In der letzten Zeit wird von unterschiedlicher Seite behauptet, dass es bald zu einer Trennung kommt. Doch dann gäbe es nur zwei reformistische Varianten, die beide nicht ins Parlament kämen
„Zu den Genen unserer Partei gehört neben der Solidarität auch, dass wir uns an Arbeit und Leistung orientieren und nicht nur an staatlicher Umverteilung wie die Linkspartei.“ Diese Selbstbeschreibung der SPD ist treffend. Mindestens die letzten 100 Jahre stand die SPD im Zweifel bei den Leistungsträgern und Solidarität war etwas für Sonntagsreden.
Es ist auch nicht verwunderlich, dass Andrea Nahles diese SPD-Beschreibung bei der Bild-Zeitung abgegeben hat. Anscheinend gilt in der SPD-Zentrale noch immer Gerhard Schröders Diktum: „Zum Regieren brauche ich Bild, BAMS und Glotze.“
Und Andrea Nahles will regieren. Wie Schröder begann sie ihre Karriere in der linken Juso-Ecke, und wie dieser hat sie gemerkt, dass sie ihre linken Überzeugungen schnell aufgeben muss, wenn sie in der Partei aufsteigen will. So redet Nahles heute wie alle ehemaligen SPD-Linken und klingt wie der rechte Seeheimer Kreis in der SPD.
Zwischen dem Seeheimer Kreis und den deutschen Wirtschaftsverbänden passt kein Blatt Papier. Sozialdemokraten, wenn sie aufsteigen wollen, kennen keine Klassen mehr, sondern nur noch deutsche Interessen. Da hat Nahles nur wieder einmal die Serie bestätigt.
Dabei galt sie in der Schröder-Ära noch als unsichere Kantonistin, zählte sie doch zu den Anhängern des SPD-Vorsitzenden Lafontaine, und manche spekulierten sogar, ob sie mit ihm ebenfalls die SPD verlassen und eine neue sozialdemokratische Formation kreieren sollte. Ob sie solche Pläne je gehabt hatte, ist unklar. Letztlich hat sie sich anders entschieden.
Bedauert Lafontaine heute seinen SPD-Austritt?
Nahles hat einen Schritt nicht gemacht, den Lafontaine heute möglicherweise für falsch hält. In der Saarbrücker Zeitung, wo Lafontaine Gehör findet, hat er vor einigen Wochen ein Interview gegeben, das eigentlich auch in seiner aktuellen Partei, der Linken, mit Argwohn gelesen werden müsste.
Denn in dem Interview macht er den Eindruck, als stünde er der Linken mittlerweile fast genauso distanziert gegenüber wie der SPD:
Es ist jetzt ungefähr zehn Jahre her, dass die Linke gegründet wurde. Wie sehen Sie den Zustand der Linken im Jahr 2017?
LAFONTAINE: Das Ziel war, den Sozialabbau zu stoppen und die Sozialdemokraten zu zwingen, wieder eine sozialere Politik zu machen. Einen stärkeren Sozialabbau hat sich die jeweilige Bundesregierung seit unserem Einzug ins Parlament nicht mehr getraut.
Aber das Ziel, die Sozialdemokratie zu einer Kurskorrektur zu bringen, wurde nicht erreicht. Die linken Parteien in Europa, aber auch in Deutschland, verlieren immer mehr an Einfluss. Deshalb werbe ich jetzt für eine neue Sammlungsbewegung der Linken.
Was genau soll das sein?
LAFONTAINE: Ich denke an Corbyn in Großbritannien – eine glaubwürdige Person und ein Programm für die Mehrheit. Oder Podemos und „La France insoumise“ in Spanien und Frankreich, eine aus der Gesellschaft heraus entstehende Sammlungsbewegung all derjenigen, die mehr soziale Gerechtigkeit wollen und für eine friedliche Außenpolitik eintreten. Die politische Linke verliert mehr und mehr an Einfluss. SPD und Linke haben zusammen noch nicht einmal 30 Prozent.
Sie wollen also eng mit der SPD zusammenarbeiten?
LAFONTAINE: Ich habe seit Gründung der Linken der SPD eine Zusammenarbeit angeboten. Wir hatten 2005 und 2013 mit den Grünen eine Mehrheit, um eine Regierung zu bilden. Die SPD hat diese Chance jedes Mal nicht genutzt. Es geht aber nicht nur um SPD und Linke, sondern der Appell richtet sich an alle, die wirklich mehr soziale Gerechtigkeit wollen.
