»Verdrängung stoppen – Wir bleiben alle«, steht auf einem der zahlreichen Transparente, die seit Monaten aus den Fenstern der Samariterstraße 8 in Friedrichshain hängen. Die Bewohner*innen des Hauses wurden zu Mietrebell*innen, nachdem sie vor einem Jahr erfahren hatten, dass die ….
….. Fortis Group das Gebäude erworben hat und mit massiven Mieterhöhungen verbundene Modernisierungen ankündigte. Mindestens 24 Mietparteien sind dadurch von Verdrängung bedroht (»nd« berichtete).
Die angekündigten Bauarbeiten haben noch nicht begonnen, was die Mieter*innen auch auf ihre von Anwohner*innen und Politiker*innen unterstützten Proteste zurückführen. Trotzdem hat es schon eine von ihnen getroffen: Dem »Modeinstitut« wurden zum 31. Januar die Räume in dem Haus gekündigt. Seit 17 Jahren verkauft Daniela Wisotzky dort Kleidung für Frauen jedes Alters für den kleinen Geldbeutel. Die Nachfrage ist groß, sagt sie. Trotzdem ist nun zum Monatsende am bisherigen Standort Schluss mit günstiger Frauenmode.
Besonders enttäuscht ist Wisotzky über das Verhalten des neuen Eigentümers. »Man hatte mir in Aussicht gestellt, ich könnte nach der Sanierung in die Räume wieder einziehen. Doch vor einigen Monaten hieß es dann, das sei nur eine unverbindliche Überlegung gewesen«, erklärt die Ladenbesitzerin empört. Zunächst habe sie keine Kraft mehr gehabt, sich dagegen zu wehren. »Doch dann haben die Mieter*innen der Samariterstraße 8 im November eine Mahnwache vor dem Laden organisiert«, berichtet Wisotzky erfreut. Dabei ist auch das Transparent mit der Aufschrift »Rausschmiss« entstanden, das über der Eingangstür des Ladens hängt.»Manche Kund*innen sind irritiert. Sie denken, es handele sich um eine Werbung für Sonderangebote«, berichtet Wisotzky über die Reaktionen. Doch die Unterstützung ist groß, sobald die Menschen von der Kündigung erfahren. Auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Canan Bayram, die in Friedrichshain ihren Wahlkreis hat, setzte sich in einen Brief an den Eigentümer für den Verbleib des Ladens ein. »Auch für die Nachbarschaft würde die Schließung des Modeladens einen großen Verlust bedeuten. Denn das Geschäft hat sich zu einem wichtigen sozialen Treffpunkt für die Menschen im Samariterkiez entwickelt«, erklärt Bayram gegenüber »nd«.
Das sieht auch Esther Walter so. »Die kleinen Läden werden zuerst gekündigt, weil sie nur Gewerbemietverträge haben. Doch wir Mieter*innen sind als Nächstes dran«, befürchtet die Frau, die seit knapp zehn Jahren im Samariterkiez lebt. Auf den Modeladen sei sie aufmerksam geworden, weil Wisotzky mit alten Möbeln und zu Blumenkästen umgestalteten Waschbecken eine kleine Kiezoase vor dem Eingang gestaltet hat, erzählt sie dem »nd«.Esther Walter hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass das Modeinstitut doch noch bleiben kann. Sie verweist auf den Blumenladen »Pusteblume« in unmittelbarer Nähe. Trotz der Kündigung im Juni 2018 existiert der Laden heute noch. Die Besitzerin Carmen Lessoued-Metzdorf konnte einen neuen Vertrag aushandeln. Für das »Modeinstitut« wird es das nicht geben. Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher der Eigentümergruppe gegenüber »nd«: »Ein neuer Mietvertrag für die Zeit nach der Modernisierung wurde dem Modeinstitut seitens Fortis nicht in Aussicht gestellt.«
Eine gute Nachricht gibt es trotzdem: Am Montag erklärte Daniela Wisotzky, neue Räumlichkeiten für ihren Laden gefunden zu haben – ebenfalls in Friedrichshain. »Es war schwierig, etwas zu finden, das bezahlbar ist und in guter Lage«, sagt sie. Durch Zufall habe sie jedoch etwas zu ähnlichen Bedingungen gefunden. Noch diese Woche soll der Vertrag unterschrieben werden. »Das glaube ich aber erst, wenn es so weit ist; ich habe schon so viele schlechte Erfahrungen gemacht«, so Wisotzky.
Peter Nowak
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