Erneute Justizschikane gegen Antifaschisten in Fulda

Wegen Lappalie vor Gericht

Das Landgericht Fulda will durchsetzen, dass ein Frankfurter Bußgeld zahlen muss, weil er einen Sticker gegen Querdenker an einer Laterne anbrachte. Am 22. August wird vor dem Landgericht gleich gegen drei Personen verhandelt. Sie hatten in einem Artikel für das Online-Magazin »Belltower News« mangelnden Aufklärungswillen der Fuldaer Behörden in Bezug auf den Tod des jungen Afghanen Matiullah J. beklagt. Dieser war am 13. April 2018 von einem Polizisten erschossen worden.

Für Lars Rehm (Name geändert) war der Gerichtstermin am Mittwoch vor dem Fuldaer Landgericht schnell beendet: Die Richterin vertagte die Verhandlung, weil zehn Unterstützer*innen des Beschuldigten sie verfolgen wollten, im Verhandlungsraum aber nur vier Stühle bereitstanden. Auf das Angebot der aus Frankfurt am Main angereisten Besucher*innen, die Verhandlung im Stehen zu verfolgen, ging die Richterin nicht ein. Worum sollte es gehen? Rehm hatte …

… am 21. Januar an einer Laterne vor dem Ful daer Amtsgericht einen Aufkleber mit dem Slogan »Klassenkampf statt Querdenken« angebracht. Sofort war die Polizei zur Stel le und nahm seine Personalien auf. Obwohl er den Sticker nach Aufforderung durch ei nen Beamten sofort entfernte, bekam er ei nen Strafbefehl von 88 Euro. Dagegen legte Rehm Widerspruch ein. Doch die Justiz be steht auf der Zahlung. Für Rehm ist es unverständlich, dass das Verfahren nicht eingestellt wurde, obwohl die Prozesskosten höher sind als das geforderte Bußgeld. »Es ist unfassbar lächerlich, wie dieses Verfahren in die Län ge gezogen wird. Die Situation zeigt erneut, wie groß das Bedürfnis seitens der Behörden ist, Antifaschist*innen zu kriminalisieren, zu stressen und in Unruhe zu bringen – also ge nau die Menschen, die sich dem Rechtsruck in Staat und Gesellschaft mutig entgegenstellen«, kommentierte Rehm gegenüber »nd« die Aussicht, bald erneut den Weg von Frankfurt nach Fulda antreten zu müssen.
Dass in Fulda Polizei und Justiz mit großer Akribie gegen Linke ermitteln, bekommt nicht nur Rehm zu spüren. An jenem 21. Januar war er Teilnehmer einer Solidaritätskundgebung mit Alex Waldmann. Der Antifaschist stand an diesem Tag zum vierten Mal in Fulda vor Gericht, weil er auf einer Demonstration am 13. April 2019 die Parole »Bullen morden, der Staat schiebt ab, es ist das glei che Rassistenpack« skandiert hatte. Zunächst war er freigesprochen, dann aber zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Weil der Staatsanwalt Widerspruch einlegte, stand er im Januar dieses Jahres erneut vor Gericht und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Vergeblich hatte seine Anwältin Annabelle Voßberg darauf hingewiesen, dass die in Fulda kriminalisierte Parole dem Refrain eines Songs der antifaschistischen Band Feine Sahne Fischfilet ähnelt und seit Jahren immer wieder auf linken Demonstrationen skandiert wird, ohne dass die Polizei eingreift. Und die Prozessserie gegen Antifaschist*innen in Fulda geht weiter: Am 22. August wird vor dem Landgericht gleich gegen drei Personen verhandelt. Sie hatten in einem Artikel für das Online-Magazin »Belltower News« mangelnden Aufklärungswillen der Fuldaer Behörden in Bezug auf den Tod des jungen Afghanen Matiullah J. beklagt. Dieser war am 13. April 2018 von einem Polizisten erschossen worden. Die Autor*innen hätten in dem Artikel die von dem Beamten abgefeuerten zwölf Schüsse nicht ausreichend in Warnschüsse, Treffer und tödliche Schüsse differenziert, weshalb ihnen das Gericht üble Nachrede gegenüber der Polizei vorwarf. Der Schütze wurde übrigens nie gerichtlich belangt und ist längst wieder im Polizeidienst. Peter Nowak

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