Seit 1998 ist der Soziologe Mitherausgeber der monatlich erscheinenden Graswurzelrevolution (gwr), deren Markenkern die Ablehnung jeglicher Gewalt ist. „Die Zeitung unterstützt …
„Schon entdeckt: Graswurzelrevolution“ weiterlesenSchlagwort: Bernd Drücke
Ruf nach AfD-Verbot: Kampf gegen Rechts oder Angst vor Machtverlust?
Hiobsbotschaft für die sächsische SPD: Laut einer Umfrage könnte sie bei den anstehenden Landtagswahlen nur noch drei Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Sie würde also aus dem Landtag fliegen. Und was fällt der sächsischen SPD-Spitzenkandidatin ein? Man müsse über ein AfD-Verbot nachdenken. Die AfD sei eine Gefahr, weil sie stark sei, sagt …
„Ruf nach AfD-Verbot: Kampf gegen Rechts oder Angst vor Machtverlust?“ weiterlesenDeep-Fake-Fail: Ein Video, Olaf Scholz und eine gefährliche Wendung
„Ich wende mich heute an Sie, weil unser Land einer schweren Bedrohung ausgesetzt ist“ – Mit diesem ernsten Satz richtet sich ein Mann an die Bevölkerung, der nicht nur wie Olaf Scholz aussieht, sondern auch dessen Stimme hat. Es handelt sich jedoch um ein Video, das mithilfe Künstlicher Intelligenz vom Zentrum für Politische Schönheit erstellt wurde, um die Kampagne für ein Verbot der AfD zu unterstützen. In dem Video erklärt das Scholz-Double, dass zum Jahrestag des Mords an …
„Deep-Fake-Fail: Ein Video, Olaf Scholz und eine gefährliche Wendung“ weiterlesenBerliner Verfassungsschutz im Kampfmodus: Extrem ist, gegen Krieg zu sein
Heftige Kritik übt Jan Hansen an dem Ende Juni veröffentlichten Berliner Verfassungsschutzbericht. „Der Berliner Verfassungsschutz beobachtet ausgerechnet eine der wenigen Organisationen aus der Friedensbewegung, die sich vom Beginn der russischen Invasion an gegen den verbrecherischen Angriffskrieg stellt“, moniert der Aktivist der Antimilitaristischen Aktion Berlin (Amab) gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland. Die Gruppe junger Antimilitaristen und Pazifisten hat wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine unter dem Motto …
„Berliner Verfassungsschutz im Kampfmodus: Extrem ist, gegen Krieg zu sein“ weiterlesen»Werft Eure Geschichte nicht weg«
»Post bitte beim Knüllermarkt abgeben«, steht auf einem kleinen Schild an der Wand eines Gebäudes in der Duisburger Innenstadt. Es ist im Architekturstil der 70er Jahre gebaut und ähnelt einem Bunker. »Willkommen im Archiv für Alternatives Schrifttum«, sagt Bernd Drücke zum Empfang im zweiten Stock. Dort sehen die Besucher*innen erst einmal zahlreiche Kartons mit Plastikblumen, Perücken und anderem Inventar des Billigmarktes, bis sie in einen Flur mit Plakaten aus der feministischen und ökologischen Bewegung der letzten Jahrzehnte kommen. Auf den Tischen liegen …
„»Werft Eure Geschichte nicht weg«“ weiterlesenGegen Gewalt, für Emanzipation von unten
Pazifist*innen haben es in Kriegszeiten be sonders schwer. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine werden alle, die vor immer mehr Militär und Aufrüs tung warnen, als Putin-Versteher*innen diffamiert. Der Blogger Sascha Lobo polemisierte im »Spiegel« sogar gegen einen angeblichen Lumpen-Pazifismus. Bernd Drücke hingegen sieht sich durch die Ereignisse in Osteuropa in seiner konsequenten Antikriegshaltung bestätigt. »Jeder Krieg ist für uns ein Verbrechen an der Menschheit, und wir kämpfen mit di rekten gewaltfreien Aktionen und Agitation dafür, alle Kriege zu stoppen«, sagt der Soziologe, der in den 1990er Jahren …
