Am 12. November war das Berliner Regierungsviertel zum Sperrgebiet erklärt werden. Zugang hatten nur geladene Gäste, Bundestagsabgeordnete und Angehörige der Soldaten, die dort ein öffentliches Gelöbnis zelebrierten. Das war der Grund für den Erlass aller Allgemeinverfügung „Störungen“, mit den die Polizei ein Areal im Durchmesser von einen Kilometer über viele Stunden zur grundrechtsfreien Zone erklärte. Proteste von Gelöbnisgegnern in Hör- und Sichtweite des Gelöbnisses waren nicht möglich. Dabei war die Zeremonie in Berlin Teil einer ….
….. Imagekampagne, die die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer Antrittsrede im Juli 2019 angekündigt hatte. Dort erklärte, sie habe alle alle Ministerpräsidenten angeschrieben und ihnen vorgeschlagen, zum Geburtstag der Bundeswehr am 12. November in ihren Bundesländern öffentliche Gelöbnisse durchzuführen. Es gehe darum, die Bundeswehr in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen, erklärte sie. Dabei zeigte sich in Berlin, dass damit nicht gemeint ist, dass die Öffentlichkeit dort auch zugelassen ist. Am 12. November fanden neben Berlin auch Gelöbnisse in den Landeshauptstädten Mainz und Stralsund sowie den Bundeswehrstandorten Plön in Schleswig-Holstein, Rotenburg/Wümme in Niedersachsen und Freyburg in Sachsen-Anhalt statt. Am 18.November ging das Manöver in München über die Bühne. Dass die Bundeswehr längere Zeit ihr Zeremoniell nicht mehr auf öffentlichen Plätzen zelebrierte, lag auch an den öffentlichen Protesten. In Bremen löste am Mai 1980 ein Gelöbnis im Weserstadion sogar einen Riot aus. Zuvor hatten sich über 8000 Menschen an einer Protestdemonstration gegen das Zurschaustellung der Bundeswehr beteiligt. Es war eines der ersten Gelöbnisse in der BRD, mit dem 25 Jahre Bundeswehr gefeiert werden sollte. Zuvor hatte die Bundeswehr auf öffentliche Auftritte verzichtet. Damit wurde einer weitverbreiteten Stimmung in Teilen der Bevölkerung Rechnung getragen, die mehrheitlich gegen die Wiederaufrüstung eingestellt war. Dazu gehörten nicht nur linke Antimilitaristen sondern auch Deutschnationale, die sich vor allem daran störten, dass die Bundeswehr für angeblich fremde Interessen in den Krieg geschickt wird. Auch in der deutschen Friedensbewegung, die sich ab Ende der 1970er Jahre gegen die Stationierung von Nato-Atomraketen auf den Territorium der BRD wandten, spielten solche Beweggründe eine Rolle. An den Protesten gegen das Bremer Gelöbnis beteiligten sich Aktivisten dieser deutschen Friedensbewegung. Für die Riots sorgte die damals erstarkende autonome Bewegung, für die Schlacht vor dem Bremer Weserstadion ein wichtiges Datum war. Auch die übrigen öffentlichen Gelöbnisse, die im Laufe des Jahres 1980 in verschiedenen Städten über die Bühne gingen, sorgten für Proteste, die allerdings weitgehend friedlich verliefen und daher weniger Aufmerksamkeit erregten. Im Jahr 1996 sorge erstmals wieder ein öffentliches Gelöbnis für starke Proteste. Am Bündnis Gelöbnix waren auch Initiativen beteiligt, die die Traditionslinie der Bundeswehr zu deutschen Wehrmacht in den Mittelpunkt der Kritik stellten. Das pazifistische Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ sorgte nicht nur für juristische Klagen von Seiten der Bundeswehr. Auch manche Gelöbnix-Gegner kritisierten, dass der Nationalsozialismus von Soldaten besiegt werden musste, die so mit der Wehrmacht gleichgestellt würden.
Die aktuellen Gelöbnisse fallen in eine Zeit, in der die Bundeswehr weltweit operiert und auch im Inland längst Privilegien in Anspruch nimmt. Bereits im August 2019 hatte sich die Deutsche Bahn mit der Bundeswehr auf Gratisfahrten von Soldaten in Uniform in IC und ICE-Zügen geeinigt. „Es geht darum die Bevölkerung an den Anblick von Soldatinnen und Soldaten zu gewöhnen und Akzeptanz zu schaffen“, erklärt der Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DGF-VK) Michael Schulze von Glaßer gegenüber der Jungle World. Die Proteste gegen das Gelöbnis 1980 erklärt er auch mit der Allgemeinen Wehrpflicht. „Weil damals noch jeder junge Mann direkt mit der Entscheidung konfrontiert war seinen Kriegsdienst machen zu müssen bzw. ihn aktiv zu verweigern, gab es damals mehr Betroffenheit bei den Menschen“. Aktuell setzt die DFG-VK auf Aufklärungsarbeit. „Wir haben Materialien gegen Militärwerbung erstellt. Neue Materialien speziell gegen Gelöbnisse und auch die drohende Reaktivierung des Kriegsdiensts sollen bald folgen“, kündigt von Glaßer an. Der ehrenamtliche DGB-Vorsitzende von Munster in Niedersachsen Charly Braun spricht im Gespräch mit der Jungle die gewandelte Rolle Deutschlands in den letzten 30 Jahren an.„Die Gelöbnis-Störungen von 1980 und 1990 standen noch nicht unter den Zeichen internationaler Kampfeinsätze wie heute. 1990 hofften gar viele Menschen, dass Abrüstung auch bei der Bundeswehr möglich sei, denn der Kalte Krieg endete. Dazu kam es nicht, denn Deutschland „ist seit 1990 wieder wer“ und verteidigt seine ökonomischen Interessen in einer Art „Vorwärtsverteidigung“ in anderen Staaten. Für den Gewerkschaftler, der sich im antimilitaristischen Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ engagiert, ist das Stören von Gelöbnisse „heute sehr viel nötiger als vor 30 oder 40 Jahren“. Anders als damals gehören die Grünen nicht mehr zu ihren parlamentarischen Bündnispartnern.. Lediglich die Linkspartei argumentiert gegen Rüstung und Gelöbnisse, wenn auch in machen Bundeswehrstandorten in Ostdeutschland schon andere Stimmen zu hören sind. Der lange in der antimilitaristischen Bewegung aktive Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger sieht die Gelöbnisse „alsTeil einer massiven Aufrüstung, die nicht nur materiell und finanziell, sondern auch in der öffentlichen Debatte vorangetrieben wird.“ Doch er sieht auch Hoffnung für die Gegner. Erfreulicherweise fällt es der Bundeswehr jedoch sehr schwer, genügend Personal zu finden, weil „viele junge Menschen dem Militär kritisch gegenüberstehen“, meint Pflüger. Dass anders als die Verteidigungsministerin geplant, längst nicht in allen Bundesländern Gelöbnisse stattgefunden haben sieht Pflüger als Erfolg.
Peter Nowak
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