Wechsel – nicht Wahlempfehlung

 Ver.di übt mit Kampagne vor den NRW-Wahlen Kritik an der Landesregierung
Ver.di protestierte in Köln gegen die desolate Finanzlage der Kommunen. Die Kampagne für einen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen soll noch bis 100 Tage nach der Wahl weiterlaufen. 
 
Am Mittwochvormittag erlebte Köln eine Alarmübung der besonderen Art. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di brachte an der Hohenzollernbrücke zwischen Dom und Messegelände große Transparente an, auf denen vor dem finanziellen Ausbluten der Kommunen gewarnt wurde. Nach Feststellung des Städtetages Nordrhein-Westfalen erreichte 2009 nicht einmal jede zehnte Mitgliedskommune einen echten Haushaltsausgleich, mehr als ein Drittel der kreisfreien Städte waren Haushaltssicherungskommunen, in diesem Jahr werden es nahezu 60 Prozent sein. Bisher weigert sich die schwarz-gelbe Landesregierung, die Kommunen an den eingenommenen Landessteuern zu beteiligen.

»Vor diesem Hintergrund bin ich sehr gespannt, wie sich NRW zu den Plänen der überwiegend schwarz-gelb besetzten Regierungskommission zur Gemeindefinanzierung stellt«, sagte der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Bsirske laut einer Mitteilung. Er sprach in dem Zusammenhang von einem »Generalangriff auf die finanzielle Basis der Kommunen«.

Die symbolische Brückenbesetzung im Stil von Greenpeace ist nicht die einzige Aktion, die ver.di zurzeit in NRW organisiert. Mit der Kampagne »Weiter so war gestern« meldet sich die Gewerkschaft seit Wochen im laufenden Landtagswahlkampf zu Wort. In der Vergangenheit haben Gewerkschaften mit Wahlprüfsteinen in laufende Wahlkämpfe eingegriffen. Doch in NRW belässt es ver.di nicht bei Presseerklärungen, sondern geht auf die Straße. Neben der Finanzarmut der Kommunen ist die Bildungspolitik eine weitere Säule der Kampagne. Unter dem Motto »Wähle Deine Bildungsperspektive« organisierte ver.di am 22. April gemeinsam mit Jugendverbänden einen Aktionstag. Die Teilnehmer wandten sich mit Transparenten und Sprechblasen sowohl gegen Studiengebühren als auch gegen die Misere im Ausbildungsbereich. Der dritte Schwerpunkt der Kampagne ist der Kampf für einen Mindestlohn.

Dass die Forderungen mit der konservativ-liberalen Landesregierung nicht umgesetzt werden können, ist evident. Doch um eine Wahlempfehlung geht es der Gewerkschaft nicht. »Wir fordern vielmehr einen Politikwechsel«, betonte die nordrhein-westfälische ver.di-Landesleiterin Gabriele Schmidt gegenüber ND. In den nächsten Tagen stehen noch weitere Termine auf der Agenda. So wollen die ver.di-Kollegen aus Münster am 4. Mai den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle auf ihre Weise begrüßen. Am 5. Mai beteiligt sich ver.di an einer Demonstration gegen Studiengebühren in Düsseldorf. Manche Aktivisten beschränken ihre Kritik allerdings nicht nur auf die schwarz-gelbe Landesregierung. So kritisieren Attac-Gruppen aus NRW den DGB-Vorsitzenden von NRW und designierten Arbeitsminister im SPD-Schattenkabinett, Guntram Schneider, weil der gemeinsam mit der wirtschaftsliberalen Bertelsmann-Stiftung ein Seminar zur Finanznot der Kommunen organisiert hat.

Die ver.di-Kampagne wird am Wahlabend nicht zu Ende sein, sondern danach noch 100 Tage fortgeführt. »Wir wollen damit die Koalitionsgespräche begleiten und alle Parteien dort mit unseren Forderungen konfrontieren«, betont Schmidt.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/170100.wechsel-8211-nicht-wahlempfehlung.html

Peter Nowak