„Gegen Gewalt, für Emanzipation von unten“ weiterlesenKein deutsches Wir
»Frieden« steht auf einem großen Banner über dem Eingang der Bundeszen trale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin. Ein schlichtes Wort, das aber in diesen Zeiten, in denen überall Kriegslärm erschallt und Kriti ker*innen einer weiteren Aufrüstung des Verrats am Vaterland bezichtigt werden, als Zeichen der Vernunft gelten kann. Der langjährige Verdi-Vor sitzende Frank Bsirske gab übrigens als Bundestagsabgeordneter der Grünen von Anfang an Widerworte gegen den Aufrüstungskurs der Bundesregierung: Die Welt wird nicht friedlicher, indem man die Rüstungsspirale immer weiter dreht. Diese simple Erkennt nis der Friedensbewegung hat nichts an Wahrheit verloren, auch wenn manche frischgebackene Nato-Linke es heute nicht mehr hören wollen.Vor diesem Hintergrund war es erfreulich, dass sich Kriegsgegner*innen …
„Kein deutsches Wir“ weiterlesenPazifismus als Markenkern
Die Zeitung Graswurzelrevolution (gwr) feierte stilgerecht auf der Anarchistischen Buchmesse in Mannheim ihren 50. Geburtstag. Für sie ist ein konsequenter Pazifismus seit 50 Jahren der Markenkern, ihre GründerInnen sind gewaltfreie SozialistInnen um Wolfgang Hertle, Wolfgang Zucht und Helga Weber. Sie wollten Gewaltfreiheit und libertären Sozialismus verbinden. Heute wird in der Zeitung allmonatlich über Arbeits- und Mietkämpfe, aber auch antifaschistische Aktionen berichtet. In den letzten Jahren widmete sich die Zeitung auch verstärkt feministischen Themen. Ihre Hoch-Zeit hatte die gwr als Teil der …
.Die Normalisierung des Militärischen in Deutschland
Im Bundestag übte man sich 16. Dezember in Symbolpolitik und stritt über die Sitzordnung. Die neue Bundesregierung setzte mit ihrer Mehrheit durch, dass die FDP in die Mitte zwischen SPD und Grüne rückt und folglich die Unionsparteien neben der AfD sitzen müssen. Es war eine Lektion in Gesäßpolitik mit karnevalesken Anklängen, die natürlich die AfD am besten nutzen konnte. Sie kann sich ihren Anhängern weiterhin als ausgegrenzte Partei präsentieren, neben der niemand sitzen will. Vielleicht liegt das Fremdeln der Union mit der neuen Sitzordnung schlicht daran, dass sie einen Grundsatz ihres ehemaligen Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß …
„Die Normalisierung des Militärischen in Deutschland“ weiterlesenMünster behält Gedenkort für Paul Wulf
Die Stadt Münster wird den Gedenkort an Paul Wulf dauerhaft erhalten. Das hat die Bezirksvertretung Münster-Mitte Ende Juni einstimmig beschlossen. Damit geht ein jahrelanger Streit um die lebensgroße Wulf-Skulptur am Münsteraner Servatiiplatz zu Ende. Sie wurde 2007 im Rahmen einer Skulpturenausstellung von der Künstlerin Silke Wagner gestaltet. Der Kopf ist dem Konterfei von Paul Wulf nachempfunden. Der Körper ist im Rahmen einer Litfaßsäule gestaltet, auf der in regelmäßigen Abständen Flugschriften zu aktuellen politischen Themen zu lesen sind. Für die Wechselplakatierung und Betreuung der Internetseite stellt die Bezirksvertretung jährlich 5000 Euro zur Verfügung. 2012 wurde nach Paul Wulf ein Weg in Münster benannt – späte Ehrung für einen, der im Nationalsozialismus als ….
„Münster behält Gedenkort für Paul Wulf“ weiterlesenAlle reden über den Kampf gegen den Hass …
Die geplanten Gesetzesverschärfungen nach den rechten Anschlägen der letzten Wochen nehmen Gestalt an. Sie werden als …..
