„Müssten Notstand zum Alltag machen, oder?“: Corona-Kritiker packt „Irrationale“ und Antifa hart an

„Es gibt keine zweite Welle, sondern Corona ist eine Dauerwelle. Was es braucht, ist scharfe Kritik an den irrationalen staatlichen Zwangsmaßnahmen“, so die Autoren des Buches „Corona und die Demokratie. Eine linke Kritik“ vor der Demo am 1. August. Der Co-Autor Peter Nowak erklärt im Sputnik-Gespräch, wie „echter“ linker Protest aussehen sollte.

Die Ankündigung einer neuen Corona-Welle durch die PolitikerInnen und Medien sei medizinisch mehr als zweifelhaft: man möchte die Menschen dadurch nur auf auf weitere Einschränkungen von Grundrechten vorbereiten, so der Bremer Sozialpädagoge Gerald Grüneklee, Antisemitismusforscher Dr. Clemens Heni und Journalist Peter Nowak in einer gemeinsamen Erklärung. Sie verstehen sich als „eine dritte Kraft“, ein Gegenpol zu den rechten und antisemitischen Aufmärschen, „den irrationalen Kräften“, aber auch zu den Linksradikalen wie der Antifa – also eine dritte Kraft für „bestimmte Tendenzen“. Auch würde man die Proteste nicht als links bezeichnen, obwohl manche Teilnehmer sich da als Linke verstehen würden, so Nowak gegenüber Sputnik. Was meint er?

Grundsätzlich befürwortet dieses intellektuelle „Trio“ den antifaschistischen Protest gegen Rechte und Antisemiten. In diesem Sinne sei auch „der demokratische Widerstand“ von Anselm Lenz am Anfang, der sich von Rechts distanziert habe, noch ein sozialer linker Protest gewesen. Doch wenn dann mehr und mehr „Spinner, Rechte und Impfgegner“ kämen, war es aus Nowaks Sicht bei der Antifa falsch und „eine große Schwachstelle“, nur „Abstand vor Rechts“ in den Aufruf zu schreiben, wo es eigentlich hätte heißen sollen:

Abstand nicht nur zu den Rechten, aber auch zu der autoritären Staatlichkeit halten“.

Stattdessen sage die Antifa fast das Gleiche, was von allen möglichen staatlichen Stellen schon gesagt worden sei, behauptet Nowak. Grosse Teile der antifaschistischen Bewegung seien „leider“ staatstragend geworden.

„Ab wann verharmlost man aber das Virus?“

Der Sputnik-Redaktionsleiter Andreas Peter berichtete vor kurzem von einer merkwürdigen Erfahrung mit einem Fotografierverbot durch das „Berliner Bündnis Gegen Rechts“, einer antifaschistischen Bewegung, die „Solidarität statt rechter Hetze“ auf seinen Transparent in Frakturschrift schrieb – ein Stil, der mit Vorliebe im Dritten Reich benutzt wurde. Nowak schließe hier nicht aus, dass es als eine Art Karikatur gemeint gewesen sei. Was er aber mehr an der antifaschistischen Bewegung in der Corona-Krise kritisiert, ist deren teilweise große Vorliebe für den Begriff „Corona-Leugner“. Bei der Bezeichnung „Holocaust-Leugner“ sei es verständlicherweise ein moralischer und justiziabler Begriff für ein geschehenes Verbrechen, so der Sputnik-Gesprächspartner. In der Corona-Krise aber sei „Corona-Leugner“ vom dem Bestreben geleitet, undifferenziert jede Kritik an den Maßnahmen zu diffamieren oder als lächerlich abzutun („Covidioten“, „Aluhut-Träger“), schreiben die drei Autoren weiter zu den Demos. Damit sei diese pauschale, abwertende „Kritik“ der Kritik im Kern selbst denunziatisch und antiaufklärerisch. „Ab wann verharmlost man aber das Virus?“, will er wissen. Nach seinem Eindruck behaupten nur einige Protestler, dass es überhaupt kein Coronavirus gebe, die meisten Demonstranten meinen dagegen, dass es weniger gefährlich oder nicht gefährlicher als die Grippe sei. Nowak selbst bevorzuge deswegen lieber den Begriff „Irrationalismus“.

