Über ein links und rechts verbreitetes Missverständnis. Ein Kommentar

Leben wir bald in einem antifaschistischen Deutschland?

. Sollte Seehofer spätestens nach der nächsten Bundestagswahl in den politischen Ruhestand gehen, werden sich andere Politiker finden, die seine Rolle übernehmen, auch rechte Themen für den Staatsapparat zu besetzen. Haben sie das Parteibuch der SPD wie weiland Otto Schily, oder gar der Grünen, könnte dieser Staatszweck besser getarnt werden, als unter der Ägide des rechtskonservativen CSU-Ministers. Dann könnte es für die außerparlamentarische und speziell die antifaschistische Linke noch schwerer werden, sich eigenständig zu profilieren. Es könnte daher die Zeit kommen, in der sie einem Innenminister Seehofer nachtrauert, weil er ein gutes Feindbild abgab, gegen den sich gut mobilisieren ließ.

„Fast schon Antifa“, titelte die in Berlin erscheinende tageszeitung (taz) vor einigen Tagen, als sie ….

…. das jüngste Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsradikalismus vorstellte.

„Die Regierung benennt Rassismus endlich ausdrücklich als Problem und macht mehr als eine Milliarde Euro für Maßnahmen gegen rechts in den nächsten vier Jahren locker. Nur einer bremst noch“, kommentierte die taz mit dem Bild von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Was ist eigentlich mit Antifa gemeint?

Suggeriert wird so, es wäre nur einen Wechsel im Bundesinnenministerium nötig, damit die Antifa im Berliner Regierungsviertel ankommt. Tatsächlich ist vor allem die SPD in der letzten Zeit bemüht, sich geradezu als Antifa-Partei zu gerieren. So prangte im letzten Jahr vor der Berliner SPD-Zentrale ein Transparent mit der Aufschrift „150 Jahre Antifaschismus“.

Nur kam das Konzept des politischen Antifaschismus erst in den 1920er Jahren auf, allerdings keinesfalls im Umfeld der SPD. Die wurde von den frühen Antifaschistinnen und Antifaschisten eher als Problem gesehen. Wer sich über die Geschichte der antifaschistischen Bewegung informieren will, findet in dem Buch über die Antifaschistische Aktion von Bernd Langer viel Wissenswertes.

Der Autor war in Göttingen in den 1980er Jahren selber aktiv in der autonomen antifaschistischen Bewegung und setzte sich dort auch für Bündnisse mit sozialdemokratischen und liberalen Kräften ein. Die Göttinger Autonome Antifa, die nach dem Wochentag ihres Treffens auch Antifa M, war damals das Vorbild für eine bündnisfähige Struktur. Allerdings legte sie Wert auf eine eigenständige Organisierung, die erst Grundlage für eine Bündnispolitik mit staatsnahen Organisationen war.

Daher ist Bernd Langer auch keineswegs einverstanden mit der Entwicklung, die ein Großteil der aktuellen Antifa-Bewegung genommen hat. Tatsächlich hat man heute mitunter den Eindruck, sie agiere als Lobbyverband gegen rechts, der beim staatlichen Apparat Druck macht, damit er sich auch in die gewünschte Richtung bewegt, aber keine grundsätzlichen Einwände mehr gegen Staat und Kapital hat.

Einen Schnelldurchgang durch die Geschichte der Antifabewegung liefert der Film „Zwei Fahnen im Kreis“ von Mattias Coers. Im Mittelpunkt steht ein Referat von Bernd Langer zu Geschichte des Logos der Antifa. Die Ausführungen sind empfehlenswert, auch wenn es an einigen Stellen totalitarismustheoretische Anklänge gibt, die aber wohl darauf zurückzuführen sind, dass komplexe historische Sachverhalte kurz dargestellt werden müssen.

Jedenfalls zeigt schon ein kurzer Blick in die Geschichte der antifaschistischen Bewegung, dass niemand auf diesen Begriff ein Monopol und Patent hat. Wenn sich die aktuelle SPD-Vorsitzende Sakia Esken zur Antifa bekennt, zählt sie sich natürlich nicht zur Autonomen Antifa, wie es manche rechte Publizisten suggerieren.

Noch weniger wird der deutsche Staatsapparat zur Antifa, wenn er jetzt Maßnahmen gegen rechts beschließt. Seehofer ist daher auch kein Störfaktor auf dem Weg in ein antifaschistisches Deutschland, wie es nicht nur die taz suggeriert.