„Alle reden über den Kampf gegen den Hass …“ weiterlesenWirbel um die »Anarcho-Postille«
»Bild« und AfD hetzen gegen die »Graswurzelrevolution«, weil der Verfassungsschutz Thüringen aus einem Text zitiert, der dort erschienen ist
Die Monatszeitung »Graswurzelrevolution« (»gwr«) gibt es seit mehr als 40 Jahren. Der verantwortliche Redakteur Bernd Drücke hat in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, die Publikation in der linken Öffentlichkeit bekannt zu machen. Doch auf die Aufmerksamkeit, die die »gwr« seit einigen Tagen bekommt, hätte er wohl gerne verzichtet. Die AfD hetzt auf Twitter gegen die »linksextreme Anarchopostille« und verlinkt einen Bericht der »Bild«, in dem es heißt: »Die Anarcho-Postille kämpft seit 1972 für die Abschaffung unseres Staates und wurde früher selbst vom Verfassungsschutz beobachtet und als ›linksextrem‹ eingestuft.« Auf die aus journalistischer Sicht naheliegende Idee, bei der so geschmähten Publikation eine Stellungnahme einzuholen, kam bei »Bild« niemand.
Der Grund für die plötzliche Aufmerksamkeit gegenüber der Zeitschrift ist ein Artikel, in dem der Sozialwissenschaftler Andreas Kemper ein jüngst erschienenes Buch des AfD-Politikers Björn Höcke analysiert hat. »Nie zweimal in dem selben Fluss« lautet der Titel. Dort präsentiert Höcke in Form eines Interviews seine Vision eines europäischen Großraums mit Deutschland als Kraftzentrum. »Das Lesen dieses Buches bestätigt den Gesamteindruck einer faschistischen Agenda«, so das Fazit von Kemper. Sein bereits Anfang September in »gwr« erschienener Text wurde erst zum Politikum, nachdem der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, daraus zitierte, um zu begründen, warum Höcke und sein Flügel in der AfD von der Behörde beobachtet werden sollen. Zunächst nannte Kramer aber weder den Autor noch die Zeitung, die den Text veröffentlichte. Dafür hat er sich mittlerweile bei Kemper entschuldigt. Die AfD-Thüringen fordert jetzt Kramers Rücktritt, auch die Bundespartei hat sich dieser Forderung angeschlossen.
Für Kemper und die »gwr« hat die Kampagne Folgen. »Andreas Kemper hat dieser Tage zu Hause einen Anruf erhalten, die Person am anderen Ende der Leitung hat ›Heil Hitler, du Schwein‹ gerufen und wieder aufgelegt. Bei uns in der Redaktion sind auch einige Hassbotschaften eingegangen«, erklärt »gwr«-Redakteur Drücke gegenüber »nd«.
Kemper ist den Rechten schon lange verhasst. Er hatte bereits im vergangenen Jahr eine Analyse verfasst, in der er die These vertritt, dass Höcke unter dem Pseudonym Landolf Ladig in Neonazi-Postillen Texte veröffentlicht hatte. Höcke bestreitet das, ist aber nicht juristisch gegen Kemper vorgegangen. Der AfD-Bundesvorstand unter Frauke Petry hatte unter anderem mit Kempers Text seinen mittlerweile zurückgezogenen Ausschlussantrag begründet.
Dass nun auch der Verfassungsschutz sich ihres Materials bedient, nehmen Kemper und Drücke gelassen. »Ich fordere weiterhin die Auflösung aller Geheimdienste, aber ich sehe auch den Unterschied zwischen Maaßen und einem liberalen Sozialdemokraten wie Stephan Kramer«, so Drücke gegenüber »nd«. Zudem zeige die Angelegenheit, dass man keine Geheimdienste brauche, um etwas über die rechte Ideologie der AfD zu erfahren. Schließlich hat Kemper seine Analysen über Höcke lediglich auf allgemein zugängliche Quellen gestützt. Er war bislang auch der einzige Autor, der sich mit Höckes Buch auseinandergesetzt hat. Wenn Kramer aus diesen Arbeiten zitieren muss, um eine mögliche Beobachtung von Teilen der AfD zu begründen, mache er eigentlich schon deutlich, dass seine Behörde überflüssig ist.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1101575.wirbel-um-die-anarcho-postille.html
Peter Nowak
Kunst, mitten ins Leben gesetzt
Münsters Skulpturenschau läuft noch bis zum 1. Oktober
Derzeit trifft man in der Universität Münster (Nordrhein-Westfalen) immer wieder Menschen, die mit einem Stadtplan in der Hand ihre Umgebung absuchen. Es sind Besucher der fünften Skulpturenausstellung – noch bis zum 1. Oktober können Projekte von 38 internationalen Künstlern, die in der ganzen Stadt verteilt sind, besichtigt werden. So hat der in Paris geborene und in den USA lebende Künstler Pierre Huyghe in einer ehemaligen Eissporthalle am Stadtrand in einer Landschaft aus Ton, Sand, Styropor und Wasser ein Biotop geschaffen. Bienen fliegen dort herum und in einem Terrarium lebt ein Krebs, dessen Geräusche mit einem Verstärker die gesamte Halle beschallen.
