Presseberichterstattung zu einer Gegenveranstaltung zu einer Sarrazin-Lesung in Gera

Vorab-Bericht der Ostthüringer Zeitung vom 3. November 2012

Ankündigung der Gegenveranstaltung

Veranstaltungsbericht 1

Live-Ticker zum Veranstaltung

Kommentar zu beiden Veranstaltungen


„Gera braucht Lesung nicht“: Thilo Sarrazin kommt am 14. November

http://www.otz.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/Gera-braucht-Lesung-nicht-Thilo-Sarrazin-kommt-am-14-November-195009168

Plakte für die Lesung von Thilo Sarrazin hängen bereits in Gera.

Thilo Sarrazin wird am 14. November aus seinem neuen Buch in Gera lesen. Während das Kultur- und Kongresszentrum auf 500 Besucher hofft, formiert sich außerhalb Widerstand. Eine alternative Lesung ist geplant.
Gera. „Europa braucht den Euro nicht“ heißt das jüngste Buch von Thilo Sarrazin. Am 14. November wird der gebürtige Geraer im Kultur- und Kongresszentrum (KuK) daraus vorlesen. Geplant ist auch eine Diskussion.

Während die Veranstalter im KuK auf 500 Besucher hoffen, formiert sich schon Wochen vor der Lesung Widerstand. Mitglieder des Runden Tisches für Toleranz und Menschlichkeit, der Jusos, der Bildungsreihe am Donnerstag und der Linkspartei organisieren eine Alternativveranstaltung vor dem KuK.

Geplant sind ein Vortrag und Diskussion mit dem Berliner Journalisten Peter Nowak. Der Titel: „Wider die Sarrazinierung der Gesellschaft“. Bei der Stadtverwaltung wurde bereits eine Genehmigung dafür beantragt. Ob die tatsächlich kommt, ist noch unklar.

„Wir hoffen, dass viele Menschen zur alternativen Lesung kommen“, sagt Michael Kleim, Jugendpfarrer der evangelischen Kirche. „Gera braucht die Lesung nicht“, so Kleim weiter. „Diesem seichten Rassismus“ dürfe man kein Podium bieten. Er fordere nicht, Sarrazin einen Maulkorb zu verpassen und die Lesung zu verbieten. Das wäre Zensur und die will Kleim schon gar nicht. Es brauche ein Diskussion um die brisanten Thesen Sarrazins.

Das findet auch Geras Linke-Chef Andreas Schubert. Dass die Veranstaltung mit dem umstrittenen Autor in einem städtischem Raum stattfindet, halte er für fragwürdig. Besser wäre gewesen, man hätte dafür gesorgt, dass während der Veranstaltung eine vernünftige Diskussion zustande komme. Diese gäbe es bei der Lesung so sicher nicht. Er bedauere, dass Thilo Sarrazin noch SPD-Mitglied ist, sagt Geras Juso-Vorsitzender Maik Gerstner. „Sarrazin ist ein Scharfmacher. Ob bei der Bundesbank, als Finanzsenator in Berlin oder bei verschiedenen Auftritten“, so Gerstner weiter.


Alternativ-Vortrag zu Sarrazin in Gera

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Unter dem Titel „Wider der Sarrazinisierung der Gesellschaft“ bietet der Journalist Peter Nowak mit einem Vortrag und Diskussion morgen, 14. November, ab 20 Uhr, im Stadtmuseum Gera eine Alternative zur Lesung von Thilo Sarrazin an. Unter dem Titel „Wider der Sarrazinisierung der Gesellschaft“ bietet der Journalist Peter Nowak mit einem Vortrag und Diskussion morgen, 14. November, ab 20 Uhr, im Stadtmuseum Gera eine Alternative zur Lesung von Thilo Sarrazin an.

