
Vor zwei Jahren bewarb sich Benjamin Ruß auf eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik der Technischen Universität München (TUM). Eine Professorin wollte den studierten Geographen mit Master-Abschluss in Urbanistik einstellen. Doch die Personalabteilung der Uni schickte ihm, wie in Bayern üblich, einen Fragebogen zu seiner Verfassungstreue. Dann gab es eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Auf der Basis der Einschätzung des Geheimdienstes …
… lehnte die Uni die Anstellung von Ruß ab.
TUM-Kanzler Albert Berger schrieb in einer Stellungnahme, Ruß bediene sich »in der Gesamtheit seiner Äußerungen … klassischer Begriffe wie Faschismus, Rassismus, Kapitalismus, Polizeigewalt/-willkür, mittels derer auch die Gegnerschaft zur bestehenden Ordnung betont und begründet wird«. Der Anwalt des Freistaats, Gerhard Greiner, stellte klar, Ruß sei nicht nur wegen seiner von ihm selbst im Fragebogen angegebenen Mitgliedschaften im der Linkspartei nahestehenden Studierendenverband SDS und in der Roten Hilfe, einer Hilfsorganisation für politische Gefangene, ungeeignet für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst.
Greiner zitierte auch aus veröffentlichten Texten von Ruß, in denen er sich für die umfassende Wahrnehmung des Streikrechts und gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) positioniert. Auch Texte, in denen Ruß sich zu Arbeitskämpfen äußert, werden ihm vorgehalten. So hat er in einem Artikel geschrieben: »Die Streiks müssen konsequent bis zum Ende geführt werden und nicht nach drei Warnstreiks in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber enden.« Zudem sprach er sich für politische Streiks aus und forderte, die Betriebe zu demokratisieren.
Das Arbeitsgericht München gab dem Freistaat Recht. Ruß verlor die Klage und konnte die Stelle an der TUM nicht antreten. Weitere juristische Schritte kann er nicht unternehmen, weil seine Anwältin, die prominente Sozialdemokratin Hertha Däubler-Gmelin, aus juristischen Gründen davon abriet und Ruß daher auch keinen weiteren Rechtsschutz von Ver.di bekäme.
Doch nicht nur im Freistaat Bayern erhalten Linke wieder Berufsverbot. In Hessen darf der 27jährige Luca nicht als Lehrer arbeiten. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er wegen Landfriedensbruch verurteilt wurde. Es wurde ihm vorgeworfen, auf einer Demonstration am 1.Mai 2021 einen Rauchtopf, den die Polizei in die Menge geschmissen hatte, zur Seite geworfen zu haben, um einen verletzten Demonstranten zu schützen. Die Petition »Lasst Luca lehren« bei change.org wurde auch von der hessischen GEW unterstützt. Peter Nowak
In Berlin wurde die Sozialarbeiterin Ines Heider von ihrem Arbeitgeber, einem gemeinnützigen sozialen Träger entlassen, weil sie einen Demonstrationsaufruf gegen Sozialkürzungen im Berliner Stadtteil Neukölln über Mail verbreitet hatte. Damit hätte sie die Beziehungen des Trägers zum Bezirksamt gefährdet, lautet die Begründung für ihre Entlassung.