… leider noch zu lebendig. Ein Kommentar

Nato: „Brothers and Sisters in Crime“…

In London haben sich "Brothers and Sisters in Crime" getroffen, die unverhohlen damit geprahlt haben, wie gut sie ihr Handwerk auch nach 70 Jahren noch ausüben können. Und ganz viele - bis hinein in Teile der Linken - sehen das noch als eine gute Nachricht und wünschten sich nicht, dass die Nato endlich nicht nur hirntod wäre.

Hirntot oder doch quicklebendig. Der französische Präsident hatte mit seiner „Hirntod-Diagnose“ das Thema schon im Vorfeld der Nato-Tagung gesetzt. Mit Erfolg. Das zweitägige Treffen war beherrscht von der Frage, wie lebendig das Militärbündnis ist und fast alle Nato-Vertreter konnten dann selbstbewusst betonen, wie agil es noch sei. Selbst Donald Trump, der bisher nicht für eine sensible Sprechweise bekannt war, übernahm die ….

….. geläufigen Vorwürfe seiner Kritiker und nannte die Diagnose Macrons beleidigend den Nato-Mitgliedern gegenüber.

Dabei hatte Trump zu Beginn seiner Amtszeit mit der Bemerkung für Aufsehen gesorgt, dass die Nato obsolet sei. Auch damals wurden sämtliche Nato-Vertreter mit dem Bekenntnis zitiert, dass die Nato keineswegs überflüssig sei. Zudem wurde sofort darauf hingewiesen, dass Trump das Bündnis nicht für überflüssig erklärt hatte, sondern lediglich davor gewarnt habe, dass es überflüssig werden kann.

Weckruf für mehr Militarismus

Genauso hat Macron seine Diagnose als einen Weckruf verstanden, die Nato solle wieder aktiver werden. Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung erklärte im Deutschlandfunk:

Macron hat provoziert. Heiko Maas hat diese Provokation aufgegriffen und versucht, es konstruktiv zu wenden mit dem Vorschlag, ein Expertengremium einzusetzen und einfach mal darüber zu reflektieren, wie sich die NATO auch politisch aufstellen möchte und wie sie die Konsultationen verbessern kann.

Matthias Dembinski, Deutschlandfunk

Die Nato-Tagung hatte das Problem, in einer in unterschiedliche kapitalistischen Machtzentren aufgeteilten Welt, einen gemeinsamen Feind zu finden, auf den sich alle einschießen können. Mit dem kapitalistischen Globalplayer China taucht nun ein möglicher konsensfähiger Feind auf. Allerdings soll der Feind erst einmal nicht so genannt werden, sondern wird zum Gegner herabgestuft.

Nun könnte man denken, dass die Nato in dieser Frage auf einer Linie mit den USA ist, die schließlich nicht erst unter Trump China zum Hauptgegner erklärt haben. Doch zum Wesen der innerkapitalistischen Auseinandersetzungen gehört es, dass die inneren Widersprüche nur selten wie im Kalten Krieg zeitweise stillgelegt werden. In der Regel werden sie durch massive Aufrüstung und am Ende auch in Kriegen ausgetragen.

Das muss nicht bedeuten, dass es gleich zum großen Knall zwischen China und der Nato kommt. Aber der Stellvertreterkrieg wird ja bekanntlich mit verschiedenen Mitteln schon geführt, beispielsweise um Hongkong. Erstes Opfer ist der Teil der Oppositionsbewegung, dem es wirklich um den Kampf gegen Unterdrückung geht.

Steigende Militärausgaben

Zum innerkapitalistischen Konkurrenzkampf gehören auch die stetig steigenden Militärausgaben, an denen der militärisch-industrielle Komplex gut verdient. Nun wird nicht nur in Deutschland gerne behauptet, die Militärausgaben würden erhöht, weil Trump darauf drängt. So baut man einen Buhmann auf und schiebt innerkapitalistische Sachzwänge auf andere Mächte. Die Einschätzung von Matthias Dembinski ist realitätsnäher:

Der Trend der Steigerung der Verteidigungsausgaben fing bereits 2014 an, nach der Ukraine-Krise, als von Trump noch gar keine Rede war, und im Grunde setzt sich das fort. Jetzt den Faktor Trump da zu isolieren, ist außerordentlich schwierig.