Ein Protest gegen die „autoritäre Staatlichkeit“ – wäre das nicht eine Anknüpfung an die rechte Corona-Kritik? Auch die AfD lehne den „Polizeistaat“ ab, und letztendlich würden fast alle Protestler beinahe das Gleiche fordern: eine Aufhebung der Corona-Maßnahmen, was die Linke-Chefin Katja Kipping kürzlich als Aufruf zur „Rücksichtslosigkeit“ kritisierte. Ein wichtiger Unterschied der linken Kritik sei die Frage der Einschätzung zu Medizin und Wissenschaft, argumentiert Nowak. Der Journalist, der sich als parteiloser Linker verstehe, sei persönlich ein Impfbefürworter. Eine linke Antwort auf die Pandemie als Staatspolitik wäre aus seiner Sicht vor allem ein Ausbau der Gesundheitssysteme, damit „die Menschen medizinisch gerettet werden und nicht jeder einzelne die Verantwortung für die anderen übernehmen soll“.

„Am Anfang wurde ganz klar gesagt, dass das nicht passiert“

Auch geht es den linken Protestlern, dem Gegenpol, für seine Begriffe nicht nur um die Proteste gegen die Corona-Einschränkungen, sondern alleine um das Recht, auf dem Arbeitsplatz zu protestieren – etwa für die besseren Arbeitsbedingungen. Kritisch sieht er auch, dass grosse Veranstaltungen erstmal nicht genehmigt werden können, wenn absehbar ist, dass die Menschen nicht die Hygiene-Konzepte umsetzen würden. Viele Politiker, darunter CDU-Innenexperte Armin Schuster und der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), forderten nach der großen Demo am Samstag noch mehr Restriktionen. Auch bemängelt Nowak, dass etwa die jungen Menschen wegen jeglicher Freizeitaktivitäten in den Clubs oder im Freien in den Medien immer öfter dafür verantwortlich gemacht würden, dass andere deswegen sterben, worauf Forderungen nach Restriktionen ebenfalls folgen würden. „Dass man sagt, jemand ist ein Virusüberträger, heisst es, dass es justiziar bestraft werden muss? Es gibt natürlich Krankheiten, wo Leute bestraft werden wie bei AIDS, aber bei Grippe war es bisher kein Strafbestandteil“, betont Nowak. Statt die Virusüberträger wie Straftäter zu behandeln und eine Bereitschaft für „noch mehr autoritäre Staatlichkeit zu zeigen“, müsste man lieber auf medizinische Lösungen setzen.

Vor allem der bayerische Regierungschef Markus Söder ist einer, der meine, die zweite Corona-Welle schleiche schon durch Deutschland, und diesbezüglich weitere Lockerungen ablehne. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte höhere Strafen bei Verstößen gegen die Corona-Regeln. Ob die beiden Herren auch für eine „autoritäre Staatlichkeit“ stehen? „Natürlich gibt es dafür keinen Plan, aber die zweite Welle wird dafür einfach genutzt“, kontert Nowak. Dass die Polizei zudem jetzt doch Zugriff auf die Listen der Gaststätten für die Nachverfolgung der Infektionsketten haben möchte, halte er für eine verlogene Position, denn „am Anfang wurde ganz klar gesagt, dass das nicht passiert.“ Neben der Krankheit sehe Nowak auch in der Klimabewegung „eine gute Gelegenheit für die autoritäre Staatlichkeit“:

„Sie argumentieren so, dass die CO2 eine Katastrophe sei und der Staat gegen die CO2 genauso hart vorgehen muss, wie gegen das Corona. Müssten wir dann den Notstand zum Alltag machen, oder? Der Notstand ist kein Begriff, den die Linke positiv verwendet, sondern war immer etwas, was man abwehren wollte, wie beim Notstand der Demokratie.“

Der Linkspartei wirft Nowak vor, ihrerzeit nicht genug zu den Diskussionen über die Legitimität der Corona-Maßnahmen beigetragen zu haben. Die Innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, schrieb zwar im Mai, man habe jahrzehntelang vor den Notstandsgesetzen als großer Gefahr für die Demokratie gewarnt, und reibe sich jetzt verwundert die Augen, welcher Demokratieabbau mit dem Infektionsschutzgesetz möglich sei – ansonsten habe Nowak keine seriöse Corona-Kritik von der Linke mitbekommen. 

Rein juristisch gesehen habe man in Deutschland aber auf die Notstandsgesetze verzichtet. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Andrej Hunko, der mittelstandspolitische Sprecher Diether Dehm und die Ex-Vorsitzende der Fraktion, Sahra Wagenknecht, haben die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen scharf kritisiert.

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Von Liudmila Kotlyarova Sputniknews