Wie im Diskurs um "Dekolonisierung" alte Pläne des deutschen Imperialismus neumodisch begründet werden. Der reale russische Nationalismus begünstigt dies. Er macht es aber nicht richtiger.

Es geht um die Zerteilung der Russischen Föderation

Es ist kein Zufall, dass die beiden Staatenbünde Jugoslawien und der Sowjetunion im Visier der deutschen Staatszerleger standen. In Jugoslawien war der Partisanenkampf gegen Nazi-Deutschland besonders stark und für die Invasoren verlustreich – und die Sowjetunion hat mit Stalingrad die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg eingeläutet. So hat die deutsche Staatszerlegungspolitik auch etwas von einer Revanche. Im Bündnis waren dabei sowohl im Fall von Jugoslawien wie auch von der Sowjetunion ethnonationalistische Gruppen, deren Vorläufer oft schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg die deutschen Interessen dort unterstützt hatten.

Sollte sich das Gorki-Theater umbenennen? Diese Frage diskutierten kürzlich eine Autorin und ein Autor der Wochenzeitung Freitag öffentlich. Natürlich ging es um den Krieg in der Ukraine – und da gilt für manche der Name eines 1936 verstorbenen sowjetischen Schriftstellers für ein Theater in Berlin als Provokation, obgleich er mit dem aktuellen Krieg der russischen Föderation nichts zu tun hat. Michael Jäger hat in seinen Kontra-Beitrag gut begründet, warum …

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Meike Gerber, Emanuel Kapfinger, Julian Volz (Hg.): »Für Hans-Jürgen Krahl. Beiträge zu seinem antiautoritären Marxismus«. Mandelbaum Verlag, Reihe Kritik und Utopie, Wien 2022. ISBN: 978-3-85476-910-1, 272 Seiten, 18 Euro.

Randale, Bambule, Frankfurter Schule!

An Krahl erinnern und mit ihm weiterdenken – eine Rezension von Peter Nowak*

In diesem Jahr ist die Frankfurter Schule endgültig in die Geschichte von Westdeutschland eingemeindet. Das zeigte sich an den Gratulant:innen zum 100sten Geburtstag des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt. Nun lässt sich nicht behaupten, dass die bekannten Köpfe der Frankfurter Schule Theodor W. Adorno und Max Horkheimer vernehmbar gegen solche staatlichen Vereinnahmungsstrategien protestiert hätten. Zumindest in den letzten 20 Jahren gaben sie sich schließlich eher staatstragend. Das zeigte sich spätestens, als Adorno 1968 die polizeiliche Räumung seines von Studierenden besetzten Instituts veranlasste und auch später die Anzeige gegen einen der Besetzer, …

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Uhl Michael, Betty Rosenfeld, Zwi­ schen Davidstern und roter Fahne, Bio­ graphie, Schmetterling­Verlag, 672 Sei­ ten, 39,80 Euro, ISBN: 3­89657­036­6

Betty Rosenfeld – Zwischen Davidstern und roter Fahne

Am Anfang stand ein vergilbtes Aktenbündel, das der junge linke Student Michael Uhl 1994 in einem spanischen Bürgerkriegsarchiv auf der Suche nach Dokumenten über die In- ternationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg fand. Das Dokument mit der Bezeichnung „Betty Rosenfeld, 23-3-1907, Stuttgart“ fand sofort das Interesse des jungen Stuttgarters.

22 Jahre später, aus dem linken Stu­ denten war inzwischen ein Historiker ge­ worden, stieß Uhl in Stuttgart auf einen Stolperstein mit dem Namen von Bet­ty Rosenfeld. „Ich erinnerte mich sofort an Bettys Namen und war schockiert. Am Ende hatte man sie also ermordet“, schreibt Uhl über die Gedanken, die ihm dabei durch den Kopf gingen. Er hatte die vergilbte Akte auch deshalb nicht ver­gessen, weil ihm das Passfoto der jungen dunkelhaarigen Frau nicht aus dem Kopf gegangen war. Er begann über mehrere Jahre …

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Philipp Staab: Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft. Suhrkamp, 239 S., br., 18 €.

Fortschritt war gestern

In seinem Buch »Anpassung« spürt der Soziologe Philipp Staab einem neuen Leitmotiv der krisengeschüttelten Zivilisation nach. as Buch macht aber auch deutlich, dass eine linke Kritik an Kapital und Herrschaft heute vielfach fehlt. Gerade sie müsste sich aber in der Kritik an Staabs Thesen bewähren und deutlich machen, dass der Spätkapitalismus nicht das Ende der Menschheit bedeuten muss, solange sich genügend Gegenkräfte für eine andere Gesellschaft mobilisieren lassen.