Wer die Installation der Münchner Künstlerin Hito Steyerl kennenlernen will, muss das Foyer der Westdeutschen Landesbank besuchen. In kurzen Videos wird gezeigt, wie Roboter auf ihre Stabilität getestet werden. In einem weiteren Video wird die Rolle der Computertechnologie bei der Zerstörung der Altstadt von Diyarbakir durch die türkische Armee im letzten Jahr untersucht.
Der nigerianische Künstler Emega Ogboh hat an einer Unterführung neben dem Münsteraner Hauptbahnhof Lautsprecher aufgestellt, in denen avantgardistische Musik zu hören ist. Doch ein Großteil der Passanten nimmt sie gar nicht wahr. Seit der ersten Skulpturenausstellung im Jahr 1977 gehört es zum Grundsatz, die Kunst dort hinzubringen, wo sich die Menschen täglich aufhalten – also eben nicht in Museen und Galerien.
Auch kann man auf der Wiese vor dem Aasee, in Parks und auf Plätzen noch Skulpturen aus den vergangenen vier Ausstellungen sehen. Denn einige Installationen bleiben der Stadt erhalten. Schon heute wird deshalb in den regionalen Zeitungen, aber auch unter den Ausstellungsbesuchern rege debattiert, welches Kunstwerk der aktuellen Ausstellung auf keinen Fall verschwinden soll. Die Landschafts-Installation von Piere Huyghe etwa hat keine Chance zu bleiben, weil es für die alte Eissporthalle, in der sie zu sehen ist, schon einen Abrisstermin gibt.
Um ein Exponat, das von der vierten Skulpturenmesse im Jahr 2007 stehen blieb, gab es von Anfang an politische Auseinandersetzungen. Die überlebensgroße Figur ganz in der Nähe des Münsteraner Hauptbahnhof erinnert an den 1999 verstorbenen Autodidakten Paul Wulf. Er wuchs in einem Kinderheim auf, wo er während der Herrschaft der Nazis im Alter von 16 Jahren ohne Betäubung zwangssterilisiert wurde. In der Nachkriegszeit engagierte sich der gesundheitlich schwer angeschlagene und gesellschaftlich weiter stigmatisierte Mann in der außerparlamentarischen Linken von Münster. Davon berichten die regelmäßig erneuerten Plakate auf der Wulf-Skulptur – Texte zum Kampf gegen AKW, gegen Zwangssterilisierung und gegen alte und neue Nazis. Das waren die Themen, mit denen sich Wulf beschäftigte.
Seit zehn Jahren nun steht die Wulf-Figur am Rande des Stadtzentrums Münsters. Zunächst wollten CDU und FDP im Kulturausschuss verhindern, dass sie überhaupt erhalten bleibt. Sie mussten nachgeben, weil ein großer Teil der Ausstellungsbesucher von 2007 diese Figur zum beliebtesten Exponat erkoren hatte. Doch ob es dabei bleibt, ist unklar. »Noch immer ist der dauerhafte Erhalt der Wulf-Figur nicht gesichert«, beklagt Bernd Drücke vom Freundeskreis Paul Wulf gegenüber »nd«. Er setzt sich für einen dauerhaften Erhalt des Gedenkortes für den Verfolgten des NS-Regimes ein.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1064881.kunst-mitten-ins-leben-gesetzt.html
Peter Nowak
Feiern statt feuern
45 Jahre »Graswurzelrevolution«
Die »Graswurzelrevolution« feiert ihren 45. Geburtstag. Sie ist das einzige anarchistische Printmedium des Landes.
