenzung der Arbeitsmigration im Interesse der deutschen Bevölkerung, aus. Ich bin erschrocken, wenn behauptet wird, ‚ohne Grenzmanagement stünden die Staaten hilflos gegenüber der international organisierten Kriminalität und dem Terrorismus‘ da, denn das suggeriert, dass organisierte Kriminalität offenbar ausschließlich von außen importiert wird.
Anstatt Migration und Einwanderung als Normalfall und Grundlage moderner Gesellschaften anzunehmen und positive Leitbilder für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft zu entwerfen, werden die Bedürfnisse von Eingewanderten und Einheimischen gegeneinandergestellt. Grundlage der Argumentation ist die Unterscheidung zwischen Asylsuchenden und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen, wie es im Mainstreamdiskurs heißt, auch wenn die Formulierung „diejenigen, (…) die lediglich ein höheres Einkommen erzielen oder einen besseren Lebensstandard genießen wollen“ versucht, diesen Begriff zu umschiffen. Eine solche Unterscheidung bedeutet im Kern nichts anderes, als von Millionen Menschen im globalen Süden paternalistisch zu fordern, doch bitte zu Hause zu bleiben und dort für Gerechtigkeit und ein besseres Leben zu kämpfen. Garniert wird dies mit der abenteuerlichen Behauptung, nur die Wohlhabenden der Herkunftsgesellschaften würden den Weg nach Europa schaffen.
Caren Lay
Lay und Leutert sind aktiv im realpolitischen Flügel der LINKEN, stehen in der Einwanderungsfrage konträr und schaffen es doch, ohne persönliche Angriffe die Kontroverse auszutragen. Hier geht es also im Grunde um den Streit, der am Sonntagmittag zur Eskalation auf dem Parteitag der LINKEN beigetragen hat. Wagenknecht hatte in ihrer Rede betont, dass sie das Asylrecht verteidigt und daher offene Grenzen für Menschen in Not befürwortet, nicht aber eine Arbeitsmigration.
Tatsächlich wird in der Debatte von allen Seiten sehr selektiv geurteilt. Auch bei den Befürwortern einer Arbeitsmigration für Alle werden die Konsequenzen für die Gesellschaften außer Acht gelassen. Schon die heute legale Arbeitsmigration im EU-Raum zeigt diese Problematiken. Viele Kinder wachsen in Rumänien und Bulgarien ohne Eltern auf, weil die in Westeuropa arbeiten und nur wenige Tage im Jahr zu Hause sind. Wenn die wenigen Ärzte und Pfleger aus dem Subsahara-Raum migrieren, wer kümmert sich dann um die Ärmsten, die eben aus Alters- und Krankheitsgründen nicht fliehen können?
Müsste eine linke Position nicht nur das Recht auf Migration, sondern auch das Recht stark machen, dass Menschen in ihren Heimatländern ein würdiges Leben führen können? Und warum macht man sich nicht auch für die Ausbildung von Geflüchteten in Deutschland stark, mit der sie in ihren Heimatländern ein würdiges Leben für sich und andere aufbauen können? Es haben viele Geflüchtete aus Syrien, aber auch aus anderen afrikanischen und asiatischen Ländern immer wieder betont, dass sie gerne zurückgingen, wenn sich für sie Lebensperspektiven bieten würden. Könnten nicht derartige Ausbildungsprogramme zu solchen Perspektiven beitragen?
Auf dem Parteitag wurde etwas nebulös auch immer wieder davon geredet, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Aber von Ausbildungsprogrammen für Migranten, die wieder in ihre Heimatländer zurückwollen, hat man wenig gehört. Dabei wäre das im Interesse für einen nicht unerheblichen Teil der Menschen, die migrieren mussten. Was auch nicht erwähnt wurde, war die gewerkschaftliche Organisierung der Migranten.
Erst kürzlich wurde in Italien Soumaila Sacko erschossen[9], der sich gewerkschaftlich organisierte[10]. Er sammelte Blech für seine Hütte, mit der er in Italien sich selber ein Dach über dem Kopf schaffen wollte. Doch diese Biographien von Lohnabhängigen in Europa kommen auch in den moralisch grundierten Refugee-Welcome-Erzählungen einer parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken viel zu wenig vor.