Schmerzt es Sie, wenn Sie sehen, dass Ihre alte Partei, die SPD, bei der Bundestagswahl so schlecht abgeschnitten hat?
LAFONTAINE: Ja natürlich. Ich will politisch etwas verändern. Und wenn die Kräfte, die für diese politischen Veränderungen gebraucht werden, an Einfluss verlieren, ist das ein bedauernswerter Rückschlag.
Bedauern Sie manchmal, wenn Sie sich Ihre Partei anschauen, dass Sie 2005 den Schritt gemacht haben und die Linke aufgebaut haben?
LAFONTAINE: Ich stelle mir natürlich manchmal die Frage, ob ich innerhalb der SPD mehr hätte bewirken können. Aber das ist vergossene Milch. Das Ziel, mehr soziale Gerechtigkeit durchzusetzen, bleibt. Nur diesem Ziel diente die Gründung einer linken Partei und deshalb hoffe ich auf eine aus der Gesellschaft heraus entstehende neue Sammlungsbewegung der politischen Linken.
Oskar Lafontaine, im Interview mit der Saarbrücker Zeitung
Zunächst einmal macht das Interview deutlich, dass Lafontaine immer Sozialdemokrat geblieben ist, auch wenn ihn Freunde und Gegner zu Unrecht als Kommunisten, SPD-Feind etc. abgestempelt haben. Es war eher eine Hassliebe, mit der er der SPD begegnete.
Er konnte seine Marginalisierung in der SPD, die seinen Austritt vorausging, nie verwinden und hält sich wahrscheinlich noch immer für den Mann, der den Niedergang der SPD hätte stoppen können.
Was hat es mit der Hoffnung einer neuen Sammlungsbewegung auf sich?
Nun könnte man das Interview auch als eine Art Vermächtnis lesen. Ein Vollblutpolitiker, der längst im Rentenalter ist, zieht Bilanz über sein Wirken als Sozialdemokrat in zwei Parteien und redet auch über die verpassten Gelegenheiten.
Doch es gibt in der Linken und darüber hinaus auch Stimmen, die hoffen oder fürchten, dass Lafontaine noch einmal ein neues politisches Projekt mit anschieben würde, wenn es ihm die Chance gibt, ins Parlament zu kommen. Das Interview lässt genügend Interpretationsspielraum offen. Ist doch zweimal die Rede von einer ominösen Sammlungsbewegung aus der Bevölkerung, der er das Prädikat „links“ bewusst nicht geben will.
Als Minimalforderungen nennt er soziale Gerechtigkeit und eine friedlichere Außenpolitik. Als Referenzen nennt er neben dem Labour-Vorsitzenden Corbyn auch den französischen Linksnationalisten Mélenchon, der sich in Frankreich ganz bewusst nicht auf die französische Linke bezieht, selbst auf den Teil nicht, mit dem er lange kooperierte.
Dass danach in der Linkspartei die Alarmglocken schrillten, zeigt sich daran, dass ein Großteil der Fraktion eine Veranstaltung am 14. Januar in Berlin verhindern will, auf der unter anderem Lafontaine und Mélenchon reden sollten. Diese von dem Linksparteiabgeordneten Dieter Dehm organisierte Veranstaltung wird in diesem Jahr von Teilen der Fraktion kritisiert: Sogar die Absage dieser Veranstaltung wurde innerhalb der Linkspartei gefordert.
Dehm erklärte, er organisiere die Veranstaltung bereits seit 7 Jahren, ihm würden immer zunächst Knüppel aus den Parteigremien zwischen die Füße geworfen und im Anschluss gebe es Lob aus der Partei. Doch in diesem Jahr trifft es eben auf besonderen Argwohn, wenn Lafontaine, der von einer neuen Sammlungsbewegung träumt, und sein französisches Vorbild Mélenchon in Berlin auftreten.
Vielleicht will er tatsächlich noch einmal Teil einer Bewegung sein. Und Dehm hat sich auch sicher wenig Freunde gemacht, indem er einen Brief veröffentlichte, wo er Sanktionierungen in seiner Zeit als SPD-Funktionsträger mit denen als Linksparteipolitiker verglich. Dass es in dem einen Fall gegen Links, im anderen Fall gegen einen nach rechtsoffenen Personenkreis geht, wird bei dieser Argumentation ausgeblendet.
Doch könnte man solche Auseinandersetzungen als Machtkämpfe abtun, die sich unter Alphatieren von Parteien eben abspielen, wenn es nicht auch Unterströmungen gäbe, die ganz von den zwei Flügeln in der Linken sprechen, die sich endlich trennen sollen. Da wird die eine Fraktion als neoliberal und die andere als populistisch bzw. nationalistisch bezeichnet.