Vielleicht hat sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Winfried Nachtwei, um die linke Publizistik verdient gemacht – auch wenn es gar nicht seine Intention war. 2001, als die Grünen zumindest im westfälischen Münster noch eine gewisse Distanz zur Bundeswehr ausdrücken wollten, geriet er mit einem Lehrbeauftragten der Universität aneinander. Bernd Drücke, tätig am Institut für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität, beschuldigte Nachtwei, bei einem großen Zapfenstreich der Bundeswehr auf der Bühne gestanden zu haben. Nachtwei bestritt das vehement, bezichtigte Drücke der Verleumdung – und musste schließlich doch zugeben, dass der Soziologe die Wahrheit gesagt hatte. Was nichts daran änderte, dass man am Lehrstuhl gründlich angefressen war. Einige, die in der akademischen Hierarchie über Drücke standen, betrachteten es als Majestätsbeleidigung, einen Politiker der Grünen öffentlich vorzuführen. Drücke flog raus, er verlor seine Stelle am Lehrstuhl für Soziologie und konzentrierte sich fortan ganz auf seine journalistische Tätigkeit bei einer Zeitschrift, für die der Anarchist und Pazifist regelmäßig Artikel geschrieben hatte: die Graswurzelrevolution – kurz auch GWR genannt.
Bis heute ist Drücke verantwortlicher Redakteur der GWR. Sicherlich ist es zum großen Teil sein Verdienst, dass das Monatsblatt bald seinen 45. Geburtstag feiern kann. Die Nullnummer der GWR erschien im Juni 1972.
Mit ihrer strikten Ablehnung jeglicher Gewalt hat sich die »GWR« auch bei Teilen der radikalen Linken Kritik eingehandelt.
Drücke hat dafür gesorgt, dass die Zeitschrift, deren Titel nach einer Mischung aus Guerilla Gardening und Landkommune klingt, auch von Kulturlinken und marxistischen Ideologiekritikern gelesen wird. Überhaupt ist das Blatt berüchtigt für diesen Spagat. In der aktuellen Ausgabe, der 419., berichten zwei Kommunen aus ihrem Alltag. Wenige Seiten weiter beschäftigt sich ein hochkomplexer Text mit der Kritik an Gewalt und im hinteren Teil der Ausgabe sind philosophisch unterfütterte Diskussionsbeiträge zu der Frage abgedruckt, ob es eine Natur des Menschen gebe. Das glaubten bekannte Anarchisten wie Pjotr Kropotkin, die der Ansicht waren, der Mensch sehne sich von Natur aus nach Freiheit und selbstbestimmten Kollektiven. Andere widersprachen vehement und warnten, dass Anarchisten mit unbewiesenen anthropologischen Grundannahmen ihrer Sache eher schadeten als nützten.
Doch nicht nur Themen, die die anarchistische Szene im engeren Sinne betreffen, werden in der GWR diskutiert. So hat Jens Kastner in der Ausgabe vom Dezember 2016 die postkolonialistische Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak wegen ihres Antizionismus heftig kritisiert. Für Drücke ist diese Mischung aus Kommunebericht und Theorie Programm.
»Es gibt in der undogmatischen linken Szene einen Bedarf sowohl nach libertärsozialistischen Theorien und Utopien als auch nach Gegenöffentlichkeit und kontroverser Diskussion«, sagt er der Jungle World. »Wir versuchen, das als Sprachrohr gewaltfreier, anarchistischer, antimilitaristischer, profeministischer und anderer sozialer Bewegungen abzudecken.« Ein schwarzroter Faden, der sich durch sämtliche Ausgabe zieht, ist der Antimilitarismus: »Kritik an Kriegseinsätzen und Aufrüstung suchen wir in den meisten Medien vergeblich. Wir wollen der militaristischen Propaganda etwas entgegensetzen«, schreibt Drücke im Editorial der Mai-Ausgabe. Es folgt unter anderem ein Beitrag über die Pläne, die Wehrpflicht in Frankreich wieder einzuführen. Ein Vorhaben, das nicht nur von Marine Le Pen und Emmanuel Macron, sondern auch vom linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon unterstützt wird. Die GWR widmet sich diesem Thema in einer Ausführlichkeit, die im deutschsprachigen Raum einzigartig sein dürfte.
