Something is rotten in the state of Germany

Erklärung des Journalisten Peter Nowak dazu, wie er im Beschluß des OLG Stuttgart vom 12. Juni in dem Strafverfahren gegen F. Kienert (Radio Dreyeckland) zitiert wird

Auf S. 17 des Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juni in dem Strafverfahren gegen den Kollegen von Fabian Kienert heißt es:

„Im Vordergrund des Artikels [von Fabian Kienert] steht damit der Werbeeffekt für die Vereinigung und die Hinleitung auf deren Internetseite, so dass der Artikel geradezu als ‚Verlängerung‘ der Internetseite erscheint. Mit diesem Appellcharakter unterscheidet sich der Artikel des Angeklagten grundlegend von anderen Berichten, die ebenfalls einen Link auf das Archiv enthalten, etwa dem online verfügbaren Artikel der taz vom 21.03.2023, der ebenfalls einen Hyperlink auf das Archiv der verbotenen Plattform enthält, dazu aber sachlich über das Gesamtgeschehen und die Standpunkte der Kritiker der Verbotsverfügung informiert. In diesem Kontext versteht der Senat den Link als neutrale Information über die Existenz des Archivs, die es dem Leser zwar leicht macht, sich über dessen Inhalt zu informieren, die aber keinen Aufforderungscharakter hat.“

Der genannte taz-Artikel vom 21.03.2023 wurde von mir, Peter Nowak, verfaßt. Gerne nehme ich zur Kenntnis, daß mir das Oberlandesgericht bescheinigt, „sachlich über das Gesamtgeschehen und die Standpunkte der Kritiker der Verbotsverfügung informiert“.

Ich selbst kann freilich keinen großen Unterschied zwischen dem Tenor meines Artikel und dem Tenor des Artikels des Kollegen Kienert erkennen.

  • Mein deskriptiver Schlußsatz vom 21.03.2023 lautete: „Allerdings ist ein Teil der Texte, die auf linksunten.indymedia veröffentlicht waren, mittlerweile in einem Archiv unter https://linksunten.indymedia.orgwieder einsehbar.“
  • Der ebenfalls deskriptive Schlußsatz des Kollegen Kienert vom 30.07.2022 lautete: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“
  • Kollege Kienert berichtete wahrheitsgemäß: „Jetzt informiert die Autonome Antifa Freiburg darüber, dass das zugehörige strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen ‚Bildung einer krimineller Vereinigung‘ am 12. Juli nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. […]. Im November 2020 hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg schon die Durchsuchung der KTS im August 2017 im Zuge des konstruierten Vereins Indymedia Linksunten für rechtswidrig erklärt.“
  • Ich hatte zwar Monate später keinen Anlaß diese beiden Informationen noch einmal zu wiederholen, aber mache mir diese beiden Sätze an dieser Stelle gerne zu eigen. Sie hätten ohne weiteres auch in meinem Artikel stehen können, wenn mir mehr Platz für meinen Artikel zur Verfügung gestanden ist.
  • Der Artikel des Kollegen Kienert ist mit einem Foto bebildert, auf dem eine Hauswand mit der Parole „Wir sind alle linksunten.indymedia“ zu sehen ist.
  • Mein Artikel ist mit einem Foto bebildert, auf dem das (((i)))-Symbole des internationalen indymedia-Verbundes zu sehen ist.
  • Der Artikel Kienerts ist mit der Dachzeile, „Linke Medienarbeit ist nicht kriminell!“, versehen.
  • Ich berichtete in meinem Artikel, ohne mich von dem Berichteten zu distanzieren: „Die Bloggerin Detlef Georgia Schulze, die sich gegen das Verbot der linken Plattform einsetzte, sieht im Gespräch mit der taz keine juristischen Hindernisse, mit einem neuen Herausgeber*innenkreis Indymedia-Linksunten wieder zu reaktivieren. ‚Dass dies noch nicht geschehen ist, ist vorrangig ein praktisches oder politisches Problem und nur nachrangig ein juristisches‘, betont Schulze.“Ich distanzierte mich nicht nur nicht von den Äußerungen Schulzes, sondern gab meinem Artikel eine Unterüberschrift, deren Ende sich auf die Äußerung Schulzes bezog: „Die letzte Klage gegen das Verbot der linken Medienplattform Indymedia ist abgelehnt worden. Weiter geht’s vielleicht trotzdem.
  • Der Kollege Kienert berichtete in der zitierten Weise noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Gegenstand meines Artikels war – also zu einem Zeitpunkt, wo ein Erfolg der Verfassungsbeschwerden noch möglich denkbar war.
  • Ich berichtete dagegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, distanzierte mich aber trotzdem nichtvon der von mir zitierten Äußerung Schulzes.LeserInnen, die meine Texte zum Fall „linksunten“ genauer verfolgen, wissen auch, daß ich bereits unmittelbar nach dem Verbot zusammen mit Schulze sowie dem Kollegen Achim Schill eine Protesterklärung gegen das Verbotmit der Überschrift, „#linksunten: Solidarisch zu sein, heißt: sich dem Verbot zu widersetzen“, veröffentlicht hatte. Aus Anlaß der Durchsuchung bei Radio Dreyeckland im Januar diesen Jahres bekräftigten wir gemeinsam:„WIR ALLE DREI bleiben weiterhin bei
    • unserer (analytischen) Überzeugung:„die fragliche internet-Seite war nicht eine Homepage, auf der sich ein Verein selbstdargestellt hätte, sondern ein elektronisches Presseerzeugnis, in dem – jedenfalls vor allem – Personen publizierten, die nicht Mitglieder des vermeintlichen Vereins waren.“(https://web.archive.org/web/20220129010442/https://de.indymedia.org/sites/default/files/2018/10/Unteilbar-Flugi.pdf)und
    • unserer politischen Meinung:‚Wir möchten […] linksunten in seiner ganzen Pluralität – von links-militant bis pazifistisch-sozial-bewegt – wieder haben.‘

Mein taz-Artikel vom 31.03.2023 darf gerne im Kontext dieser früheren Äußerungen von mir (zusammen mit Schill und Schulze) interpretiert werden.

Ich habe in meinem Artikel auch nicht nur KritikerInnen des Verbots zitiert, sondern schrieb auch selbst: „Die zentrale Frage der Pressefreiheit im Netz bleibt unbeantwortet.“ Auch dieser Satz ist zwar deskriptiv und wahr – aber er darf gerne zur These verlängert werden: Something is rotten in the state of Germany.