Peter Nowak ist freier Journalist und beobachtet seit Jahren die Entwicklung der Ideologie des Sozialchauvinismus und er erklärt, warum Sarrazin der lauteste Vertreter dieser Strömung ist. Mit seinem Nützlichkeitsrassismus wurde er zum Lautsprecher all derer, die Abneigungen gegen alle hegen, die dem Standort Deutschland angeblich schaden. Das können wahlweise Empfänger von „Hartz IV“, sogenannte „Pleitegriechen“ oder Migranten sein.

Bereits im Vorfeld können sich ab 18 Uhr Interessierte der Alternativveranstaltung an einem Stand vor dem Kultur- und Kongresszentrum darüber informieren. Initiiert wurde die Alternativlesung von der Bildungsreihe am Donnerstag und vielen Unterstützern.


Sarrazinlesung in Gera

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Gera: Auch die Sarrazin-Gegner zahlten

Das Alternativprogramm zur Sarrazinlesung vermag es nicht ein großes Publikum anzulocken: rund 50 Menschen hören im Stadtmuseum den Thesen von Peter Nowak zu. Das Alternativprogramm zur Sarrazinlesung vermag es nicht ein großes Publikum anzulocken: rund 50 Menschen hören im Stadtmuseum den Thesen von Peter Nowak zu.

Nach der Lesung der Thilo-Sarrazin-Gegner im Geraer Stadtmuseum argwöhnten Sarrazin-Anhänger, die Veranstalter hätten für die Nutzung der städtischen Einrichtung nichts bezahlen müssen. Unsere Zeitung ist dieser Vermutung nachgegangen und hat herausgefunden, dass sie nicht zutrifft.

Mussten die Gegner der Sarrazin-Lesung vergangene Woche für ihre Veranstaltung im Geraer Stadtmuseum zahlen, oder nicht? Das wollten Leser unserer Zeitung wissen. Schließlich wäre das nur fair, gegenüber der Veranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum mit Thilo Sarrazin, so einer der Leser.

Parteien und Bündnisse hatten den Berliner Journalisten Peter Nowak eingeladen, der über das Phänomen Thilo Sarrazin sprach. Zu der Gegenlesung kamen etwa 50 Besucher.

Für die Veranstaltung mussten die Organisatoren 60 Euro bezahlen, sagte Frank Rühling, Fachdienstleiter Kultur in der Stadtverwaltung Gera. Hinzu kamen Ausgaben, die die Veranstalter für den Sicherheitsdienst zahlen mussten.

Die Höhe der Kosten sind kein Zufall, sondern basieren auf einer Gebührenordnung, so Rühling weiter.

800 Gäste bei Sarrazin-Lesung in Gera, nicht mal 50 bei Gegen-Lesung

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Thilo Sarrazin liest im Geraer Kultur- und Kongresszentrum. Thilo Sarrazin liest im Geraer Kultur- und Kongresszentrum.

Thilo Sarrazin liest am Mittwochabend im Geraer Kultur- und Kongresszentrum vor 800 Besuchern. Nur knapp 50 Menschen sind dagegen ins Stadtmuseum gekommen, um den Alternativvortrag zu Sarrazin von Peter Nowak zu hören.
Viel Wirbel bei Sarrazin-Lesung mit 800 Besuchern
18.28 Uhr Thilo Sarrazin erreicht Gera mit dem Zug aus Richtung Leipzig. Von Personenschützern und Polizisten wird er aus dem Bahnhof geleitet. Sarrazin trägt eine Aktentasche, die nach viel Arbeit aussieht.

19 Uhr Die ersten Besucher werden in das KuK gelassen. Am Eingang werden ihre Taschen kontrolliert.

19.36 Uhr Die Schlange am KuK ist lang. Drinnen beginnt sich der Saal zu füllen. Hier stehen Mikrofone bereit, sie sollen später für die Diskussion genutzt werden. Auf zwei Tischen liegen hohe Stapel mit Sarrazins Büchern, „Europa braucht den Euro nicht“ und „Deutschland schafft sich ab“. Verkaufen sie sich gut? „Könnte besser sein viele haben es sicher schon“, sagt die Verkäuferin.