Sind Vorstellungen von Emanzipation und Fortschritt ein Auslaufmodell in einer Welt, die zunehmend an ihre Grenzen stößt? Das ist zumindest die Annahme, die der Soziologe Philipp Staab seinem aktuellen Buch »Anpassung – Leitmotiv der nächsten Gesellschaft« zugrunde legt. Während man in der Moderne noch glaubte, »die Welt ließe sich gestalten und der Fortschritt sorge quasi automatisch für ein besseres Leben«, schreibt Staab, würden die Krisen der Gegenwart eine andere Stimmung einläuten: »Erderwärmung, Wachstumskrise und subjektive Überlastungen haben diesen Optimismus erschüttert. Heute geht es in erster Linie darum, …

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„Bald wird es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon“: Marie Rotkopf, "Die deutsche Mentalität und der Krieg“

Wie Deutschland im Ukraine-Konflikt seine Geschichte entsorgt

Marie Rotkopf, Émile Durkheim, "Deutschland über alles. Die deutsche Mentalität und der Krieg", Verlag Matthes & Seitz, 155 Seiten, Übersetzung: Daniel Creutz, Jacques Hatt, Preis: 18,00 €, ISBN: 978-3-7518-0381-6

Geschichtsrevisionismus: Wie Deutschland im Ukraine-Konflikt seine Geschichte entsorgt

„Bald war es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon“

Marie Rotkopf, „Die deutsche Mentalität und der Krieg“ 

Ein in der Ukraine zerstörter russischer Panzer wurde zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine auf dem Mittelstreifen des Berliner Boulevards unter den Linden gegenüber der russischen Botschaft aufgebaut. Das Rohr zielte direkt auf dieses russische Territorium in Berlin. Die Idee kam von einer …

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Einige Deutsche fühlen sich durch den Ukraine-Krieg endlich befreit. Auch wenn sie betonen, wie grausam er ist. So können sie guten Gewissens "Nie wieder Russland" schreien.

Panzerrohr auf russische Botschaft: Deutscher Geschichtsrevisionismus marschiert

Merkwürdigerweise kritisieren viele Antifaschisten nur die Querfrontansätze auf Seiten der Friedensbewegung. Das ist völlig berechtigt, aber da fragt man sich, warum nicht auch die proukrainische Querfront ebenso kritisch unter die Lupe genommen wird. "Bald wird es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon" bringt die französische Schriftstellerin Marie Rotkopf sie Umdeutung der Geschichte auf den Punkt. Sie hat den klugen Satz in dem von ihr neu herausgegebenen und kommentierten Schrift "Deutschland über alles geschrieben, den der französische Soziologe 1915 während des Ersten Weltkriegs verfasst hat und der hierzulande kaum bekannt ist. Verlag Matthes & Seitz diese fast 110 Jahre alte Deutschlandkritik wiederaufgelegt hat. Noch erfreulicher sind die klugen Gedanken, die sich Marie Rotkopf über Durkheims Schrift und seine Aktualität gemacht hat. Vor 20 Jahren wäre der schmale Band bei deutschlandkritischen Linken ein Bestseller geworden. Doch einige von ihnen tragen jetzt lieber "Nie wieder Russland"-Plakate.

„Wenn Sie zur Veranstaltung wollen, gehen Sie nach rechts!“ Diese Ansage machte die Polizei am Samstag nach 14 Uhr an die Menschen, die zur Friedenskundgebung am Brandenburger Tor wollten. Wegen des großen Andrangs waren der Pariser Platz und auch die dortige S- und U-Bahn gesperrt, so dass die Menschen über mehrere Ecken den noch mit Zäunen abgegrenzten Kundgebungsort erreichten. „Hoffentlich müssen nicht so weit nach rechts gehen, dass wir am AfD-Stand landen“, sagte ein junger Mann lachend. Er nahm Bezug auf die Debatte, die sich in den letzten Tagen intensiviert hat. Da hatte man gelegentlich den Eindruck, dass man mit Tausenden

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Ewgeny Kosakow informiert in einem Buch über russische Kriegsgegner – darunter Sozialdemokraten, Anarchisten, Feministinnen und Gewerkschafter. Die Kommunistische Partei ist gespalten.

