Prozess um eine Kündigung vor Berliner Landgericht: Eigenbedarf des Eigentümers nicht erwiesen

RichterInnen gucken jetzt genauer hin

Eine Stärkung des Selbstbewusstseins der MieterInnen ist das Ziel der Initiative „Eigenbedarf kennt keine Kündigung“ – kurz E3K –, die zur solidarischen Prozessbegleitung aufgerufen hatte. Es handelt sich dabei um eine Selbstorganisation von MieterInnen, die nicht hinnehmen wollen, dass sie ausziehen müssen, nur weil der Eigentümer Eigenbedarf anmeldet.

Lauter Applaus der 12 ZuhörerInnen beendete am Dienstagnachmittag den Prozess um eine Eigenbedarfskündigung vor dem Berliner Landgericht. Zuvor hatte der Anwalt des Eigentümers erklärt, dass er den Widerruf gegen ein Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg zurückziehe. Es hatte die Kündigung zurückgewiesen, weil er den Eigenbedarf des Eigentümers nicht sah. Der plante seit 2019 in seinem Haus in drei Wohnungen ein Mehrgenerationenprojekt mit seiner gesamten Familie.In einer dieser Wohnungen lebte die Mieterin, die ausziehen sollte. Dazu ist sie grundsätzlich bereit, wenn ihr eine gleichwertige Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt wird. Die müsse aber in Kreuzberg oder Neukölln liegen, weil sie dort als Gastronomin arbeitet, wie sie betonte. Der Eigentümer beteuerte, …

… dass er Architekt sei, aber über leere Wohnungen nicht verfüge. Allerdings hätte er der Mieterin Offerten für drei freie Wohnungen weitergeleitet. Er sei nicht dafür verantwortlich, dass diese Wohnungen schon am nächsten Tag anderweitig vermietet waren. Schließlich sei ja allen bekannt, wie es am Berliner Wohnungsmarkt aussieht. Auch für den Vorschlag der Mieterin, dass sie ja in seine Wohnung einziehen könne, wenn er Eigenbedarf auf ihre Wohnung anmeldet, konnte sich der Eigentümer nicht erwärmen.

Selbstbewusstsein stärken

Eine Stärkung des Selbstbewusstseins der MieterInnen ist das Ziel der Initiative „Eigenbedarf kennt keine Kündigung“ – kurz E3K –, die zur solidarischen Prozessbegleitung aufgerufen hatte. Es handelt sich dabei um eine Selbstorganisation von MieterInnen, die nicht hinnehmen wollen, dass sie ausziehen müssen, nur weil der Eigentümer Eigenbedarf anmeldet.

Lange Zeit wurde diesen Kündigungen von den Gerichten in der Regel stattgegeben. Mittlerweile gucken die RichterInnen genauer hin, wie sich am Dienstag zeigte. Diese konnte keine Fehler in der Urteilsbegründung der Vorinstanz sehen, was den Eigentümer zur Rücknahme der Klage bewog.

Mit großem Interesse verfolgte eine Weddinger Mieterin den Prozess. Sie hat vor einigen Wochen vor dem Weddinger Amtsgericht eine Eigenbedarfskündigung verloren und soll bis Februar 2023 ausziehen. Das Gericht gab dem Eigentümer recht, obwohl der vorher die Miete erfolglos erhöhen wollte. Jetzt überlegt sie, Widerspruch gegen das Urteil einzulegen. Unterstützt wird sie von der Weddinger Kiezkommune, einer linken Stadtteilinitiative, die sich ebenfalls an der solidarischen Prozessbegleitung beteiligte. Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort:
https://taz.de/!5861154/