20 Uhr Noch immer strömen Besucher in den Saal in dem nur noch einzelne Plätze frei sind. Nun werden auch Teile des Ranges geöffnet. Die Veranstalter können sich über mangelndes Besucherinteresse nicht beklagen. 800 Menschen sind es.

20.15 Uhr Der Autor wird angekündigt. Man hört Biografisches. In Gera wurde Sarrazin geboren, wuchs aber in Recklinghausen auf. Es geht um Sarrazins Karriere. Vielen sei er als harter Hund bekannt durch seine Zeit als Berliner Finanzsenator. Dann betritt der Autor die Bühne. Applaus. Sarrazin geht zum Pult und beginnt zu referieren.

20.19 Uhr Mit der gemeinsamen Währung ist einiges falsch gelaufen, sagt Sarrazin. Man müsse nun schauen was verkehrt war, damit man es später richtig machen kann. Bei Fehlern ist Rückschau angesagt. Es folgt ein Exkurs in die Geschichte der Währung. Diese habe übrigens nichts mit Krieg oder Frieden zu tun.

20.30 Uhr Der Vortrag hat den Charme einer Geschichtsstunde. Wer auf Skandale und Kontroversen hoffte, sollte inzwischen enttäuscht sein. Stattdessen gibt es Namen und Jahreszahlen. Überraschend ist das nicht und wer „Europa braucht den Euro nicht“ kennt, weiß das. Sarrazin, der Mann aus dem Finanzministerium, der Bundesbank-Vorstand und Finanzsenator, kennt sich aus mit Währungspolitik.

20.58 Uhr Jetzt geht es um Griechenland. Geschummelt hätte der Staat mit seinen Bilanzen als es um den Beitritt zur gemeinsamen Währung ging. Mit dem Euro, sagt Sarrazin, lebten die Griechen auch ganz gut. Doch der griechische Haushalt war und ist desolat. Mit seiner Mustertabelle, wie er sich auch als Finanzsenator in der Hauptstadt verwendete, habe er das nachgerechnet. Eine eigene Währung für Griechenland wäre die Lösung.

21.43 Uhr Was schlägt er denn nur vor zur Lösung der Finanzmisere? Raus aus dem Euro geht nicht, sagt Sarrazin. Die Europäische Zentralbank müsse stattdessen wieder auf die Pfade des Vertrages. Er wolle kein Ankaufsprogramm für Staatsanleihen und keine Finanzierung von Krisenstaaten.

21.55 Uhr Thilo Sarrazin beendet seinen Vortrag.

Wenig Resonanz bei Anti-Sarrazin-Lesung mit knapp 50 Gästen
17.54 Uhr Es kann losgehen: das DGB-Demoauto steht vor dem KuK. Auch die Herren vom Ordnungsamt sind da.

18.53 Uhr Der Geraer Linken-Landtagsabgeordnete Dieter Hausold spricht: „Deutschland zieht die meisten Vorteile aus dem Euro“. Viele Zuhörer hat er nicht. 15 Leute haben sich versammelt. An der unteren Tür zum KuK klebt mittlerweile ein Zettel, der Eingang befinde sich oben. Damit ist die Demo am falschen Ort.

Das Alternativprogramm zur Sarrazinlesung vermochte es nicht, ein großes Publikum anzulocken: Rund 50 Menschen hören im Stadtmuseum den Thesen von Peter Nowak zu. Foto: Katja Schmidtke Das Alternativprogramm zur Sarrazinlesung vermochte es nicht, ein großes Publikum anzulocken: Rund 50 Menschen hören im Stadtmuseum den Thesen von Peter Nowak zu. Foto: Katja Schmidtke

19.05 Uhr Geras Linken-Chef Andreas Schubert sagt, man wolle mit den Sarrazin-Besuchern ins Gespräch kommen. Doch wer jetzt aus der Stadt kommt oder ins Winterdorf will, huscht am Protest vorbei. Schubert bleibt freundlich-hartnäckig, wie immer, er verteilt Handzettel und Broschüren.