Diese Russen wollen keinen Krieg

Es ist ein Verdienst von Kasakows Buch, dass dort die hierzulande verschwiegene linke Opposition in Russland zu Wort kommt. "Meinst Du die Russen wollen Krieg?" So lautete der Titel eines eindrucksvollen Gedichtes des sowjetischen Schriftstellers und Dichters Jewgeniy Jewtuschenko. Lange wurde es von denen zitiert, die sich für gute Beziehungen zur Sowjetunion und später zu Russland aussprachen. Nach dem 24. Februar 2022 wagte kaum noch jemand, das Gedicht zu zitieren. Doch Ewgenly Kasakow zeigt, dass längst nicht alle Menschen in Russland Krieg wollen. Im Gegenteil, viele nehmen Repressalien in Kauf, indem sie ihre Ablehnung des Krieges offen zeigen. Hier gäbe es Bündnispartner für die Menschen in aller Welt, auch in der Ukraine, die nach fast einem Jahr das Töten beenden wollen.

Aktuell sorgt ein „Manifest für Frieden“ in Deutschland für heftige Diskussionen. Es wird als „verlogen“ und als Ende von Anstand und Moral abqualifiziert. Dabei ist es bieder und kreuzbrav und fordert nichts anderes als Verhandlungen, damit das Sterben auf allen Seiten endlich aufhört. Wer könnte etwas dagegen, haben außer nationalistischen Ideologen auf allen Seiten und natürlich der Rüstungsindustrie? Das Manifest erinnert an den Krefelder Appellvon 1980. Auch damals reichte das Spektrum der Erstunterzeichner von Nationalpazifisten, ehemaligen Militärs und Christen bis zu Kommunisten, die wahrscheinlich sogar die meisten Unterschriften sammelten, aber sonst im Hintergrund bleiben. Trotzdem wurde der Krefelder Appell von SPD bis zum rechten Rand der Union als verkapptes kommunistisches Projekt bezeichnet, das natürlich nur den Interessen Moskau dienen solle. Trotzdem wuchs die Zahl der Unterstützer. Weniger bekannt ist, dass es auch eine linke Kritik am Krefelder Appell wie an der deutschen Friedensbewegung insgesamt gab. Da wurde moniert, dass hier eben nur die deutschen Interessen formuliert und ausblendet werde, dass Kriege weltweit auch nach 1945 immer eine Realität waren. Ob die Kritik der Deutschland-Zentriertheit auch auf das aktuelle Friedensmanifest zutrifft, wird sich …

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Combe Sonia, Loyal um jeden Preis – Linien-treue Dissidenten im Sozialismus, Christian Links-Verlag, 268 Seiten, 25 Euro, ISBN: 978-396289-141-1

Linientreue Dissident:innen in der DDR

Die Historikerin Sonia Combe greift in ihrem Buch das Thema von linken Intellektuellen in der DDR auf, die kritisch der SED-Führung gegenüberstanden. Für diese Menschen kam eines nie infrage: Nach «Drüben» zu gehen, in das Land der Gehlens und Globkes.

«Georg Lukàcs empfängt Anna Seghers, die mit der tschechoslowakischen Fluggesellschaft angekommen ist, auf dem Flughafen Budapest, Februar 1952». So lautet die Bildlegende unter einem Foto, das zwei bekannte kommunistische Künstler:innen mit einer teilweise sehr unterschiedlichen Biographie zeigt.  Anna Seghers gilt als DDR-Schriftstellerin, die zumindest nach Aussen hin keine Differenzen zur SED-Politik zeigte, was dann mit dem fragwürdigen Adjektiv «linientreu» garniert wird. Georg Lukàcs war Aktivist der kurzlebigen ungarischen Räterepublik und avancierte später mit seinem zentralen Werk «Geschichte und Klassenbewusstsein» zum wichtigen Philosophen der kommunistischen Bewegung. Weil er 1956 kurzzeitig Kulturminister in der Regierung des Nationalkommunisten Imre Nagy war, wurde er für einige Jahre …

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Werbeplakate für Bundeswehr und Polizei erfahren oft Adbusting. Eine Publikation, die am Dienstag vorgestellt wurde, hat diese Werke gesammel

Satirische Aktion

Auch die Geschichte des Adbusting, das bis in die Antike zurückreicht, wurde am Dienstag thematisiert. Da kam es für viele Zu­hö­re­r*in­nen überraschend, dass die Red­ne­r*in­nen unter dem Stichwort „Adbusting gegen Hitler“ auch das antifaschistische Widerstandsnetzwerk Rote Kapelle anführten. Einige ihrer Mitglieder hatten im Mai 1942 auf Plakaten, die für die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ warben, kleine Handzettel mit der einfachen Frage geklebt. „Ständige Ausstellung – Das Nazi-Paradies, Krieg, Hunger, Gestapo. Wie lange noch?“ Wenige Monate später flog die Widerstandsgruppe Rote Kapelle auf. Nur wenige ihrer Mitglieder entgingen den Hinrichtungen in Plötzensee.