„Oskar und Sarah gründen eine Partei, die wieder wählbar ist“
Diese Stimmen gibt es bei den Anhängern beider Fraktionen. So zitiert einer der profundesten Kritiker des Lafontaine-Kurses in der Linkspartei, Ivo Bozic, über Internet-Verlautbarungen aus dem Lafontaine-Lager:
Wenn die Linke zu Arschkriechern der Regierung und der Medien wird, brauchen wir uns über den Zulauf zur AfD nicht wundern. Es wird Zeit, entweder sich von den falschen Linken zu trennen oder Oskar und Sahra gründen eine neue Partei, die wieder wählbar ist.
Ungenannter Facebook-Kommentar
Bozic kommentiert dies so:
Lafontaine scheint diesbezüglich bereits aktiv zu werden. Er teilte mit, eine neue „Sammlungsbewegung der Linken“ ins Leben rufen zu wollen. Welche Linken er einzusammeln gedenkt, ist unklar, Lafontaine schrieb lediglich: „all diejenigen, die mehr soziale Gerechtigkeit wollen und für eine friedliche Außenpolitik eintreten“. Von manchen in der Partei wird das als Angebot an die Putin-affine Mahnwachen- und Querfrontszene gewertet. Dass Lafontaine Antirassismus und Feminismus ausdrücklich nicht als Essentials nennt, kann man auch als Signal an AfD-Sympathisanten verstehen. Lafontaine, der Wegbereiter der Asylrechtsänderung 1993, ist bekannt für seine deutschnationale Position in der Flüchtlingsfrage. Erst vorige Woche wieder schrieb er auf Facebook: „Offene Grenzen für alle ist eine Kernforderung des Neoliberalismus.“
Ivo Bozic
Nun könnte man fragen, woher soll denn der von Lafontaine erhoffte Aufbruch kommen. Es gibt neben solchen Diskussionen in der Linkspartei auch unabhängig eine Initiative aus dem gewerkschaftlichen Spektrum, die vor einigen Wochen in Kassel eine erste Konferenz veranstaltete.
Primär ging es dort um eine Gewerkschaftspolitik, die sich wieder an den Mitgliedern orientiert. Doch zwei Mitorganisatoren der Konferenz, Violetta Bock und Thomas Goes, haben ein Buch unter dem Titel „Ein unanständiges Angebot? Mit Linkspopulismus gegen Elite und Rechte“ veröffentlicht.
Das bedeutet noch nicht, dass sie für eine Sammlungsbewegung à la Lafontaine zur Verfügung stünden. Doch ihr Ansatz geht über eine kämpferische Gewerkschaftspolitik hinaus. Wenn nun aus dem Lafontaine-Lager die Aufforderung an ihre innerparteilichen Kritiker kommt, doch zur SPD oder den Grünen zu wechseln, hat auch das eine Grundlage.
Es in der SPD zu etwas bringen
Erst vor wenigen Wochen ist in Berlin-Neukölln die Kommunalpolitikern Marina Reichenbach genau diesen Weg gegangen. In einem Interview mit der Jungle World nannte sie Unzufriedenheit mit populistischen Statements von Wagenknecht und Lafontaine als Grund für ihren Schritt. „Ich will nicht in einer Partei sein, die rechte Wähler gewinnen will, indem sie anbietet, noch mehr abzuschieben“, begründete sie ihren Übertritt in eine Partei, die anders als die Linke viele Gesetze zur Flüchtlingsabwehr mit unterstützt oder sogar initiiert hat. Diesen Widerspruch löst Reichenbach als Reformistin überzeugend auf.
Mit Wagenknecht ist für mich die Hoffnung verloren gegangen, dass es eine linke Partei geben kann, die nicht so ist. Dass die SPD auch so ist, ist mir klar. Es gibt keine Partei, die wirklich emanzipatorische Forderungen hat und über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Wenn es die gäbe, würden wir wohl nicht mehr in dieser Welt leben, wie wir sie heute vorfinden. Für mich ist die Linkspartei mittlerweile einfach nicht mehr die „bessere“ Sozialdemokratie.
Die Partei Die Linke hat im Bund noch nie regiert. Es ist fraglich, ob sie nicht genau die gleichen Fehler machen würde wie die SPD. Ich glaube, das wäre der Fall. Da kann ich auch gleich in einem großen Haufen mitmischen, mit dem ich reelle Veränderungsmöglichkeiten sehe.
