Ein Mieter muss ein Banner mit der Aufschrift „Wir bleiben alle““ an der Hausfassade abhängen. Gericht sieht die Interessen des Vermieters gestört.

Die Firma bekommt Recht

Der taz erklärte der Mieter, er habe eine gütliche Einigung angestrebt und den VertreterInnen der Gegenseite drei Vorschläge für ein Transparent-Motto gemacht, darunter die Parole „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder den Artikel des Grundgesetzes, der Zensur ausschließt. Die Firma habe alle Vorschläge abgelehnt und die Verhandlungen abgebrochen.

Die Verwertungsinteressen von Immobilienfirmen sind wichtiger als die Meinungsfreiheit der MieterInnen. Das entschied am Mittwoch das Landgericht. Es gab der Pine­hill s.a.r.l., einer luxemburgischen Immobilienfirma, recht. Die hatte den Mieter Klaus Strohwig* (*Name von der Redaktion geändert) abgemahnt, weil er….

…. aus seiner Wohnung in der Friedelstraße 54 seit 2015 an seinem Balkon direkt über dem linksalternativen Neuköllner Kiezladen Friedel54 ein Banner angebracht hatte. Die Aufschrift: „Wir bleiben alle! Widerständige Orte und Häuser erhalten und verteidigen.“

In der ersten Instanz hatte der Mieter noch recht bekommen. Doch die Eigentümer zogen vor den Bundesgerichtshof, der das Urteil mit der Begründung aufhob, dass die Argumente der Gegenseite nicht genügend gewürdigt wurden. Die Pinehill s.a.r.l. sah sich durch das Transparent in ihren Verwertungsrechten bei einem Weiterverkauf beeinträchtigt.

Dem schloss sich die Richterin des Landgerichts nun an. Die Abmahnung bleibt bestehen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Da Strohwig Rechtsschutz durch die Berliner MieterInnengemeinschaft bekommen hat, bleibt er zumindest nicht auf den Gerichtskosten sitzen.

Schon bei der Urteilsverkündigung äußerte Strohwig sein Unverständnis über die Entscheidung und verließ den Gerichtssaal vorzeitig. Der taz erklärte Strohwig, er habe eine gütliche Einigung angestrebt und den VertreterInnen der Gegenseite drei Vorschläge für ein Transparent-Motto gemacht, darunter die Parole „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder den Artikel des Grundgesetzes, der Zensur ausschließt. Die Firma habe alle Vorschläge abgelehnt und die Verhandlungen abgebrochen, berichtet Strohwig.

Kiezladen geräumt

Der Konflikt zwischen den MieterInnen und der Immobilienfirma ist älter. Im Erdgeschoss der Friedelstraße 54 war im Sommer 2017 der Kiezladen geräumt worden. Vorher hatten MieterInnen und LadenbetreiberInnen vergeblich versucht, das Haus im Rahmen einer Genossenschaft zu kaufen. Stattdessen bekam die Briefkastenfirma den Zuschlag.

Nachdem der Laden geräumt worden war, erhöhte sie die Mieten der BewohnerInnen. Zurzeit sind immer noch einige Transparente am Haus zu sehen. Wenn das Urteil nach der Zustellung rechtskräftig wird, müssen sie abgehängt werden. Strohwig droht bei einer weiteren, zweiten Abmahnung die Kündigung. Aber ohne Protest wird auch das Abhängen der Transparente nicht vonstatten gehen. „Wir überlegen uns da noch, ob wir sie im Rahmen einer Kundgebung oder einer Demonstration an einen anderen Ort aufhängen“, erklärt der ­Mieter. Peter Nowak