Ein neues Strafverfahren:

Never ending Polizei-Posse um das Verbot von linksunten.indymedia

Das Landeskriminalamt Berlin hat ein neues strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem 2017 verfügten Verbot von linksunten.indymedia1 eingeleitet. Dazu erklärt der/die Beschuldigte, Detlef Georgia Schulze: „Ich bleibe weiter- hin bei meinem bereits 2017 – zusammen mit Peter Nowak und Achim Schill – geäu ßerten Wunsch, ‚linksunten in seiner ganzen Pluralität – von links-militant bis pazi fistisch-sozial-bewegt – wieder haben‘ zu wollen. Ich bin außerdem weiterhin überzeugt, daß alles, was ich im Zusammenhang mit dem linksunten-Verbot gesagt und getan habe, legal ist; daß dagegen das Verbot aber verfassungswidrig ist. Strafverfahren werden meine Überzeugung nicht brechen und deren Äußerung nicht verhindern.“

Es folgen eine Chronologie der Ereignisse und im letzten Absatz ein weiteres Statement von Schulze sowie ergänzende Statements des Journalisten Peter Nowak und des Bloggers Achim Schill:

Am 25. August 2017 wurde die bereits auf den 14. August 2017 datierte Verfügung2 bekannt, mit der das Bundesinnenministerium linksunten.indymedia bzw. einen vom Bundesinnenministerium so bezeichneten angeblichen „Verein“ verbot.

In Wirklichkeit handelte es sich bei linksunten.indymedia um ein internet-Medium. Auch alle Medien berichteten in diesem Sinne: Es sei eine „Internet-Plattform“ verboten worden.

Ob die HerausgeberInnen vereinsförmig3 i.S.d. des Vereinsgesetzes organisiert waren oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls sind Medium und HerausgeberInnen zu unterscheiden.

Am 31. August 2017 veröffentlichten drei Berliner PublizistInnen (Peter Nowak, Achim Schill und Detlef Georia Schulze) eine Protesterklärung gegen das Verbot des internet-Mediums (von dem [fast] alle ausgingen, daß es erfolgt sei).

  • Im September 2018 – also mehr als ein Jahr nach der Erklärung – erhielten die drei Protestierenden Post vom Landeskriminalamt Berlin – Abteilung Staatsschutz – mit der Mitteilung5, es werde gegen sie wegen der Protesterklärung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt.
  • Es dauerte dann ungefähr ein weiteres halbes Jahr – bis zum März 2019 – bis von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben wurde.6
  • Dann tat sich lange Zeit gar nichts. Das Gericht entschied lange Zeit nicht einmal über die Zulassung7 oder Nicht-Zulassung8 der Anklage.
  • Dies hat das Gericht nun am 18. März 2022 nachgeholt – und die Anklage nicht zu- gelassen, da – nach all der Zeit der gerichtlichen Untätigkeit – die Verjährungsfrist9 abgelaufen sei.
  • Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft dem Vernehmen nach Sofor- tige Beschwerde eingelegt10; der Text des Beschwerde-Schriftsatzes wurden den Angeschuldigten aber noch nicht mitgeteilt.Zwischenzeitlich war Folgendes geschehen:
  • 16. Januar 2019 stellten Unbekannte das Archiv von linksunten.indymedia ins inter- net – damals unter der Adresse: https://linksunten.archive.indymedia.org/; mittler- weile unter der Adresse: https://linksunten.indymedia.org/.
  • Detlef Georgia Schulze entschloß sich in den folgenden Tagen, das Archiv mittels einer eigenen Webseite zu spiegeln und macht dies mit einer Presseerklärung vom 27. Januar 202011 bekannt. (Die von Schulze eingerichtete Webseite existiert inzwi- schen nicht mehr, da Schulze es – mangels staatlichen Interesses für das Original- Archiv und dessen Spiegelung – irgendwann vergessen hatte, den Vertrag für den Webspace zu verlängern.)
  • Außerdem informierte Schulze am 28. Januar 2020 die Landesmedienanstalt (LMA) Berlin-Brandenburg mit einem Offenen Brief, der der LMA auch direkt zugesandt wurde, über seine/ihre Archiv-Spielung.

Der Offene Brief wurde von trend. onlinezeitung veröffentlicht:http://www.trend.infopartisan.net/trd0220/Brief_an_LMA_o_adress_fuer%202- 2020.pdf.
Die Landesmedienanstalt nahm den Offenen Brief nicht zum Anlaß für Beanstan- dungen.