Staatsapparate reagieren auf rechten Terror

Tatsächlich reagieren die Staatsapparate mit ihren Programmen gegen rechts auf die rassistischen Anschläge der letzten Jahre, mit dem Höhepunkt in Hanau im Februar 2020. Dabei haben sicherlich die Proteste, vor allem der selbstorganisierten migrantischen antifaschistischen Bewegung der letzten Monate beigetragen.

Ein weiterer Aspekt bei der Politik gegen rechts ist auch die Angst um das Ansehen Deutschlands in der Welt, was für eine Exportnation ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist. So geht es im Kampf gegen rechts auch um Staatspolitik, die sich schon von ihrem Wesen her klar von einer antifaschistischen Bewegung unterscheiden muss. Wenn dieser Unterschied vernachlässigt wird, wäre das vor allem für eine unabhängige antifaschistische Bewegung ein Fiasko.

Insoweit kann für sie eine Personalie wie Horst Seehofer als Glücksfall gelten, denn mit ihm kann nun wirklich niemand Deutschland als Antifa-Staat präsentieren. (Heißt Antifaschismus CDU wählen?) Dabei wäre es eine verkürzte Kritik, dies vor allem an seiner Person festzumachen. Ein Grüner oder ein Sozialdemokrat auf seinen Posten würden keine grundsätzlich andere Politik umsetzen. Nur könnte es sein, dass sie ihre Politik besser als antifaschistisch framen, was die außerparlamentarische Bewegung vor einige Probleme stellen könnte.

Seehofer – kein Antifaschist im Ministeramt

Seehofer hingegen erweckt gar nicht erst den Anschein, als wäre er ein Antifaschist im Ministeramt. Vielmehr wird bei ihm die Arbeit der Staatsapparate deutlich, den Rechten ihre Grenzen aufzuzeigen und selber Teile ihrer Politik zu übernehmen. So etwa bei der langen Diskussion über eine Studie über Rassismus bei der Polizei. Dort gab Seehofer zur Freude der verschiedenen Polizeigewerkschaften und der Law-and-Order-Politiker aller Parteien den Bremser.

Dazu gehört die von Seehofer in die Diskussion gebrachte Datei von nichtdeutschen Intensivtätern, die von der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke selbst als rassistisch kritisiert wurde:

„Dass der Bundesinnenminister ausdrücklich nur Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit erfassen will, macht deutlich, dass es ihm eben nicht um den Schutz von Polizeibeamten bei Kontrollen geht, sondern allein darum, hier ein populistisch nutzbares Feindbild aufzubauen. Denn die Staatsbürgerschaft einer Person spielt für die Einschätzung, ob wir es mit einem sogenannter Mehrfach- und Intensivtäter zu tun haben, keine Rolle.“

Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Linken

Allerdings wird die Figur des ausländischen Intensivtäters nicht nur von Gruppen der extremen Rechten verwendet, sondern findet auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft Zustimmung. Auch Seehofers jüngster Vorschlag, Abschiebungen nach Syrien ab nächstem Jahr wieder möglich zu machen, greift Stimmungen auf, die nicht nur in extrem rechten Kreisen virulent sind.

Die Vorstellung, dass in großen Teilen Syriens der Bürgerkrieg beendet ist und für einen generellen Abschiebestopp kein Grund mehr bestehe, findet in weiteren Kreisen der Gesellschaft Zustimmung. Allerdings ist Seehofers Vorschlag auch ein typisches Beispiel für Symbolpolitik. Selbst, wenn der Abschiebestopp für Syrien fallen würde, gilt weiterhin die Einzelfallprüfung und es ist daher unwahrscheinlich, dass es zu größeren Abschiebungen in das Land kommen würde.

Mit dieser Symbolpolitik soll aber gezeigt werden, dass die Staatsapparate auch Themen besetzten, mit denen die Rechten sonst auf Stimmenfang gehen. Sollte Seehofer spätestens nach der nächsten Bundestagswahl in den politischen Ruhestand gehen, werden sich andere Politiker finden, die seine Rolle übernehmen, auch rechte Themen für den Staatsapparat zu besetzen.

Haben sie das Parteibuch der SPD wie weiland Otto Schily, oder gar der Grünen, könnte dieser Staatszweck besser getarnt werden, als unter der Ägide des rechtskonservativen CSU-Ministers. Dann könnte es für die außerparlamentarische und speziell die antifaschistische Linke noch schwerer werden, sich eigenständig zu profilieren.

Es könnte daher die Zeit kommen, in der sie einem Innenminister Seehofer nachtrauert, weil er ein gutes Feindbild abgab, gegen den sich gut mobilisieren ließ. Auch das war ein Grund, warum viele seiner Pläne in der Planungsphase steckenblieben. (Peter Nowak)