Einem Mann wurden die deutschen Ausweisdokumente entzogen, weil er sich für die Aufhebung des PKK-Verbots engagierte

Aktivismus als Straftat

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von der Linkspartei sieht das Ausreiseverbot »im Kontext einer verstärkten justiziellen Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Behörden bei der Verfolgung kritischer Aktivist*innen im Zusammenhang mit dem türkisch-kurdischen Konflikt«. Hunko betonte, dass ihm bisher solche massiven Grundrechtseingriffe wie ein generelles Ausreiseverbot und ein Entzug der Reisedokumente in dieser Form nicht bekannt waren.

Der Schock für Florian L. (Name geändert) war groß, als ihm am 24. Januar per Brief mitgeteilt wurde, dass er binnen vier Werktagen seine Ausweisdokumente abgeben müsse und ihm das Verlassen der Bundesrepublik zeitgleich mit der Zustellung untersagt sei. Diese Maßnahme wurde vom Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten veranlasst, das im Auftrag des Landeskriminalamts (LKA) für die Verhinderung einer potenziellen Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik zuständig ist. In dem Brief wurde der Entzug der Dokumente damit begründet, …

… dass L. durch seine politische Betätigung die innere und äußere Sicherheit Deutschlands gefährde und plane, eine im Paragraf 89a des Strafgesetzbuches beschriebene Handlung vorzunehmen, die als »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« definiert wird. Florian L. betonte im Gespräch mit dem »nd«, dass die Maßnahme für ihn auch deshalb so überraschend gekommen sei, weil er wegen politischer Delikte weder angeklagt noch verurteilt wurde. Er habe sich allerdings in der jüngeren Vergangenheit in der Solidaritätsbewegung für die Kurdi*innen im Osten der Türkei engagiert, dazu Interviews gegeben, sich an Delegationen beteiligt und Demonstrationen in Deutschland angemeldet, bei denen sich die Teilnehmenden mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK solidarisierten. So hatte Florian L. am 27. November vergangenen Jahres die bundesweite Demonstration »PKK-Verbot aufheben! Krieg beenden, politische Lösung fördern!« in Berlin angemeldet, an der sich Tausende Menschen aus ganz Deutschland beteiligten.

Das LKA spekuliert nun, L. könnte einen vermeintlichen Griechenlandurlaub Ende vergangenen Jahres für den »Besuch eines Ausbildungslagers im europäischen Ausland« genutzt haben. Die Möglichkeit einer zukünftigen Ausreise aus der Bundesrepublik eröffnet laut Aussagen des Staatsschutzes für den Betroffenen »die Möglichkeit, als ausgebildeter potenzieller Attentäter in die Bundesrepublik zurückzukehren, um hier Anschläge zu begehen oder zu organisieren«, so das LKA.

»Die Stilisierung des Betroffenen zu einem internationalen Terroristen steht im luftleeren Raum. In der Gesamtschau der angeführten ›Beweise‹ halten Anmeldungen von Demonstrationen und öffentlichkeitswirksame Auftritte, also vermeintlich durch Grundgesetze geschützte Aktivitäten, für die Konstruktion realitätsferner Vorwürfe her. Im Bezug auf den Betroffenen bedeutet diese Maßnahme eine große Einschränkung seiner Lebensführung und einen schweren Eingriff in die Grundrechte«, kritisierte Engin Sever das Ausreiseverbot. Für den Co-Vorsitzenden der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.v. reiht sich dieser Schritt ein in eine weitreichende Praxis der Kriminalisierung der kurdischen Gesellschaft, kurdischer Politik und der Menschen, die hier in Deutschland zum Thema aktiv werden.

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von der Linkspartei sieht das Ausreiseverbot »im Kontext einer verstärkten justiziellen Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Behörden bei der Verfolgung kritischer Aktivist*innen im Zusammenhang mit dem türkisch-kurdischen Konflikt«. Hunko betonte, dass ihm bisher solche massiven Grundrechtseingriffe wie ein generelles Ausreiseverbot und ein Entzug der Reisedokumente in dieser Form nicht bekannt waren. Er hält es für besonders befremdlich, dass als Begründung die Wahrnehmung eines Grundrechts angeführt wird, nämlich die Anmeldung einer Demonstration. Florian L. hat gegen den Dokumentenentzug Widerspruch beim Verwaltungsgericht eingelegt, der aber keine aufschiebende Wirkung hat. Seine Papiere musste er abgeben. Peter Nowak