INDYMEDIA-VERBOTSolidarität auf derAnklagebank«Tatörtlichkeit: Internet» heisst es in der Anklageschrift der Berliner Staatsanwalt-schaft. Angeklagt sind: der Journalist Peter Nowak, der Blogger Achim Schill und Politik-wissenschaftler*in Detlef Georgia Schulze. Die drei AutorInnen hatten gegen das Verbot der antikapitalistischen Onlineplattform «linksunten.indymedia» protestiert. Nun wird ihnen «Unterstützung» und «Verwendung des Kennzeichens eines verbotenen Vereins» vor-geworfen.Als Teil der massiven Repressionswelle nach dem G20-Gipfel in Hamburg hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière «linksunten.indymedia» im Sommer 2017 ver-bieten lassen. Um das Medium (auf dem jedeR Beiträge publizieren konnte, auch anonym) für illegal zu erklären, konstruierten die Behör-den aus Personen, die sie für dessen Betreiber-Innen hielten, einen Verein – und lösten die-sen gemäss Vereinsgesetz auf.Das Verbot hatte harsche Kritik ausgelöst. Die NGO Reporter ohne Grenzen etwa sah es als eine «rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung» an. Ob es nicht ohnehin verfassungswidrig ist, wird sich zeigen – beim Bundesverfassungs-gericht ist zurzeit ein Verfahren hängig.Nowak, Schill und Schulze hatten sich kurz nach dem Verbot in einer Erklärung zur «linksunten»-AutorInnenschaft bekannt. Sie machten ihre Texte, die sie auf dem Portal ver-öffentlicht hatten, wieder publik – und riefen auch andere AutorInnen dazu auf. «‹Linksun-ten› war ein Portal der – vor allem ausserpar-lamentarischen – Linken in ihrer Vielfalt. Wir möchten es in seiner ganzen Pluralität (…) wie-der haben.» Neben dem Text publizierten sie einen Ausschnitt der Verbotsverfügung. Dar-auf zu sehen: das verbotene Logo.Als Reaktion auf die Anklage veröffent-lichten Schill, Schulze und Nowak am Freitag eine Stellungnahme mit dem Titel «Die Zen-sur findet längst statt». Das Verbot verstosse gegen die Meinungs- und Pressefreiheit. Sie würden «den Text nach wie vor für politisch richtig und ausserdem für juristisch legal» halten. MESWAS WEITER GESCHAHVerliererin MeinungsfreiheitAlle Proteste waren am Ende vergebens: Am Dienstag stimmte das EU-Parlament der um-strittenen Reform des Urheberrechts mit 348 zu 274 Stimmen zu. Nun müssen noch die Mitgliedsländer zustimmen. Netzaktivistinnen und Juristen hatten gegen die Richtlinie mobil gemacht, das Thema polarisierte über Partei-grenzen hinweg.Im Kern geht es darum, dass Internet-plattformen wie Youtube künftig mehr Verant-wortung bei Urheberrechtsverstössen vonsei-ten der NutzerInnen übernehmen sollen; bis dato löschen die Plattformen Kopien urheber-rechtlich geschützter Inhalte erst, wenn die RechteinhaberInnen das einfordern. Zu den entschiedenen BefürworterInnen der Reform gehören die Musikindustrie und die grossen Verlage. Gemäss den KritikerInnen wäre die Einführung sogenannter Uploadfilter jedoch die logische Konsequenz der Reform. Diese würden die Inhalte im grossen Stil löschen und damit die Meinungsfreiheit im Netz empfind-lich einschränken.Aufseiten der KritikerInnen zählt Ju-lia Reda zu den profiliertesten Stimmen. Die deutsche Abgeordnete der Piratenpartei sprach nach dem Parlamentsvotum von einem «schwarzen Tag für die Netzfreiheit». Zuvor hatte sie in der Plenardebatte engagiert für die Ablehnung der Reform votiert – wobei sie immer wieder von penetranten Zwischenrufen aus dem gegnerischen Lager unterbrochen wurde. In ihrer Rede verwies Reda auf die vie-len Tausend Menschen, die zuletzt gegen die Reform auf die Strasse gegangen waren – wie auch auf die Desinformationskampagne der BefürworterInnen. So hatte etwa Daniel Cas-pary, Abgeordneter der rechtskonservativen EVP, behauptet, bei den Protesten seien auch «gekaufte Demonstranten» mitmarschiert. Wer mit derlei Mitteln Stimmung mache, warnte Reda, raube einer ganzen Generation den Glauben an die Politik. HADNachtrag zum Artikel «Kulturkampf um Youtube» in WOZ Nr. 12/19.