Das liegt auch an der Geschichte dieses Mediums. Die 1972 gegründete GWR hatte ein politisches Anliegen, das einige Autoren auf den Libertären Tagen, einem bundesweiten Anarchistentreffen 1993 in Frankfurt am Main, so beschrieben: »Die Zeitung GWR war mit dem Ziel angetreten‚ den Zusammenhang zwischen den beiden konsequentesten Handlungsansätzen gegen Herrschaft und Gewalt, zwischen Gewaltfreiheit und libertärem Sozialismus, aufzuzeigen und dazu beizutragen, dass die pazifistische Bewegung sozialistisch und die linkssozialistische Bewegung in ihren Kampfformen gewaltfrei werde.«
Über mehrere Jahre war die GWR eng mit der Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) verbunden. 1980 als bundesweites Netzwerk anarchopazifistischer Gruppen mit antimilitaristischem Schwerpunkt gegründet, wurde die FöGA vom Verfassungsschutz als »größte anarchistische Organisation der Nachkriegszeit« bezeichnet. Von 1981 bis 1988 gab sie die GWR heraus, beteiligte sich an der Antiraketenbewegung in den achtziger Jahren und nutzte gewaltfreie Aktionen wie Sitzblockaden. Von der Krise der gesamten Friedensbewegung blieb sie nicht verschont. 1997 löste sich die FöGA ausgerechnet in einer Zeit auf, in der Deutschland wieder begonnen hatte, offen Kriege zu fühen. Die GWR, die seitdem von einem unabhängigen Kreis von etwa 45 Personen herausgegeben wird und alle Entscheidungen basisdemokratisch fällt, setzt die Kritik am Militarismus in Staat, Gesellschaft und auch in der Linken konsequent fort.
Dabei landet Drücke gerne mal zwischen allen Stühlen, wie er am Beispiel des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland aufzeigt: »Wir lassen Anarchisten und Antimilitaristen aus Russland und der Ukraine zu Wort kommen, unterstützen die Deserteure und Verweigerer aller Kriegsparteien und agitieren sowohl gegen das homophob-autoritäre Putin-Regime als auch gegen Nato, EU, ukrainische und ostukrainische Nationalisten.« So vermittelt die GWR auch jüngeren Lesern eine Vorstellung von einer antimilitaristischen Bewegung, die sich vom Mainstream der deutschen Friedensbewegung, deren Hauptfeind noch immer die USA sind, unterscheidet.
Mit ihrer strikten Ablehnung jeglicher Gewalt hat sich die GWR auch bei einigen radikalen Linken Kritik eingehandelt. Heute sind es aber nicht mehr primär die Militanzdebatten, die harsche Leserreaktionen hervorrufen. »Auf unsere Beiträge zum Thema Critical Whiteness gab es sowohl positive als auch negative Rückmeldungen«, berichtet Drücke. Solche Auseinandersetzungen bewertet er positiv. »Die anarchistisch-gewaltfreie, profeministische Lupe ist manchmal auch ein gutes Hilfsmittel gegen Sektierertum, damit das Denken die Richtung wechseln kann«, so Drücke. Er ist optimistisch, dass die GWR in Zukunft eine noch größere Rolle als Stimme gegen die herrschenden Verhältnisse spielen wird. Schließlich haben die beiden anderen größeren anarchistischen Printmedien ihr Erscheinen mittlerweile eingestellt. Die Publikation Schwarzer Faden gibt es bereits seit 2004 nicht mehr. Im vergangenen Jahr hat auch die Direkte Aktion, die Zeitung der FAU, ihre Printausgabe eingestellt. Die Entscheidung wird von Drücke noch heute heftig kritisiert.
In der kommenden Ausgabe der GWR, die am 8. Juni erscheint, wird es einen Schwerpunkt zum 45. Geburtstag der Zeitschrift geben. Die Jungle World gratuliert recht herzlich.
https://jungle.world/artikel/2017/22/feiern-statt-feuern
Peter Nowak
Hinweis auf den Artikel im Editorial der gwr:
http://www.graswurzel.net/420/
45 Years After
Presserummel im GWR-Büro
Liebe Leserinnen und Leser,
im Juni 1972 erschien die Nullnummer der Graswurzelrevolution. Heute, 45 Jahre später, haben wir für Euch aus diesem Anlass eine dicke Jubiläumsausgabe mit 28 statt 24 Seiten im Berliner Tageszeitungsformat produziert.
In den 45 Erscheinungsjahren stand die GWR selten so im Fokus anderer Medien wie heute.
In den letzten Wochen tummelten sich mehrere Zeitungs-, Fernseh- und RadiomacherInnen in unserem kleinen Redaktionsbüro in Münster. Der WDR, NRWision-TV (1), Antenne Münster, die Westfälischen Nachrichten, Radio Q, diverse Bürgerfunk- und Video-Gruppen (2) berichteten unter anderem über den von uns initiierten ersten FreeDeniz-Fahrradkorso für die Pressefreiheit (vgl. GWR 418) oder über Veranstaltungen mit GWR-Beteiligung. (3)
Eine mexikanische Filmemacherin und ein US-amerikanischer Kameramann führten im Mai auf Englisch ein langes Interview u.a. zur GWR-Geschichte mit mir. Der Film ist eine Uni-Arbeit und soll bald auch auf youtube zu sehen sein.
