Aktuell wird viel über die gar nicht so neue Frage gestritten. Auch die Organisatoren der Ostermärsche mussten sich damit auseinandersetzen. Mancherorts verloren sie Bündnispartner.

Kann die Friedensbewegung doch rechtsoffen sein?

"Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, dass Menschen mit Friedenstauben und Menschen mit Antifa-Fahnen jetzt scheinbar in gegensätzlichen Lagern stehen", erklärte ein älterer Mann. Er trug ein Schild mit der Parole "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg". "Ich weiß nicht, wo ich meinen Protest gegen Aufrüstung und Krieg ausdrücken kann", erklärt er und packte schließlich sein Schild wieder ein. Ähnliche Szenen waren in einigen Städten auch bei den Ostermärschen am Wochenende zu erwarten.

Einer der Gründe, warum sich trotz massiver Aufrüstung und einer Kriegsrhetorik, die vielen Menschen Angst macht, die Beteiligung an den traditionellen Ostermärschen in Grenzen hielt, war wohl die vorab nicht in allen Gruppen geklärte Frage, wo die Friedensbewegung die Brandmauer nach rechts ziehen soll. Beispielsweise am 25. März hatten sich in der Düsseldorfer Innenstadt rund 200 Menschen versammelt, die mit Friedenstrauben gegen Waffenlieferungen in die Ukraine demonstrierten. Ihnen gegenüber hatten sich rund zehn vor allem jüngere Menschen postiert, die Antifa-Fahnen trugen und lautstark gegen eine „deutsche Querfront“ agitierten. Sie monierten, dass auf den Friedensdemos …

… auch Personen mitliefen, die keine Berührungsängste nach rechts zeigten.

Tatsächlich hatten sich unter blauen Friedenstaubem Menschen versammelt, die seit Jahren gegen Aufrüstung und Krieg protestierten. Ebenso vertreten waren aber auch Gruppierungen wie die „Freie Linke“ und die Kleinstpartei „Die Basis“, die sich im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gegründet hatten und denen von Antifagruppen verschwörungstheoretisches Gedankengut vorgeworfen wird.

Dass sie damit nicht ganz falsch liegen, zeigte ein großes Transparent, in dem vor Chemtrails gewarnt wurde. Die angebliche Manipulierung der Menschen durch von Flugzeugen erzeugte Kondensstreifen gehört zu den verbreiteten Verschwörungserzählungen.

„Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“

„Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, dass Menschen mit Friedenstauben und Menschen mit Antifa-Fahnen jetzt scheinbar in gegensätzlichen Lagern stehen“, erklärte ein älterer Mann. Er trug ein Schild mit der Parole „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. „Ich weiß nicht, wo ich meinen Protest gegen Aufrüstung und Krieg ausdrücken kann“, erklärt er und packte schließlich sein Schild wieder ein. Ähnliche Szenen waren in einigen Städten auch bei den Ostermärschen am Wochenende zu erwarten.

So veröffentlichte die North East Antifa (NEA), die seit Jahren in der antifaschistischen Bewegung aktiv ist, ein längeres Pamphlet, in dem sie bekannten Exponentinnen der Berliner Friedenskoordination vorwarf, den Schulterschluss mit rechten Gruppen zu suchen.

Die Friko biete der Gruppierung „Handwerker für den Frieden“, die von einem ehemaligen Landtagskandidaten der AfD – Karl Krökel – gegründet wurde, aber auch Gruppen wie der „Freien Linken“ und der „Basis“ ein Forum. Damit schade ausgerechnet die Friko mit ihrer langen Geschichte in der Friedensbewegung dem antimilitaristischen Anliegen massiv, monierte die NEA, die sich in ihrer Erklärung klar gegen Nato und Aufrüstung in Deutschland positioniert.

„Nichts wird aktuell dringender gebraucht als eine wirklich progressive Friedensbewegung, die auch die Eskalationspolitik der Nato und den kochenden Waffenwahn der Ampel-Regierung angreift“, heißt es ihrer Erklärung. Das Bekenntnis gegen jeden Militarismus trägt aber nicht zur Entspannung zwischen NEA und Friko bei.

Als eine Ansammlung von „Behauptungen, Unterstellungen und Denunziationen“ bezeichneten die Friko-Sprecherinnen Laura von Wimmersperg und Jutta Kausch die NEA-Kritik in einer Stellungnahme. „Selbstverständlich grenzen auch wir uns ganz klar gegen rechts ab.“

„Die Kernfrage: Was ist rechts?

„Die Kernfrage ist doch, wie definiert wird, was „rechts“ ist, worin die Gefährdung besteht“ benennen die Friko-Aktivistinnen gegenüber Telepolis eine politische Differenz zur NEA und anderen Antifagruppen. Gruppen wie doe Handwerker für den Frieden, die Basis oder auch die Freie Linke werden von der Friko, anders als von der NEA, als Bündnispartner gesehen, mit denen man auch zum Ostermarsch gemeinsam auf die Straße gehen könne.