  • Diese Veröffentlichung verlinkte Schulze wiederum in einem Blog-Artikel vom 01.02.2020: http://systemcrashundtatbeilinksunten.blogsport.eu/2020/02/01/offener- brief-an-die-medienanstalt-berlin-brandenburg-wg-spiegelung-des-archivs-von- linksunten-indymedia/. Dieser Blog-Artikel besteht bloß aus◦ der Überschrift12,
    ◦ dem Satz: „Heute neu in der aktuellen Ausgabe (2/2020) von trend.onlinezeitung:“,
    ◦ einem Bild, das die erste Seite des Briefes zeigt,und
    ◦ dem Link zum Veröffentlichungsort des Offenes Briefes.
  • Anscheinend diesen – eigentlich völlig belanglosen – Blog-Artikel hat das Landes- kriminalamt zum Gegenstand des neuen Ermittlungsverfahrens gemacht, über das Schulze kürzlich informiert wurde. Jedenfalls sei die Tatzeit der 1. Februar 2020; die Tatörtlichkeit sei das internet und es sei gegen das Vereinsgesetz13 verstoßen wor- den.
  • Auf die Mitteilung über das Ermittlungsverfahren hat Schulze mit dem beigefügten 3 1⁄2-seitigen Brief an das Landeskriminal geantwortet. Der Brief endet mit folgendem Absatz:
    „Im übrigen möchte ich Sie bitten, Ihre Akten möglichstbald an die Staatsanwalt- schaft zur etwaigen Anklageerhebung weiterzureichen. Denn angesichts dessen, daß Ihr vorhergehendes Ermittlungsverfahren gegen mich – sowie die Herren No- wak und Schill – im Sande der Verjährungsfrist verlaufen ist, sehe ich bereits freudig der Gelegenheit, die Verbotsverfügung des Bundesministerium des Innern vom 14. August 2017 – hoffentlich – nun endlich einer materiell-rechtlichen Klärung vor Gericht zuzuführen, entgegen.“
  • Eine solche materiell-rechtliche Klärung stellt nämlich auch das Urteil des Bundes- verwaltungsgerichts vom 29.01.202014 nicht dar. Denn es beschränkte sich darauf, die damals verhandelten Klagen der AdressatInnen der Verbotsverfügung des Bun- desinnenministeriums als unzulässig abzuweisen, da die KlägerInnen gar nicht kla- gebefugt (gewesen) seien. Die Klagen hätten vielmehr der verbotene „Verein“, von

dem die AdressatInnen aber bestritten, daß er überhaupt jemals existiert habe, er- heben müssen.

• Über die von den KlägerInnen gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsge- richts erhobene Verfassungsbeschwerde wurde auch noch nicht entschieden.

„So haben wir den – in einem Staat, in dem der Rechtsweg gegen Akte der ‚öffentliche Ge- walt‘ (Art. 19 IV GG) garantiert ist, unhaltbaren – Zustand,

  • daß seit fünf Jahren ein Medium als verboten behandelt wird, aber es praktisch un- möglich ist, eine inhaltiche gerichtliche Entscheidung über das Verbot zu erlangen;
  • daß die Polizei ein schikanöses Strafverfahren gegen drei Personen einleitet, die- ses aber solange verschleppt wird, daß es – wegen Verjährung – wiederum zu kei- ner Sacheentscheidung kommt.
  • Nun wird über eine neues Ermittlungsverfahren informiert – mehr als zwei Jahre nach der Straftat, die angeblich stattgefunden hat.Eine ernsthafte Strafverfolgung sähe anders aus – aber der deutsche Staat möchte an- scheinend partout eine gerichtliche Sachentscheidung über das Verbot vermeiden, sodaß es sogar vorgezogen wird, Strafverfahren, die eigentlich der Durchsetzung des Verbotes dienen, nur nachlässig betrieben werden sollen,“ so kritisiert Schulze.Auch der Blogger Achim Schill hält die „journalistischen Einlassungen und Intentionen“ der drei Berliner PublizistInnen gegen das (vermeintliche) ‚linksunten-Verbot‘ „weiterhin für politisch richtig“. Über die gesetzliche Legalität oder Illegalität möchte er als juristischer Laie nicht urteilen; diese könne die politische Richtigkeit aber eh nicht beeinträchtigen. Schill er- klärt: „Die erneuterten Ermittlungen gegen Schulze, die geeignet sind, Marx‘ Wort von der Wiederholung der Geschichte als Farce zu illustrieren, ändern nichts an meiner Solidarität in Sachen Verteidung von Meinungs- und Pressefreiheit. Denn darum ging und geht es uns (und nicht um einen imaginären ‚Verein‘, der [vorerst] nur als Phantom oder juristisches Konstrukt existiert).“ „Welche unliebsame Redaktion einer Zeitung oder eines online-Portals wird als Nächstes zum verfassungswidrigen ‚Verein‘ erklärt?“, so fragt Schill rhetorisch.Der Journalist Peter Nowak erinnert daran, daß die drei Berliner PublizistInnen in ihrer Solidritätserklärung aus dem Jahre 2017 linksunten.indymedia als „Portal der – v.a. außerparlamentarischen – Linken in ihrer ganzen Vielfalt“ bezeichnet und diese (die Linke als Bewegung) zur Verteidigung der Plattform aufgerufen hatten.„Die schwache Reaktion auf unseren Solidaritätsaufruf ist auch ein Zeichem für die Ent- Radikalisierung dieser außerparlamentarischen Linken, die eben mehrheitlich nicht links- unten.indymedia verteidigte, sondern sich passiv verhielt“, erklärt der Journalist Peter No- wak, der mit Joachim Schill und Detlef Georgia Schulze den Aufruf unterzeichnet hatte. Die erneuten Ermittlungen gegen Detlef Georgia Schulze bewertet Nowak als Ausdruck des Verfolgungswillen gegen eine schwache außerparlamentarische Linke und ihre Medi- en. „Es wird weiterhin Solidarität notwendig sein, damit auch dieser erneute Repressi- onsversuch ins Leere läuft“, betont Nowak.
  • https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2022/05/linksunten030522.pdf