Der WDR besuchte zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen für mehrere Stunden das GWR-Büro und machte für die Aktuelle Stunde (Lokalzeit Münsterland) einen Fernsehbeitrag zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai (4).
Die taz erwähnte am 31. Mai 2017 in ihren Schwerpunkt zum Thema Gegenöffentlichkeit unter dem Titel „Eine ganz andere Sicht. Geschichte linker Medien im Überblick“ u.a. auch die GWR:
„Von den Achtundsechzigern über Spontis bis zur Frauenbewegung entstanden teilweise mythenhafte, sagenumwobene Publikationen. Manche Blätter starben jung, andere hielten sich bis heute und neue kamen dazu. (…) Die Graswurzelrevolution lebt seit 1972, erscheint monatlich und wird mit Text von Menschen aus aller Welt befüllt, die dem losen Autor*innennetzwerk angehören. Diese arbeiten an einer ‚tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzung‘ und ‚für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft‘. In großen Buchstaben schreibt die Zeitung Antimilitarismus und Ökologie auf ihre Fahnen.“ (5)
Die linke Wochenzeitung Jungle World widmete in ihrer Ausgabe vom 1. Juni 2017 der GWR zwei Seiten, die insbesondere den grünen Ex-MdB Winfried Nachtwei aus Münster und seine Fans nicht erfreuen werden. Die Graswurzelrevolution, „deren Titel nach einer Mischung aus Guerilla Gardening und Landkommune“ klinge, werde „auch von Kulturlinken und marxistischen Ideologiekritikern gelesen“, so die Jungle World. Überhaupt sei die GWR „berüchtigt für diesen Spagat. In der aktuellen Ausgabe, der 419., berichten zwei Kommunen aus ihrem Alltag. Wenige Seiten weiter beschäftigt sich ein hochkomplexer Text mit der Kritik an Gewalt und im hinteren Teil der Ausgabe sind philosophisch unterfütterte Diskussionsbeiträge zu der Frage abgedruckt, ob es eine Natur des Menschen gebe. (…) Doch nicht nur Themen, die die anarchistische Szene im engeren Sinne betreffen, werden in der GWR diskutiert. (…) So vermittelt die GWR auch jüngeren Lesern eine Vorstellung von einer antimilitaristischen Bewegung, die sich vom Mainstream der deutschen Friedensbewegung, deren Hauptfeind noch immer die USA sind, unterscheidet. Mit ihrer strikten Ablehnung jeglicher Gewalt hat sich die GWR auch bei einigen radikalen Linken Kritik eingehandelt.“ (6)
Herzlichen Dank für diese solidarische Kritik. Und herzlichen Glückwunsch zum zwanzigsten Jungle World-Geburtstag, auch wenn ich mich in den Jahren seit Nine-Eleven oft über antideutsche Kriegspropaganda in der Wochenzeitung geärgert habe.
„Finde den Fehler“ – Der Fehler heißt BILD!
Am 28. April 2017 rief ein BILD-Zeitungsredakteur im GWR-Redaktionsbüro an. Er erzählte, dass BILD etwas zum Hype veröffentlichen möchte, den ein Tweet von mir (siehe Abbildung unten) auf Twitter unter anderem bei den Grünen ausgelöst hat. Ich habe dem „Journalisten“ geantwortet, dass ich seine Zeitung extrem unseriös finde und auf keinen Fall möchte, dass irgendetwas von mir von BILD veröffentlicht wird. Daraufhin war er pikiert und meinte: „Wir sind immerhin so seriös, Sie anzurufen!“
Mein Kommentar: „Trotzdem, BILD ist wirklich das Allerletzte. Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie irgendetwas von mir veröffentlichen.“
Der BILD-Redakteur war hörbar verärgert. Sein rassistisch-sexistisches Hetzblatt setzte sich erwartungsgemäß über meine Forderung hinweg und veröffentlichte gegen meinen Willen unter dem Titel „Finde den Fehler. Witzbold legt Hand an Grünen-Plakat“ einen Artikel (7), in dem sowohl mein Tweet als auch ein zusätzlicher Hinweis auf den „Münsteraner Bernd Drücke“ erschien.