Die Friko-Sprecherinnen verweisen darauf, dass Krökel nie Mitglied der AfD war und seine Kandidatur als Parteiloser mittlerweile als Fehler bezeichnet habe. Keine Bündnispartner für die Friko seien hingegen AfD, NPD, aber auch das Compact-Magazin oder die Idenditäre Bewegung, betonen Kausch und von Wimmersperg. Die NEA macht aber am Beispiel der „Handwerker für den Frieden“ deutlich, dass eine solche Auftrennung so einfach nicht möglich ist.

So war der Kopf der Organisation Karl Krökel nicht nur parteiloser AfD-Kandidat, sondern hat auch in den letzten Monaten gemeinsam mit Compact Demonstrationen organisiert. Mittlerweile sei er auch zu dem Magazin, das seit Monaten die Querfront in der Friedensbewegung propagiert, auf Distanz gegangen, erklären Verteidiger von Krökel.

Rechte Trittbrettfahrer nicht erwünscht

Doch auch in der Friedensbewegung gibt es Kritik an der Bündnispolitik der Friko. So erklärt Kristian Golla von der Bonner Friedenskooperative im Gespräch mit Telepolis,dass Gruppen wie die Partei „Die Basis“ und die „Freie Linke“ Trittbrettfahrer seien, die nichts mit der Friedensbewegung zu tun hätten. Golla erinnert daran, dass die Debatte, wie offen die Friedensbewegung nach rechts sein soll, bereits 2014 geführt wurde, damals unter dem Stichwort des Friedenswinter.

Damals begann nach dem rechtsoffenen Maidan-Umsturz in Kiew und dem Anti-Maidan der prorussischen Bevölkerungsteile in der Ukraine der Konflikt. In Deutschland entstand damit eine heterogene Mischung von Menschen, die betonten, weder links noch rechts, sondern nur für den Frieden zu sein.

Da sie auch immer den Grundsatz, niemanden ausgrenzen zu wollen, vor sich hertrugen, fühlten sich Rechte aller Couleur bald sehr angezogen. Damals hofften Teile der Friedensbewegung, mit dem Friedenswinter gäbe es neue, vor allem jüngere Bündnispartner. Bald stellte sich aber heraus, dass die ganze Debatte die Friedensbewegung geschwächt und nicht gestärkt hat. Das Resümee des Netzwerks Friedenskooperative ist eindeutig.

Die Friedensbewegung hat im politischen Zusammengehen mit den „Montagsmahnwachen“ Schaden erlitten, den es jetzt zu begrenzen gilt. Veranstalter:innen der Ostermärsche oder auch der Demonstrationen gegen die Münchener Sicherheitskonferenz haben sich vereinnahmt gefühlt, indem ihre unabhängig vorbereiteten Aktionen unter die Kampagne „Friedenswinter“ subsumiert wurden. Dies habe nach etlichen Aussagen zu mehr Problemen, nicht zu größerer Mobilisierung beigetragen. 

Hinzu kommen inzwischen noch Vermischungen der Montagsmahnwachen mit der sog. Endgame-Bewegung. Immer wieder wird von Seiten der „Friedenswinter“-Befürworter:innen davon gesprochen, dass man die „suchenden Menschen“ nicht Pegida überlassen dürfe. Soll sich die Friedensbewegung ausgerechnet diejenigen als Zielgruppe aussuchen, die mit unseren friedenspolitischen Zielen klar entgegen gesetzten und rassistischen Parolen auf die Straße gehen?


Netzwerk Friedenskooperative

Insofern ist unverständlich, warum Gruppierungen wie die Friko neun Jahre später erneut an einem bereits gescheiterten Konzept herumbasteln.

Versuch einer Klärung?

Mit „Warum die Friedensbewegung nicht rechtsoffen ist“ sind auch die 14 Thesen der Initiative „Frieden-links“ überschrieben. Unterzeichnet wurden sie unter Anderem von bekannten Politikerinnen und Politikern der Linken wie Ulla Jelpke und Winfried Wolf, aber auch von dem langjährigen Friedensaktivisten Willy von Ooyen, die bekannt dafür sind, dass für sie die Grundsätze „Nie wieder Faschismus“ und „Nie wieder Krieg“ zusammengehören.

Sie plädieren dafür, mit antifaschistischen Grundsätzen auf Menschen zuzugehen, die sich der Friedensbewegung annähern wollen. Doch ob die Thesen zur Klärung beitragen können, ist fraglich. Sie werfen selber viele Fragen aus.

So heißt es in These 12: „Willkommen sind alle, die ehrlichen Herzens für Frieden eintreten. Wer aber meint, Friedenskundgebungen in rechte Versammlungen ummünzen zu müssen, soll zu Hause bleiben“.