19.45 Uhr Während die Schlange am KuK fast bis zur Schlossstraße reicht, wird davor der Proteststand abgebaut, das DGB-Auto verschlossen. Vom Winterdorf her weht Musik hinüber: Bataillon d’amour.

19.59 Uhr Am Stadtmuseum muss keiner anstehen. Die fünf Sitzreihen sind nicht bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein Polizist lugt kurz herein.

20.02 Uhr Stadtjugendpfarrer Michael Kleim eröffnet die Lesung. Er sagt, Kritik ist ein normaler Vorgang in der Demokratie, vor allem wenn Thesen ins Abseits des Sozialdarwinismus‘ führen. Man wolle auf Sarrazins Thesen eingehen, inhaltlich, argumentativ.

20.13 Uhr Einzelne Thesen nimmt sich der freie Journalist Peter Nowak nicht vor. Er will ergründen, woher der wie er es nennt Nützlichkeitsrassimus kommt, der sich in Deutschland verbreitet habe und in Sarrazins Büchern Ausdruck findet. Als Beispiel bringt Nowak die Debatte um die Lebensleistungsrente ins Spiel. Was macht eine Lebensleistung aus? Wer hat es verdient im Alter nicht im Armut zu leben, wer ist dazu verdammt?

20.18 Uhr Nach Nowaks Meinung muss die Elite, zu der auch Sarrazin gehört, diesen Nützlichkeitsrassismus nicht einmal bei den Menschen einimpfen, sondern nur abrufen.

20.24 Uhr Die erste Zuschauerin gähnt leise.

20.33 Uhr Karl Marx kommt ins Spiel. Und zwar am Problem der Aufstocker, die trotz Arbeit auf Hartz IV angewiesen sind.

20.35 Uhr Nicht alle Hartz-IV-Empfänger sind automatisch Gegner von Sarrazin, sagt Nowak. In der heutigen Gesellschaft lernten viele, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Und so grenzt sich die eine Schicht von der anderen ab.

20.48 Uhr Nowak sagt, Menschen wie Sarrazin sind wegen der Krisen so populär. Begonnen habe das mit den Hartz-IV-Reformen. Die Gesellschaft zersplittert: Wir und Ihr.

20.55 Uhr Puh, das ist anstrengend, sagt eine Zuhörerin. Entsolidarisierung. Barbarisierung. Fragmentierung. Ein Gefühl wie im Soziologie-Seminar.

21.00 Uhr Der Vortrag endet. Der Applaus dauert kurz an. Eine peinliche Pause gibt es nicht, die erste Frage schließt sich an: Sie dreht sich um Sarrazins erstes Buch.


Martin Gerlach kommentiert die Lesung mit und gegen Sarrazin

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OTZ-Redakteur Martin Gerlach über einen Abend, den Provokateur und jene, die ihn nicht mögen OTZ-Redakteur Martin Gerlach über einen Abend, den Provokateur und jene, die ihn nicht mögen

Ein herzlicher Empfang sieht anders aus. Jedenfalls vor dem Kultur- und Kongresszentrum. Denn dort wurde demonstriert gegen Thilo Sarrazin, der seiner Geburtsstadt einen rein dienstlichen Besuch abstattete.

Drinnen, im überaus gut gefüllten Saal, ist die Stimmung schon besser. Man ist gekommen, um den Ex-Bundesbanker zu hören, der als großer Provokateur der Republik gilt und zum großen Streifzug durch die Geschichte der Währung ausholt.

Im Stadtmuseum sagt Peter Nowak, dass Sarrazin niemandem gut tut. Die beiden Lager sind dabei trennscharf.

Der Wirbel war groß, schon Wochen, bevor der SPD-Mann hier seinen Blitzbesuch antrat. Bündnisse riefen auf, nicht zur Lesung gehen und organisierten Protest. Sie wollen eine wirkliche Diskussionskultur um das umstrittene Werk des vermeintlichen Skandalautors. Am Ende wurde alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Wenige Protestler zogen vor das KuK und drinnen war von Provokation wenig zu spüren.

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