Der Film Eldorado[11] ist da eine Ausnahme. Der Regisseur Markus Imhooff begleitete einen Gewerkschafter in die Hütten der ausgebeuteten Tagelöhner, die in Italien Tomaten ernten. Doch ein Großteil der Migrantengeschichten in Filmen und Theatern nimmt die Perspektive eines linksliberalen akademischen Mittelstands ein, der heute in verschiedenen Orten der Welt zu Hause ist und sich dann fragt, wo ihre Heimat ist. Das gilt auch für künstlerisch sehr gelungene Theaterstücke wie Being here – hier sein[12]. Was für eine künstlerische Arbeit, die ein linksliberales Bürgertum anspricht, das auch sonst kaum mit der realen Arbeitswelt in Berührung kommt, verständlich sein mag, ist für eine Partei, die sich rhetorisch auf die Arbeitswelt bezieht, fatal.
Werden Kipping und Wagenknecht zusammen Abschiebungen behindern?
Am Ende sind die streitenden Personen innerhalb der LINKEN doch noch gemeinsam auf die Bühne gegangen und haben einen Vorschlag für die Weiterführung der Debatte vorgestellt. So soll nicht mehr über die Medien, sondern innerhalb der Partei und ihren Gremien diskutiert werden. Es wird sich zeigen, wie lange dieser Vorsatz Bestand hat. Zudem soll eine Tagung zur Flüchtlingsfrage mit Bündnisorganisationen und Experten beraten werden. Vielleicht kommt es dann doch noch dazu, darüber zu beraten, wie denn Abschiebungen von Migranten aus Ländern mit Regierungsbeteiligung der LINKEN be- oder gar verhindert werden können.
In der nach Wagenknechts Rede erzwungenen Diskussion haben mehrere Delegierte auf diese Abschiebungen hingewiesen. Das war implizit auch eine Kritik an die vielen Realpolitikern der LINKEN, die so vehement für offene Grenzen auf dem Papier eintreten und über darüber schwiegen, dass sowohl in Berlin und Brandenburg als auch in Thüringen die Polizei weiterhin Abschiebungen mit Polizeihilfe vollzieht.
Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach, die Wagenknecht in einem emotionalen Redebeitrag sehr stark angriff, äußerte sich nicht dazu. In der anschließenden Abschlussrede erklärte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow mit dem Parteibuch der LINKEN wie sehr er diese Abschiebungen bedauert. Doch leider müssen nun mal Bundesgesetze umgesetzt werden. Daher müsse die LINKE auch da so stark werden, dass sie die Gesetze verändern kann. Das ist allerdings eine Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Viel realistischer ist es, wenn eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung Abschiebungen real be- oder auch verhindert. Das ist auch schon mehrmals geschehen und mittlerweile wird ein solcher Widerstand vermehrt kriminalisiert[15], wie im letzten Jahr in Nürnberg[16] und kürzlich in Ellwangen[17].
Warum positioniert sich die LINKE nicht hier, anstatt über offene Grenzen zu zerstreiten? Weil es dann für die Realpolitiker um ihre Ämter geht? Wie würde die Presse reagieren, wenn sich Katja Kipping und Sahra Wagenknecht gemeinsam auf einer Blockade unterhaken, um womöglich in einem von der LINKEN mitregierten Land die Abschiebung einer Roma-Familie zu verhindern? Das wäre doch ein Thema, mit der die LINKE ganz konkret in die Abschiebemaschine eingreifen könnte.
Der Sender Phönix habe die Ausstrahlung des Films „Kreuzzug der Katharer“ abgesagt, um die kurzfristig anberaumte Diskussion der LINKEN auszustrahlen, erklärte Dietmar Bartsch stolz. Ungleich größer wäre das Medienecho, wenn die Spitzenpolitiker der LINKEN dem Vorschlag eines Delegierten folgend tatsächlich in die Abschiebemaschine eingreifen würden.
Peter Nowak
https://www.heise.de/tp/features/Parteitag-der-Linken-Wie-passen-offene-Grenzen-mit-realen-Abschiebungen-zusammen-4075493.html