Das hört sich erst mal gut an. Doch wie erkennt man, ob jemand mit „ehrlichem Herzen“ an einer Friedenskundgebung teilnimmt? Das ist doch ein schwammiges, nicht überprüfbares Kriterium. Da ist doch ehrlicher, zu sagen, dass niemand mit rechten Insignien, Bannern und Symbolen auf Friedensdemonstrationen auflaufen soll. Das kann man zumindest klar überprüfen.

Fragen wirft auch die These 2 auf, in der es heißt:

Die Friedensbewegung war schon immer Diffamierungen ausgesetzt. Neu ist gegenüber früher, dass dieses bei uns durch Kräfte aus Organisationen erfolgt, die bisher in der Friedensbewegung verwurzelt waren. 

Damit werden innerhalb von großen Mitgliedsorganisationen tiefgehende Widersprüche provoziert, da in ihnen zugleich nach wie vor Menschen aktiv sind, die Stigmatisierung und Ausgrenzung ablehnen. Dasselbe gilt für wichtige Partner der Friedensbewegung, wie Gewerkschaften oder kirchliche Kreise.


Aus: Warum die Friedensbewegung nicht „rechtsoffen“ ist

Nun ist die Auseinandersetzung um die Bündnispolitik der Friedensbewegung nicht neu, wie Kristian Golla mit Verweis auf den Friedenswinter erläuterte. Es waren aber langjährige Gruppen der Friedensbewegung, die für eine klare Abgrenzung nach Rechts plädierten. Wird das jetzt als Diffamierung begriffen? So liest sich diese These.

Zudem werden Großorganisationen wie der DGB scheinbar nicht von der Diskussion um die Abgrenzung nach rechts abgeschreckt, sondern durch eine aus ihrer Sicht zu geringe Abgrenzung. So sorgt die Personalie des ehemaligen Linken-Politikers Dieter Dehm im osthessischen Fulda für Streit und führte dazu, dass der DGB und die IG Metall ihre Unterstützung für den Ostermarsch zurückgezogen haben.

Diskussionen in der alten Friedensbewegung

Vor fast 40 Jahren im Herbst 1984 fand just in Osthessen, dem sogenannten Fulda-Gap eine bundesweite Manöverbehinderung der Friedens- und Antimilitarismusbewegung statt stand. Damals wurde über vieles gestritten, vor allem über die Frage, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf. Nicht diskutiert hingegen wurde darüber, dass auf der Abschlusskundgebung der sich selbst als Nationalpazifist verstehende Alfred Mechtersheimer sprach, den man schon damals als extrem rechts beschreiben konnte.

Es war schon erstaunlich, dass es von links kaum Kritik daran gab, dass ein Mechtersheimer bei dieser Gelegenheit reden konnte, umgekehrt aber konservative Medien und Politiker Mechtersheimer heftig attackierten. Dabei waren damals auch ehemalige Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen das Naziregime Teil des Bündnisses gegen Kriegsvorbereitungen im Fulda-Gap.

Warum gab es damals nicht die Debatte, ob ein Mechtersheimer nicht zu rechts für eine Abschlusskundgebung der Friedensbewegung ist – und warum ist das heute anders? Ein zentraler Grund dürfte der Bedeutungsverlust der gesellschaftlichen Linken sein. Mitte der 1980er-Jahre hatten die Linken in diesen Bündnissen eine gesellschaftliche Hegemonie und sie hatten auch genügend Selbstbewusstsein zu sagen, ein Mechtersheimer macht die Friedenskundgebung nicht zu einer rechten Veranstaltung.

Das ist heute auch deshalb anders, weil die gesellschaftliche Linke an Bedeutung verloren hat. Allerdings gab es schon in den 1980er-Jahren durchaus Kritik an der nationalen Begrenztheit der deutschen Friedensbewegung, beispielsweise in dem Text „In Gefahr und höchster Not ist der Mittelweg der Tod“ durch die linksautonomen Revolutionären Zellen. Dort wurde die deutsche Friedensbewegung als Mittelstandsbewegung kritisiert.

Der Publizist Wolfgang Pohrt kritisierte sie sogar als nationale Erweckungsbewegung. Auch ihm gingt es – wie einem Teil der Kritiker heute – nicht darum, die Nato zu verteidigen. So erklärte ein Aktivist der NEA gegenüber Telepolis zur Frage nach Möglichkeiten, sich gegen Aufrüstung und Krieg zu artikulieren:

Das Bündnis „Rheinmetall Entwaffnen“ sehen wir aber auf jedem Fall als einen sehr guten Ansatz. Es gab auch immer wieder andere Kampagnen, Demos und Bündnisse, die wir sehr unterstützenswert finden. Beispiele sind die Demo gegen die Berlin Security Conference, die Demo oder die Kundgebung „No Putin – No Nato – No Money for Wars“am 23. Februar.


Ein Aktivist der North East Antifa

Peter Nowak