
In vielen Berliner Bibliotheken liegt das Magazin MieterEcho aus. Publiziert wird es im zweimonatigen Rhythmus von der Berliner MieterGemeinschaft, stets versehen mit einem Editorial des langjährigen Chefredakteurs Joachim Oellerich. Am 22. Juli ist Oellerich, …
… ein Urgestein der Berliner Mietenbewegung, im Alter von 82 Jahren gestorben.
„Joachim Oellerich stand immer bedingungslos aufseiten der Mieter*innen. Da machte er keine Kompromisse“, sagt MieterEcho-Redakteur Andreas Hüttner.
Oellerich wurde politisiert in den Protesten gegen die Aufhebung der Mietpreisbindung, die 1987 in Westberlin in kurzer Zeit Tausende Menschen auf die Straße brachte. Höhepunkt war eine Unterschriftensammlung, in der sich binnen weniger Wochen mehr als 500.000 Berliner*innen für den Erhalt der Mietpreisbindung aussprachen.
Liest man heute Berichte über die Aktionen der späten 1980er Jahre, fühlt man sich an die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in den Jahren 2020 und 2021 in Berlin erinnert. Doch die Kämpfe von vor mehr als 35 Jahren sind jüngeren Mietrebell*innen nicht mehr bekannt.
Öffentliches Bauen als Lösung für die Wohnungsfrage
Joachim Oellerich ging es immer darum, theoretisches Rüstzeug für aktive Mieter*innen zu vermitteln, erinnert sich der stadtpolitische Aktivist und Filmemacher Matthias Coers. Mit ihm und anderen stadtpolitischen Aktiven hat Joachim Oellerich verschiedene Veranstaltungsreihen konzipiert und realisiert, unter anderem zur Wohnungsfrage in Europa und zur sozialen Infrastruktur. „Dazu wurden viele Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen eingeladen“, sagt Coers. In dem heute noch existierenden Youtube-Kanal „Wohnen in der Krise“ ist dieses Wissen weiterhin abrufbar.
Auch die Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau (inkw) wurde von Joachim Oellerich maßgeblich geprägt. Die inkw vereint inzwischen ein breites Bündnis gesellschaftlicher Akteur*innen, die angesichts der drängenden Wohnungskrise für einen fundamentalen Richtungswechsel in der Berliner Wohnungspolitik eintreten. Die Initiative fordert den Bau bezahlbarer Wohnungen ohne die Beteiligung von privaten Immobilienkonzernen.
„Die in der Initiative diskutierten Aspekte des sozialen Wohnens waren Teil einer Debatte, die bis in den 2015 angestrebten Mietenvolksentscheid und auch die Kampagne ‚Deutsche Wohnen & Co enteignen‘ hineinreicht“, betont Coers. Oellerichs Anliegen war dabei immer, der kapitalistischen Privatisierung das öffentliche Bauen als Lösung für die Wohnungsfrage entgegenzusetzen.
Bis wenige Tage vor seinem Tod beteiligte sich Oellerich an Diskussionen und war mit der Vorbereitung der nächsten Ausgabe des MieterEcho beschäftigt, das nun ohne ihn weiter erscheinen wird. Peter Nowak
https://taz.de/Nachruf-auf-Joachim-Oellerich/!6023916/