Die letzte Klage gegen das Verbot der linken Medienplattform Indymedia ist abgelehnt worden. Weiter geht’s trotzdem

Indymedia endgültig vor Gericht gescheitert

Die Bloggerin Detlef Georgia Schulze, die sich gegen das Verbot der linken Plattform einsetzte, sieht im Gespräch mit der taz keine juristischen Hindernisse, mit einem neuen Her­aus­ge­be­r*in­nen­kreis Indymedia-Linksunten wieder zu reaktivieren. „Dass dies noch nicht geschehen ist, ist vorrangig ein praktisches oder politisches Problem und nur nachrangig ein juristisches“, betont Schulze.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Beschwerden von fünf Frei­bur­ge­r*in­nen nicht zur Entscheidung angenommen, die das Bundesinnenministerium (BMI) zu den Be­trei­be­r*in­nen der im August 2017 verbotenen Internetplattform Indymedia-Linksunten zählt. Damit ist der juristische Kampf gegen das Verbot an sein Ende gelangt. Die zentrale Frage der Pressefreiheit im Netz bleibt unbeantwortet. Für die deutschen Sicherheitsbehörden handelte es sich bei Indymedia-Linksunten um das einflussreichste Medium der …

… linksextremistischen Szene in Deutschland und um ein Forum für gewaltbereite Autonome. 2017 hatte das BMI unter Thomas de Maizière (CDU) nach militanten Protesten am Rande des G20-Gipfels in Hamburg die Plattform verboten und vom Netz nehmen lassen. Auf das Verbot reagierte die linke Szene verhalten. Die größte Protestaktion war eine bundesweite Demonstration mit etwa 1.600 Teil­neh­me­r*in­nen am 25. Januar 2020 in Leipzig.

Wenige Tage später wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Klage der 5 Personen verhandelt, die die Behörden als Mitglieder eines Vereins bezeichnet hatte, der das linke Online-Portal betrieben haben soll. Die Beschuldigten bestritten, dass dieser Verein überhaupt existiert hat.

Wenige Tage später wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Klage der 5 Personen verhandelt, die die Behörden als Mitglieder eines Vereins bezeichnet hatte, der das linke Online-Portal betrieben haben soll. Die Beschuldigten bestritten, dass dieser Verein überhaupt existiert hat.

Deswegen wiesen die Rich­te­r*in­nen des BVerwG die Klage als zulässig, aber unbegründet zurück. Die Be­schwer­de­füh­re­r*in­nen hätten nicht im eigenen Namen gegen das Verbot vorgehen dürfen, da sich nur der „Verein“ linksunten.indymedia.org gerichtlich gegen das Verbot wenden dürfe. Dagegen hatte sich die Beschwerde gerichtet, die jetzt vom BVerfG nicht angenommen wurde. Der juristische Kommentator Markus Sehl nennt die Nichtannahme der Beschwerde auf dem Internet-Portal Legal Tribune Online (LTO) „eine vertane Chance“, die Frage der Pressefreiheit im Netz zu klären.

Deswegen wiesen die Rich­te­r*in­nen des BVerwG die Klage als zulässig, aber unbegründet zurück. Die Be­schwer­de­füh­re­r*in­nen hätten nicht im eigenen Namen gegen das Verbot vorgehen dürfen, da sich nur der „Verein“ linksunten.indymedia.org gerichtlich gegen das Verbot wenden dürfe. Dagegen hatte sich die Beschwerde gerichtet, die jetzt vom BVerfG nicht angenommen wurde. Der juristische Kommentator Markus Sehl nennt die Nichtannahme der Beschwerde auf dem Internet-Portal Legal Tribune Online (LTO) „eine vertane Chance“, die Frage der Pressefreiheit im Netz zu klären.

Schutz der Pressefreiheit?

Dieser Kritik haben sich die Rechts­an­wäl­t*in­nen Lukas Theune, Sven Adam und Angela Furmaniak angeschlossen. „Bei linksunten.indymedia.org handelte es sich um ein Nachrichten- und Kommunikationsportal, für welches der durch das Grundgesetz gewährleistete Schutz der Pressefreiheit gilt. Das Verbot wurde ausschließlich mit Medieninhalten begründet“, heißt es in einer Pressemitteilung der drei Jurist*innen, die die Freiburger Klä­ge­r*in­nen anwaltlich vertreten haben.

„Das Bundesverwaltungsgericht ist selbst überhaupt nicht auf die Verletzung der Pressefreiheit eingegangen, weil sie den Rechtsweg abgeschnitten haben mit der Argumentation, dass nur der Verein hätte klagen dürfen, aber nicht die Betroffenen“, moniert Theune. „Einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof, der juristisch möglich wäre, werden die Betroffenen wohl nicht gehen“, erklärt Rechtsanwalt Lukas Theune gegenüber der taz.

Auch der Anwalt David Werdermann bekräftigt nach der Ablehnung der Beschwerde durch das BverfG seine Kritik: „Statt gegen einzelne Beiträge vorzugehen, wurde ein Medium vollständig abgeschaltet – ein krasser Verstoß gegen die Pressefreiheit.“ Werdermann erinnert mit Verweis auf die jüngsten Durchsuchungen bei dem Freien Sender Rado Dreyeckland (siehe taz vom 20. 1. 2022)an die juristischen Folgen der Abschaltung des linken Online-Portals. „Erst wird das Vereinsrecht missbraucht, um ein Medium zu verbieten. Jetzt wird die Kritik daran kriminalisiert.“

Die Bloggerin Detlef Georgia Schulze, die sich gegen das Verbot der linken Plattform einsetzte, sieht im Gespräch mit der taz keine juristischen Hindernisse, mit einem neuen Her­aus­ge­be­r*in­nen­kreis Indymedia-Linksunten wieder zu reaktivieren. „Dass dies noch nicht geschehen ist, ist vorrangig ein praktisches oder politisches Problem und nur nachrangig ein juristisches“, betont Schulze. Das dürfte daran liegen, dass in Zeiten von Facebook und Twitter und Telegram linke Onlineplattformen massiv an Bedeutung verloren haben. Allerdings ist ein Teil der Texte, die auf linksunten.indymedia veröffentlicht waren, mittlerweile in einem Archiv unter https://linksunten.indymedia.org wieder einsehbar.

Erstveröffentlichungsort:
https://taz.de/Linke-Medien/!5920120/