Matthias Dembinski, Deutschlandfunk

Wenn dann schließlich ein friedliches Ende des Nato-Gipfels konstatiert wird, ist der Zweck der ganzen Chose erfüllt. Im Vorfeld geben sich eben mal Trump, mal Macron und sicher auch andere als Provokateure, die die Probleme der Nato in einer in unterschiedliche Blöcke gespaltene Welt ansprechen und alle betonen, wie agil die Nato ist. Und am Ende sind nicht alle Widersprüche geklärt, was ja nicht möglich ist. Doch man kann weiter an der Rüstungsschraube drehen und in den diversen Stellvertreterkriegen sterben Menschen.

Dieser Aspekt fiel besonders in diesem Jahr in der Berichterstattung über den Natogipfel fast völlig „hinten runter“. In London haben sich „Brothers and Sisters in Crime“ getroffen, die unverhohlen damit geprahlt haben, wie gut sie ihr Handwerk auch nach 70 Jahren noch ausüben können. Und ganz viele – bis hinein in Teile der Linken – sehen das noch als eine gute Nachricht und wünschten sich nicht, dass die Nato endlich nicht nur hirntod wäre.

Die Nachricht vom friedlichen Ende des Nato-Gipfels, ist auch ein Verweis darauf, dass es der in Großbritannien eigentlich immer starken Friedensbewegung kaum gelungen ist, in die internationalen Medien zu kommen. Das war vor 10 Jahren noch anders, als die Nato im deutsch-französischen Grenzgebiet zwischen Kehl und Straßburg gipfelte und die Proteste teilweise die größeren Schlagzeilen machten.

Zu fragen wäre auch, warum die in Großbritannien eigentlich traditionell starke natokritische Bewegung so wenig in den Medien präsent war. Könnte es auch daran liegen, dass man den Labour-Vorsitzenden Corbyn, der lange Zeit in der Friedensbewegung aktiv war und deshalb für viele – auch in seiner eigenen Partei – nicht als Premierminister eines Nato-Landes geeignet ist, mit zu starken Protesten nicht schaden wollte?

„Kein Frieden mit Russland“

Zudem dürfte auch die britische Antikriegsbewegung ähnlich wie die in Deutschland Probleme haben, die Jugend zu erreichen. Auch der Schulterschluss zu den Klimaaktivisten ist in der Theorie leichter als in der Praxis. Von den Problemen, eine kritische Jugend für die Friedensbewegung zu erreichen, zeugt ein Streit in der Linksjugend Leipzig

Kürzlich tauchte dort eine Erklärung unter dem Motto „Kein Friede mit Russland“ auf und löste dadurch Empörung bei den Traditionslinken aus. Auch eine Entschuldigung und eine Änderung der Parole in „Keine Solidarität mit Russland“ führten nicht zur Beruhigung der Gemüter.

Die Versicherung, dass die Linksjugend keinen Krieg mit Russland will, dürfte auch ironisch gemeint gewesen sein. Dazu muss erst einmal betont werden, dass die Parole als Provokation gegen manche Traditionslinke in der Linkspartei gerichtet war, die unter Frieden mit Russland vor allem eine Sowjetnostalgie abfeiern und Kritik am autoritären Putin-Regime abwehren wollen.

Doch die Linksjugend hätte vielleicht einen Satz von Karl Liebknecht beherzigen sollen, der bekanntlich den Hauptfeind im eigenen Land sah. Da wäre für eine in Deutschland aktive Linke doch „Kein Frieden mit Deutschland“ die passendere Parole. So richtig die Kritik an den russischen Zuständen ist, so negativ fällt auf, dass ihre verbalradikale Kampfansage nicht dieser Politik, sondern dem Staat Russland gilt.

Das erinnert an Bestrebungen, den Staat Israel in Frage zu stellen, wenn es doch um angebliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung geht. Dabei sollte auch etwas historisches Bewusstsein die Linke zur Überlegung bringen, dass man in Deutschland fast 75 Jahre nach dem Ende des deutschen Vernichtungskrieges, von der die Sowjetunion an erster Stelle betroffen war, die Nachfolgestaaten in Frieden lassen sollte.

Weder Israel noch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sollten von Deutschland aus in Frage gestellt werden. Das wäre auch ein wichtiges antifaschistisches Statement in Zeiten, in denen man in Prag ein Denkmal für den Hitlerverbündeten General Wlassoverrichten will.

Peter Nowak