Zwischen allen Stühlen
GWR-Redakteur Bernd Drücke über gewaltfreien Anarchismus und wie man als Außenseiter etwas bewegen kann
Vor drei Jahren feierte die Monatszeitung »Graswurzelrevolution« (GWR) ihr 40-jähriges Bestehen, jetzt die 400. Ausgabe. Dienen die vielen Jubiläen der Lesergewinnung?
Sie schaden zumindest nicht. Die Aboentwicklung ist okay. Wir bekommen oft mehr Neuabos als Kündigungen. Die Zeitung wird durch Abos und Spenden finanziert, macht aber kaum Werbung und ist deshalb vielen unbekannt
Wieso überlebte die GWR die Auflösung der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen, mit der sie eng verbunden war?
Die Föderation wurde 1980 als bundesweites Netzwerk anarchopazifistischer Gruppen mit antimilitaristischem Schwerpunkt gegründet und galt laut Verfassungsschutz als »größte anarchistische Organisation der Nachkriegszeit«. Ihre Entstehung hängt eng mit der seit 1972 erscheinenden GWR zusammen. Von 1981 bis 1988 war die Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen Herausgeberin der GWR. Seitdem wird die Zeitung wieder von einem unabhängigen Kreis herausgegeben, der sich aus etwa 40 Menschen zusammensetzt und alle Entscheidungen basisdemokratisch fällt. 1997 wurde die Föderation aufgelöst. Aber es gibt etliche ehemalige Mitglieder, die noch politisch aktiv sind und uns nahe stehen. Dazu findet sich einiges in der GWR 400.
Hatte diese Selbstständigkeit auch etwas Befreiendes, weil es jetzt keine politische Gruppierung mehr gab, die Einfluss nehmen konnte?
Die GWR ist assoziiertes Mitglied in einem globalen antimilitaristischen Netzwerk, den War Resisters’ International. Sie hat sich in den letzten Jahren geöffnet. Sie ist ein Sprachrohr emanzipatorischer sozialer Bewegungen aus aller Welt, von Anarchisten, Gewaltfreien Aktivisten, Feministinnen, Anti-Atom-, Anti-Gentech-, Anti-TTIP-Aktiven, von antirassistischen Gruppen, Antifas, Blockupy bis hin zu Menschen, die sich gegen Abschiebungen oder den Klimakiller Kohle stemmen.
Welchen Stellenwert hat der gewaltfreie Anarchismus heute in der außerparlamentarischen Linken?
Wir sind Außenseiter, können aber etwas bewegen. Wir wollen eine gewaltfreie Umwälzung von unten und vertreten Positionen, die anderswo nicht vorkommen. Nehmen wir das Beispiel Ukraine-Konflikt, da sitzen wir zwischen allen Stühlen. Wir lassen Anarchisten und Antimilitaristen aus Russland und der Ukraine zu Wort kommen, unterstützen die Deserteure und Verweigerer aller Kriegsparteien und agitieren sowohl gegen das homophob-autoritäre Putin-Regime als auch gegen NATO, EU, ukrainische und ostukrainische Nationalisten. Leider ist der gewaltfreie Anarchismus immer noch eine Nischenbewegung. Aber dass heute direkte gewaltfreie Aktionen und basisdemokratische Entscheidungsfindungen innerhalb der sozialen Bewegungen selbstverständlich sind, ist auch dem jahrzehntelangen Engagement von gewaltfreien Anarchistinnen zu verdanken
Wie ist Ihr Verhältnis zu marxistischen Ansätzen, die sich von autoritären Parteikonzepten distanzieren?
Kritisch-solidarisch. Der antiautoritäre Marxist John Holloway war zum Beispiel häufiger Interviewpartner und unter unseren Autoren sind auch Zapatistas und libertäre Marxisten. Als libertär-sozialistisches Blatt diskutieren wir undogmatisch-marxistische Theorieansätze aus anarchistischer Sicht.
Ein Teil der GWR-Artikel ist online zugänglich auf graswurzel.net, auch ausgewählte Artikel der 400. Ausgabe. Einzelheft 3,80 Euro, Schnupperabo 5 Euro, Probeexemplar kostenlos
http://www.neues-deutschland.de/artikel/977874.zwischen-allen-stuehlen.html
Peter Nowak