Ein neues Bündnis über sich in Streiksolidarität

Ungenügsam

„Ich habe immer davon gesprochen, dass auch die Armen organisiert werden müssen, bis ich merkte, dass ich selber dazu gehöre, weil ich wie viele andere Studierende monatelang auf das Bafög warten musste“, erklärte der Mitglied von GiG-Braunschweig. Eine außerbetriebliches Bündnis könnte durchaus auch Druck auf eine Gewerkschaftsbürokratie ausüben, die aller kämpferischer Rhetorik zum Trotz lange Tarifauseinandersetzungen vermeiden.

„Wer glaubt, dass keine Verteilungskämpfe gebe, weil der heiße Herbst der Proteste vergangenes Jahr ausfiel, irrt. Die Klassengegensätze haben im Zuge der massiven Inflation der letzten Jahre zugenommen“, kommentiert der Wirtschaftsredakteur des Neuen Deutschland Simon Poelchau die Bereit vieler Beschäftigter des Öffentlichen Dienstes mit Warnstreiks und Kundgebungen für ein Tarifergebnis zu streiten,Reallohnverluste möglichst verhindern soll. Die kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen bei der Müllabfuhr, bei der Flughafensicherheit, bei Kitas oder Post könnten einen Vorgeschmack auf längere Erzwingungsstreiks geben. Dazu brauchen die Streikenden allerdings gesellschaftliche Unterstützung.  Am 3. und 4. März haben sich …

… in Halle an der Saale ca. 120 Menschen getroffen, die diese außerbetriebliche Solidarität planen. Sie sind aktiv in dem Bündnis „Genug ist Genug (GnG), das sich schon im letzten Herbst gegründet hatte. Vorbild ist das Bündnis Enough is enough in Großbritannien. Bei GiG handelt es sich um ein bundesweites Bündnis gegen explodierende Lebensmittelpreise, hohe Mieten sowie Strom- und Gasrechnungen. GIG setzte von von Anfang an darauf, unterschiedliche von der hohen Inflation betroffene Menschen zusammenzubringen. An der von den Gewerkschaften Verdi und GEW unterstützten Konferenz beteiligten sich Armutsbetroffene ebenso, wie Beschäftigte von Post, Bahn öffentlicher Dienst, die sich aktuell im Tarifkampf befinden. 

Schon im letzten Herbst erklärte Ines Schwerdtner, die GiG mitorganisiert hat, dass diese Tarifauseinandersetzungen auch Kämpfe gegen die Inflation sind und daher solidarisch unterstützt werden sollten. Auf der Konferenz bezeichnete viele Kolleg*innen die Tarifauseinandersetzungen als Fortsetzung der Krisenproteste. 

„Die Postbeschäftigten würden deutlich machen, dass sie sich in Zeiten hoher Inflation keine Reallohnverluste mehr gefallen lassen“, sagte eine Gewerkschafterin. In einer Arbeitsgruppe wurde über die außerbetriebliche Unterstützung beraten. Die Palette der Aktionsformen reicht vom Solidaritätsaufklebern auf Briefkästen bis zu Unterstützungskundgebungen. In einer anderen Arbeitsgruppe wurde über die Unterstützung der Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst diskutiert. Die von GiG propagierte Strategie der außerbetrieblichen Streikunterstützung ist nicht neu. Bereits beim Einzelhandelsstreik 2008 wurde von Verdi das Konzept der solidarischen Kund*innen in Städten umgesetzt. In mehreren Städten beteiligten sich Aktive aus sozialen Initiativen abgestimmt mit den Streikenden und ihrer Gewerkschaft an Solidaritätsaktionen. Höhepunkt war die Aktion Dichtmachen am 6. Juni 2008, die noch immer im Internet (https://dichtmachen.wordpress.com/werwirsind/dokumentationreichelt/) dokumentiert ist. An diesen Tag blockierten über 6 Stunden solidarischen Kund*innen in Berlin eine Reichelt-Filiale, um zu verhindern, dass während des Ausstands der Beschäftigten Streikbrecher*innen in den Laden gelangen. Die streikenden Kolleg*innen standen lachend neben den Blockierer*innen. Das Bündnis GiG bemüht sich nun, die außerbetriebliche Solidarität in Zeiten von hoher Inflation bei den künftigen Streiks zu organisieren. Dabei müssen auch die Vorurteile und Klischees der verschiedenen von Beteiligten hinterfragt werden. Eine Armutsbetroffene aus Hamburg berichtete, wie schwer es für sie war, in Bündnissen auch ihre Interessen in den Fokus zu rücken. Auf der Konferenz trafen sich auch GiG-Hochschulgruppen, die sich in den letzten Monaten in vielen Städten gegründet hatten. 

„Ich habe immer davon gesprochen, dass auch die Armen organisiert werden müssen, bis ich merkte, dass ich selber dazu gehöre, weil ich wie viele andere Studierende monatelang auf das Bafög warten musste“, erklärte der Mitglied von GiG-Braunschweig. Eine außerbetriebliches Bündnis könnte durchaus auch Druck auf eine Gewerkschaftsbürokratie ausüben, die aller kämpferischer Rhetorik zum Trotz lange Tarifauseinandersetzungen vermeiden. Das zeigte sich kürzlich bei dem Tarifkampf der Post. Obwohl eine große Mehrheit der Verdi-Mitglieder für einen Erzwingungsstreik gestimmt hat, setze Verdi die Verhandlungen fort und will einen Ergebnis, das Reallohnverluste bedeutet, als Erfolg verkaufen.  Peter Nowak

Peter Nowak

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