Marina Reichenbach
Wenn die Linke sich selbst in der Opposition kaum noch von der SPD unterscheidet, dann kann ich gleich ins Original eintreten und habe dort auch viel mehr Karrieremöglichkeiten, lautet die Logik von Reichenbach. Sie unterscheidet sich fundamental von der Vorgehensweise von Linken wie Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann und Rainer Trampert.
Für diese stand gar nicht zur Debatte, in die SPD zu gehen, wenn die Grünen keine andere Politik als diese machen. Ihre Orientierung war wie bei Ditfurth der Versuch einer linken Parteigründung und die außerparlamentarische Aktivität, wozu auch die Kritik aller Verhältnisse gehört. Dass sich heute für Reichenbach eine solche Positionierung nicht stellt, kann auch als Ausdruck eines gesellschaftlichen Rechtsrucks interpretiert werden.
Eine linke Alternative gibt es für jemand, die oder der linke Politik mit persönlicher Karriere verbinden will, nicht. Da bleibt dann scheinbar nur der Weg in die SPD. Der Weg von Nahles, die alle linke Rhetorik ihrer Jusozeit eingemottet hat, ist dann nicht eine Drohung, sondern ein Versprechen, nämlich es in der SPD doch noch zu etwas zu bringen.
Jenseits von Interesse und Identität
Das dürfte allerdings nicht für die Politikwissenschaftler Mario Neumann und Sandro Mezzadra gelten, die kürzlich in einer knapp 70-seitigen im Laika-Verlag herausgegebenen Flugschrift unter dem Titel „Jenseits von Interesse & Identität“ einige Thesen für eine linke Perspektive nach dem Ende des Wohlfahrtsstaates formuliert.
Dabei haben sie sich klar gegen den Flügel Lafontaine-Wagenknecht positioniert, den sie als neuen deutschen Linkspopulismus klassifizieren. Dabei haben sie recht, wenn sie sich gegen jeden Versuch einer nationalen Sozialpolitik wehren, der davon lebt, dass er große Teile der Bevölkerung, nämlich alle, die keinen deutschen Pass haben, ausschließt.
Globale Politik ist möglich und notwendig
Eine solche Politik widerspricht nicht nur emanzipativen Ansprüchen einer Linken, sie ist auch deshalb illusionär, weil es kein Zurück mehr zum Wohlfahrtsstaat gibt, der mit dem Fordismus untergegangen ist. Der gegenwärtige Stand der Produktivkräfte macht eine globale Politik möglich und notwendig. Das kann man an vielen Beispielen aufzeigen.
So ist es heute nicht mehr entscheidend, ob in einem Land viel Getreide wächst oder ob es dort viele Bodenschätze gibt. Es wäre vom Stand der Produktivkräfte möglich, weltweit Verhältnisse zu schaffen, mit denen die Grundbedürfnisse aller Menschen befriedigt werden könnten. Das heißt nicht nur, dass heute niemand mehr hungern müsste, sondern dass alle gesunde Ernährung haben könnten.
Verhindert wird das vom herrschenden Primat der kapitalistischen Verwertung. Danach sind Nahrungsmittel eben Waren, die, wie alles im Kapitalismus, der Profitmaximierung und nicht der Bedürfnisbefriedigung dienen. Und so werden heute eben Nahrungsmittel eher vernichtet, wenn sie die Preise drücken könnten, als an diejenigen verteilt, die sie brauchen.
Weltweiter Anspruch
Dagegen ist schon vor mehr als 100 Jahren eine Arbeiterbewegung aufgetreten, die ganz bewusst einen weltweiten und keinen nationalen Anspruch hatte. Schon immer war die Arbeiterklasse international zusammengesetzt. So zogen viele Menschen aus Polen Ende des 19.Jahrhunderts ins Ruhrgebiet. Die nationalen Schranken und Ressentiments verloren dann in Streiks immer mehr an Bedeutung. Hier konnte man sehen, wie in realen Kämpfen eine Arbeiterklasse entstand.
Auch Frauen gehörten schon immer dazu. Und es war der Kampf der proletarischen Frauenbewegung, auch gegen patriarchale Vorstellungen in den eigenen Reihen, den Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften, anzukämpfen. Von dem Wirken dieser proletarischen Frauenbewegung zeugt noch der 8. März als Kampftag der proletarischen Frauen, davon zeugen aber auch noch Lieder wie „Brot und Rosen“, die Streiks proletarischer Frauen begleiteten und auch noch erstaunlich aktuell sind.
