Thälmann-Kundgebung hätte nicht verboten werden dürfen

Streit ums Gedenken

Hätte das Gericht die Klagen abgewiesen, wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden, um kommunistische Ehrungen auch weiterhin zu unterbinden, so die Einschätzung von Roland Meister, einer der Anwälte der Kläger*innen. In dem Verfahren ging es auch um die Frage, ob durch die offensive Ehrung von Thälmann in der Gedenkstätte die Würde der Gefangenen verletzt werde, die nach dem Ende des Nationalsozialismus von der sowjetischen Verwaltung auf dem Gelände von Buchenwald interniert wurden.

Das Verbot des Gedenkens anlässlich des 75. Todestags von Ernst Thälmann in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Buchenwald war rechtswidrig. Das entschied das Weimarer Verwaltungsgericht nach der Verhandlung Ende Juli (»nd« berichtete). Auf Betreiben der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald hatte die Stadt Weimar 2019 eine Gedenkkundgebung am Glockenturm und eine Kranzniederlegung auf dem Vorplatz des früheren Krematoriums verboten. Auch kleinere Führungen über die Gedenkstätte hatte die Leitung der Stiftung untersagt. Am Tag der geplanten Veranstaltungen ließen die Verantwortlichen vor der Gedenkstätte des KZ Buchenwald …

… schwer bewaffnete Polizeisperren errichten. Öffentlich wurde vor angeblichen Linksextremist*innen und vermeintlich bevorstehenden gewaltsamen Aktionen gewarnt. Die Kläger*innen der Marxistisch-Leninistischen Partei (MLPD) und des Internationalistischen Bündnis (IB) sahen sich in ihrem antifaschistischen Engagement kriminalisiert.   Die MLPD spricht in Bezug auf das Urteil von einer »aufsehenerregenden Entscheidung«. Hätte das Gericht die Klagen abgewiesen, wäre ein Präzedenzfall geschaffen worden, um kommunistische Ehrungen auch weiterhin zu unterbinden, so die Einschätzung von Roland Meister, einer der Anwälte der Kläger*innen. In dem Verfahren ging es auch um die Frage, ob durch die offensive Ehrung von Thälmann in der Gedenkstätte die Würde der Gefangenen verletzt werde, die nach dem Ende des Nationalsozialismus von der sowjetischen Verwaltung auf dem Gelände von Buchenwald interniert wurden. Meister hatte im Rahmen seiner Verteidigung gegen eine Gleichstellung der NS-Lager mit den späteren Einrichtungen argumentiert. Er wies darauf hin, dass die nach 1945 in Buchenwald eingerichteten Gefängnisse Internierungslager in Übereinstimmung mit den alliierten Beschlüssen zur Entnazifizierung waren und deshalb nicht als stalinistisches Lager auf deutschem Boden zu bezeichnen seien. Dafür wurde er von den Anwälten der Gedenkstätte, aber auch von der Lokalpresse heftig kritisiert. Meister stellte aber auch klar, dass nicht nur ehemalige NS-Funktionäre von der sowjetischen Militärverwaltung inhaftiert wurden und dass es dort fraglos Menschenrechtsverletzungen gab. Trotzdem verbiete sich ein Vergleich mit den NS-Konzentrationslagern. Das ist auch der Stand der Debatte unter Historiker*innen.  Der Streit darum wird weitergehen, auch auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald. Dafür haben die aktuellen Entscheidungen des Weimarer Verwaltungsgerichts eine Grundlage gegeben.  Peter Nowak

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