Werbeplakate für die Bundeswehr gehören mittlerweile in vielen Städten in Deutschland zum Straßenbild. Aber nicht alle haben sich daran gewöhnt. Das sieht man an den zahlreichen Adbusting-Aktionen. Damit sind satirische Verfremdungen der Plakate gemeint, die meist von der Polizei schnell entfernt werden. Jetzt gibt es die Möglichkeit, über 100 dieser Politkunstwerke in Ruhe zu betrachten. Am Dienstagabend hat der Berlin Busters Social Club (BBSC), der die satirischen Aktionen unterstützt, im Buchladen Schwarze Risse im Mehringhof eine …

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Warum wird trotz neuer Corona-Varianten offiziell das Ende der Pandemie verkündet? Waren die letzten zwei bis drei Jahre eine Zeitenwende? Die Historikerin Andrea Komlosy behauptet das.

Was bleibt von Pandemie und Lockdowns?

Komlosy hat mit ihrem Buch einen Beitrag zur Debatte geliefert, ob die Corona-Zeit eine schnell vergessene Episode war, ob sie Spuren hinterlässt oder ob sie sogar – wie von ihr behauptet – eine Zeitenwende darstellt. Es wäre wünschenswert, wenn dies diskutiert, widerlegt, ergänzt, erweitert und nicht einfach ignoriert wird.

Dass die „Corona-Zeit“ vorbei ist, werden die meisten Menschen vor allen dadurch mitbekommen haben, dass ab dem 2. Februar die Maskenpflicht auch im Fernverkehr beendet ist. Wer jetzt noch Masken trägt, tut das nicht mehr, weil es Pflicht ist, sondern weil er oder sie sich dafür individuell entschieden hat, wie es schon lange in Ostasien der Fall ist. Die Gründe können vielfältig sein – Schutz vor Erkältungen oder vor unterschiedlichen Umwelteinflüssen gehören sicher dazu. Wesentlich weniger Menschen werden mitbekommen haben, dass das Robert-Koch-Institut am 2. Februar …

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»Adbusting«: Broschüre zeigt mehr als 100 verfremdete Plakate von Bundeswehr und Polizei

Kriegspropaganda zu Klopapier

Die Broschüre »Mega Unerhört – Adbusting mit Polizei, Militär und Geheimdiensten« wird am 7. Februar um 20 Uhr in Berlin im Großen Saal in den Mehringhöfen, Gneisenaustraße 2a (2. Stock) vorgestellt. Infos zu Bestellung und weiteren Terminen: bbsc.blackblogs.org

Werbeplakate für die Bundeswehr gehören mittlerweile in deutschen Städten zum Straßenbild. Aber nicht alle haben sich daran gewöhnt. So nehmen Kollektive wie der »Berlin Busters Social Club« (BBSC) Reklame dieser Art immer wieder aufs Korn – indem sie die Plakate an Bushaltestellen und anderen Orten durch auf den ersten Blick täuschend echte Fälschungen mit satirischen Botschaften ersetzen. Bekannt ist diese Form der politischen Intervention unter dem Namen…

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Sonia Combe: Loyal um jeden Preis. »Linientreue Dissidenten« im ­Sozialismus Berlin: Ch.Links-Verlag, 2022. 268 S., 25 Euro

›Linientreue Dissidenten‹

Combe interessierte sich besonders für jüdische Linke in der DDR, daher nimmt auch die Frage, ob es einen DDR-Antisemitismus gab, einen großen Raum ein. Die Frage bejaht sie für die frühen 50er Jahre, als auch in der DDR eine Kampagne gegen jüdische Kommunist:innen begann, die in der UdSSR ihren Ausgangspunkt nahm. Deren antisemitischer Charakter wird von der Autorin klar belegt.Die spätere DDR könne allerdings nicht als antisemitisch bezeichnet werden, so Combe.