Hier ergäbe sich eine Orientierung für eine linke Politik in- und außerhalb von Parteien. Doch Neumann und Mezzadra zeichnen eher ein Zerrbild einer rein männerdominierten nationalen Arbeiterbewegung und machen keine Unterschiede zwischen den reformistischen und revolutionären Flügel.
Welches 1968 verteidigen Mario Neumann und Sandro Mezzadra?
Dafür beschwören sie mehrmals die Errungenschaften der 1968-Bewegung, die sie verteidigen. Sie haben recht, wenn sie in dieser sehr vielfältigen Bewegung und ihren Ausläufern auch eine praktische und theoretische Kritik an den Erstarrungen und Fehlern der damals real existierenden Arbeiterbewegungen, seien sie stalinistischer oder sozialdemokratischer Prägung, erkennen.
Allerdings beteiligen sie sich selber am Mythos der 1968-Bewegung, wenn sie nicht erwähnen, dass in Italien die entscheidenden Weichenstellungen für eine linke Arbeiterbewegung schon Anfang und Mitte der 1960er Jahre von Dissidenten der erstarrten Kommunistischen Partei erfolgt sind. Um 1968 verschmolzen diese Interventionen mit diversen anderen Bewegungen, dazu gehörten feministische Interventionen ebenso wie kulturrevolutionäre Neuerungen.
Diese hatten von Anfang an einen Doppelcharakter. Ein Flügel wollte eine globale linke Offensive befördern, der andere Flügel der 68er-Bewegung, der sich schließlich durchsetzte, bedeutete das Wetterleuchten eines neuen nachfordistischen Akkumulationsregimes des Kapitalismus, das später verkürzt Neoliberalismus genannt wurde.
Bei Neumann und Mezzadra erfolgt diese Differenzierung der von ihnen so hochgelobten 1968er-Bewegung leider nicht. So bleibt hier immer noch der Weg zu grünen Karrierebestrebungen offen, die sich ja nicht zu Unrecht auf den Teil der 1968er berufen, der den veränderten Bedingungen eines Kapitalismus nach dem Fordismus entspricht, aber an kapitalistischer Ausbeutung nichts ändern will.
Zu den politischen Bezugspunkten der beiden Autoren gehört der italienische Philosoph Antonio Negri, der schon mehrmals realpolitisch Positionen der Grünen im europäischen Maßstab unterstützt hat, und der Philosoph Thomas Seibert, der im Institut Solidarische Moderne an der Formulierung einer neuen sozialdemokratischen Politik im Nachfordismus beteiligt ist.
Die Zukunft linker Politik
Er befindet sich in sehr schroffer Frontstellung gegen den Lafontaine-Wagenknecht-Flügel in der Linken, vertritt aber eine andere Variante reformistischer Politik. Wie Seibert setzen sich auch Neumann und Mezzadra für eine emanzipative Flüchtlingspolitik ein. Ihr blinder Fleck ist aber, dass sie die Menschen, die in ihren Ländern bleiben, kaum erwähnen.
Sie stellen sich auch nicht die Frage, welche Folgen die Migration von nicht selten gut ausgebildeten Menschen aus den Ländern des globalen Südens für die Menschen hat, die bleiben wollen oder müssen. Aber auch solche Fragen gehören zu einem Text, der eine linke Perspektive aufzeigen will.
Diese Kritik schmälert nicht das Verdienst der Flugschrift, die schließlich eine Debatte ermöglichen kann, in der auch die Schwachpunkte des Konzepts von Neumann und Mezzadra selber benannt werden. Schließlich geht es um die Zukunft linker Politik und nicht um Personen, wie Neumann in einem Debattenbeitrag im Neuen Deutschland richtig bemerkt.
Die Frage wäre nicht damit gelöst, wenn sich eine reformistische Linkspartei in zwei Teile spaltet. Damit wäre eher garantiert, dass beide außerhalb des Parlaments blieben. Linke Politik hingegen kann sich vor allem in außerparlamentarischen Bewegungen, in Streiks, Arbeits- und anderen Kämpfen entwickeln.
Eine wichtige Rolle spielen dabei zunehmend Mietkämpfe wie Philipp Mattern in einem Beitrag der Monatszeitung analyse und kritik gut begründet hervorhebt. Seine Beiträge erscheinen in loser Folge unter dem Titel Neue Klassenpolitik. Dort geht es nicht um Die Linke und den Parlamentarismus, sondern tatsächlich um Klassenkämpfe, in welch embryonaler Form auch immer sie sich präsentieren.
Peter Nowak
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