Die jahrelange antisemitische Kampagne der ungarischen Rechtsregierung gegen den Kosmopoliten George Soros [1] hatte sicher manche europäischen Konservativen nicht gefallen. Aber die Kritik war nicht dominant. Doch nachdem die ungarische Rechtsregierung jetzt auf Plakaten nicht nur Soros, sondern auch den EU-Kommissionspräsidenten Junker für die Migration von Flüchtlingen in die EU verantwortlich machte, wird der Unmut mancher Konservativer über die ungarischen Rechten lauter.
„Sie haben das Recht zu wissen, was Brüssel plant. Sie wollen verpflichtende Umsiedlungsquoten einführen“, heißt es auf Plakaten, auf denen Soros und Junker zu sehen sind und die in vielen ungarischen Städten kleben. Das Kalkül der ungarischen Regierung ist durchschaubar.
Nachdem sie massive Einschränkungen der Rechte von Lohnabhängigen durchgesetzt hat und sich eine wahrnehmbare außerparlamentarische Opposition auf den Straßen Budapests [2] bemerkbar macht, will die Fidesz-Partei mit noch mehr Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus die rechten Reihen schließen.
Vor allem von der offen neofaschistischen Jobbik, der größten Oppositionspartei, will sie Stimmen bekommen. Schließlich versucht sich Jobbik als Teil des heterogenen Protestbündnisses gegen die Orbán-Regierung zu inszenieren, das auch innerparteilich umstritten ist. Denn ideologisch sind die Trennlinien zwischen Fidesz und Jobbik genauso unscharf wie zwischen der ungarischen Regierungspartei und den konservativen europäischen Parteien [3], die Orbán immer wieder hofieren und durchaus auch in der Vergangenheit schon mal heftig kritisierten.
Orbanisieren sich die Konservativen oder trennen sie sich von Orbán?
Schon Anfang September 2018 meldete [4] die Süddeutsche Zeitung, dass die CDU angeblich auf Konfrontationskurs zu Orbán gehe. Damals ging es um Rechtsstaatsverfahren und die Migrationspolitik. Der damaligen CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer wurde eine Schlüsselrolle bei der stärkeren Kritik an der ungarischen Regierungspartei zugeschrieben. Versucht sie nun als Parteivorsitzende diesen Kurs zu verstetigen?
Ein paar Wochen zuvor hatte die Süddeutsche Zeitung noch eine andere Tendenz kommentiert [5]:
Die Konservativen in Europa orbánisieren sich
Das Modell Ungarn gewinnt im EU-Parlament immer mehr Anhänger. Das erfordert viel Toleranz von der Europäischen Volkspartei, die verschiedenste Kräfte versammelt. Die Spannungen könnten sie zerreißen.
Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung [6]
Der Befund dürfte auch heute noch zutreffen.
Das Modell Orbán hat Unterstützung in Teilen der extremen Rechten, aber auch weit in die Reihen der Konservativen hinein. Daher ist es auch so schwierig, die Fidesz aus dem Bündnis der europäischen konservativen Parteien zu werfen. Denn Orbán hat viele Angebote, in ein Bündnis mit EU-Rechtsaußenparteien zu gehen und dort auch eine wichtige Rolle zu übernehmen.
Die Konservativen befürchten dann aber Stimmeneinbußen bei den Wahlen und sie befürchtet noch mehr, eine durch den Abgang von Fidesz dezimierte EU-Fraktion könnte nicht mehr die Spitzenposten in der EU garantieren. Andererseits gibt es liberale Konservative, die durch Fidecz verschreckt werden. Doch ist fraglich, wie groß der Anteil dieser liberalen Konservativen ist.
Für Orbán ist die Beteiligung am konservativen Parteienbündnis vor allem eine taktische Frage. Als Mitglied einer Rechtsaußenposition ist es natürlich schwerer, an die nötigen EU-Gelder zu kommen. Warum nicht Teil der konservativen EVP-Fraktion sein, wenn man trotzdem die eigene rechte Politik umsetzen kann?
Es wird sich zeigen, ob Orbán zu Kompromissen bereit ist, um dauerhaft Teil des konservativen Bündnisses zu bleiben. Oder ob er eine Führungsrolle in einem Rechtsbündnis mit Salvini und Co. anstrebt?
Das wird sich wohl erst nach den Europawahlen entscheiden, weil dann auch erst die neuen politischen Kräfteverhältnisse deutlich werden. Ein Erfolg des Rechtsblocks würde natürlich auch Orbán erleichtern, sich dem anzuschließen.
Wie geht die israelische Regierung mit Orban um?
Denn wichtiger als der gute Kontakt mit den EU-Konservativen ist Orbán das gute Verhältnis zur gegenwärtigen israelischen Rechtsregierung. Bisher hat er es verstanden, trotz seines auf Soros bezogenen Antisemitismus die israelische Rechtsregierung und vor allem Netanyahu als guten Partner an seiner Seite zu wissen.