»Georg Lukács empfängt Anna Seghers, die mit der tschechoslowakischen Fluggesellschaft angekommen ist, auf dem Flughafen Budapest, Februar 1952.« So lautet die Unterzeile unter einem Foto, das zwei bekannte kommunistische Persönlichkeiten mit völlig unterschiedlichen Biographien zeigt.
Anna Seghers gilt als linientreue DDR-Schriftstellerin, die zumindest nach außen hin keine Differenzen zur SED-Politik zeigte. Georg Lukács war Aktivist der kurzlebigen ungarischen Räterepublik gewesen und avancierte später mit seinem zentralen Werk Geschichte und Klassenbewusstsein (1923) zu einem wichtigen Philosophen der kommunistischen Bewegung. Viele seiner ehemaligen Genoss:innen kritisierten Lukács, weil er …

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Uhl Michael, Betty Rosenfeld, Zwischen Davidstern und roter Fahne, Biographie, Schmetterling-Verlag, 39,80 Euro, 672 Seiten, ISBN: 3-89657-036-6

Zwischen Davidstern und roter Fahne

Auf 670 Seiten gelingt Uhl breitet er die Lebensgeschichte der Betty Rosenfeld aus. Ihm gelingt eine sehr subjektive Geschichte der Linken von der Endphase der Weimarer Republik bis in die frühen 1940er Jahre. Er beschreibt die Hoffnungen und Utopien, die die in einer gemäßigt liberalen jüdischen Familie aufgewachsene Frau in die kommunistische Bewegung führt. Und er beschreibt die bitteren Niederlagen, die zu Betty Rosenfelds Inhaftierung in Drancy und schließlich zur Deportation nach Auschwitz führte.

Der Anfang machte ein vergilbtes Aktenbündel, das der junge linke Student Michael Uhl 1994 in einen spanischen Bürgerkriegsarchiv auf der Suche nach Dokumenten über die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg fand. Das Dokument mit der Bezeichnung „Betty Rosenfeld, 23-3-1907, Stuttgart“ fand das Interesse des …

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Gerhard Hanloser: Identität & Politik. Kritisches zu linken Positionierungen. Mandelbaum, 266 S., geb., 22 €

Es genügen nicht bunte Schmetterlinge

Der Streifzug durch die identitätspolitische Debatte der letzten Jahrzehnte durch den Historiker Christoph Jünke ist schwere theoretische Kost, aber nicht uninteressant. Nicht eine »bundesdeutsche Nationalfahne mit buntem Schmetterling« könne das Ziel sein, kritisiert er die dominante liberale Spielart der Identitätspolitik. Als Alternative benennt Jünke einen emanzipatorischen Sozialismus, der ohne einen radikalen Demokratismus nicht auskommt.

Der Streit um Identitätspolitik wird in liberalen und linken Kreisen mit großer Erbitterung geführt. Dabei wird der gegnerischen Seite im jeweiligen Konflikt oft schnell Menschenfeindlichkeit, Rassismus oder Antisemitismus vorgeworfen. Umso erfreulicher, wenn über linke Identitätspolitik auch mal sachlich-argumentativ gestritten wird. Ein seltenes Beispiel hierfür ist das vom nd-Autor Gerhard Hanloser herausgegebene Buch. Darin widmen sich zehn Autor*innen unterschiedlichen Aspekten der …

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Gerhard Hanloser (Hg.) Identität & Politik Kritisches zu linken Positionierungen, 22.00 € 266 Seiten, ISBN: 978385476-917-0

Klassen- und Identitätspolitik – nicht zwangsläufig ein Widerspruch

Böhmermann sorgt mit Attacken gegen "Terfs" für Gesprächsstoff – Identitätspolitik mittlerweile in allen Milieus für Streit, besonders unter Linken. Ein neuer Sammelband trägt ausnahmsweise Konstruktives zur Debatte bei.

Wieder einmal gibt es Streit im linksliberalen Milieu und wieder geht es um die Identitätspolitik. Da werfen Till Randolf Amelung und Holger Marcks in der Jungle World Jan Böhmermann Wissenschaftsfeindlichkeit und die Verbreitung von Fake-News vor. Stein des Anstoßes ist Böhmermanns „ZDF-Magazin Royale“ vom 2. Dezember, wo dieser zum Rundumschlag gegen Leute ausholt hatte, die Forderungen und Aktivismus von Transpersonen kritisieren. Dabei setzt Böhmermann die Staatsfeministin Alice Schwarzer fast mit AfD-Politikerinnen gleich und beschuldigt am Ende auch noch Putin, die Kampagne mit voranzutreiben. Während Böhmermann in seiner Abrechnung mit den Terfs, so das Szenewort für transfeindliche Feministinnen, die nötige Differenzierung fehlt, so bleiben auch beiden Kritiker Amelung und Marks mit ihrer pauschalen Verteidigung der von Böhmermann Gescholtenen an der Oberfläche. Hätten sie weiter recherchiert, wäre ihnen aufgefallen, dass mit Schwarzer …

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