So wird Orbán auch zum role model einer Rechten, die einen eigentlich alten Antisemitismus, der auf den Mythos vom jüdischen Kapitalisten und Kosmopoliten beruht, mit guten Beziehungen zu Israel verknüpfen versucht. Auch diese Israelfreundschaft kann auf antisemitischen Motiven beruhen, beispielsweise der Mär vom großen Einfluss Israels beziehungsweise der Juden auf die Weltpolitik.
Nun ist auch in der israelischen Rechten die Partnerschaft Netanyahus mit dem Orbanismus nicht unumstritten. Daher wäre eine Niederlage Netanyahus bei den israelischen Parlamentswahlen wohl ein größerer Schlag für Orbán als ein Ausschluss seiner Partei aus der EVP-Fraktion.
Der Orbanismus zeigt sich auch im israelischen Wahlkampf. Hier bemüht sich Netanyahu darum, dass mit der „Jüdischen Kraft“ eine Partei, die der in Israel verbotenen faschistischen Kach-Bewegung nahesteht, in die Knesset einziehen und seiner künftigen Regierung eine Mehrheit verschaffen könnte [7].
Die Frankfurter Rundschau charakterisiert [8] die Rechtsaußenpartei so:
„Jüdische Kraft“ wird von Anhängern des rassistischen US-stämmigen Rabbiners Meir Kahane geführt. Er hatte 1971 die verbotene Kach-Bewegung gegründet, die sich für die Vertreibung aller Araber aus Israel und die Beseitigung der liberalen Demokratie im jüdischen Staat einsetzte.
Frankfurter Rundschau
Dagegen mobilisiert ein bürgerliches Bündnis [9], das ebenfalls rechts ist, aber sich gegen die weitere Orbanisierung der israelischen Politik stellt. Wie rechts auch dieses oppositionelle Bündnis ist, zeigt sich daran, dass dort kein Platz für die ehemalige Kadima-Politikern Zipi Livni, weil sie als zu links gilt [10].
Dabei vertritt die Politikern realistische konservative Positionen, wie sie Ariel Scharon in den letzten Jahren seines politischen Lebens repräsentiert hat, als er den rechten Likud verließ und mit Livni die Partei Kadima gründete. Die Orbanisierung der israelischen Politik zeigt sich auch in den Angriffen israelischer Politiker gegen eine aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin [11]. Die dort gezeigte Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ [12] präsentiert auch die Sichtweise der arabischen Seite in Bild und Text.
Eigentlich müssten gegen solche rechten Angriffe alle Kräfte zusammenstehen, die ja auch gegenüber Orbán die europäischen Werte stark machen. Aber ausgerechnet der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck hat sich mit einen Artikel in der Zeit [13] hinter den „Orbán aus Jerusalem“ gestellt und die Ausstellung als antiisraelisch kritisiert.
Es ist eine Sache, Detailkritik an einer Ausstellung zu üben und eine andere, die Einmischung von Regierungen in künstlerische Belange und die Arbeit von Museen und Galerien zurückzuweisen, wo immer sie stattfinden.
Peter Nowak
URL dieses Artikels:http://www.heise.de/-4317013
Links in diesem Artikel:[1] https://www.heise.de/tp/features/Soros-und-der-israelbezogene-Antisemitismus-4182720.html?seite=all
[2] https://www.heise.de/tp/features/Proteste-in-Ungarn-Orban-verschwinde-4251927.html
[3] https://www.epp.eu
[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/ungarischer-premier-cdu-aendert-kurs-gegen-orbn-1.4124311
[5] https://www.sueddeutsche.de/politik/evp-zeitgeist-von-rechts-1.4005834
[6] https://www.sueddeutsche.de/politik/ungarischer-premier-cdu-aendert-kurs-gegen-orbn-1.4124311
[7] https://www.arte.tv/de/afp/neuigkeiten/wichtigste-netanjahu-herausforderer-schmieden-wahlallianz
[8] https://www.fr.de/politik/wahlen-israel-widerstand-heiligen-land-11788275.html
[9] https://www.fr.de/politik/wahlen-israel-widerstand-heiligen-land-11788275.html
[10] https://www.juedische-allgemeine.de/israel/zipi-livni-zieht-sich-aus-politik-zurueck/
[11] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/netanjahu-kritisiert-ausstellung-im-juedischen-museum-berlin-15952144.html
[12] https://www.jmberlin.de/ausstellung-welcome-to-jerusalem
[13] https://www.zeit.de/2019/05/juedisches-museum-berlin-jerusalem-ausstellung-benjamin-netanjahu
https://www.heise.de/tp/features/EU-Streit-unter-Rechten-4317013.html?view=print