Friedrich Merz wollte die Ergebnisse der AfD einst halbieren. Davon ist das bürgerlich-konservative Lager weit entfernt. Welche Konsequenzen das hat.

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Hier zeigt sich auch das Dilemma einer CDU, die den rechten Rand wieder stärker integrieren will. Prinzipiell hätte sie dazu viele Möglichkeiten, denn in vielen gesellschaftspolitischen Fragen sind die Schnittmengen zwischen konservativer CDU und AfD groß.Aber es gibt inzwischen eine linksliberale Zivilgesellschaft, die kampagnenfähig ist. Sie wird sofort mobilisieren, wenn sich die Positionen von CDU und AfD in bestimmten Fragen zu sehr überschneiden.

Die Hütte brennt„, titelt die FAZ über einem Kommentar zu einer Personalie in der CDU, der viel über die aktuellen Probleme der Partei aussagt. Parteichef Friedrich Merz tauscht seinen Generalsekretär aus: Auf Mario Czaja folgt Carsten Linnemann. Beide stehen für unterschiedliche Facetten des deutschen Konservatismus. Czaja gibt sich als Konservativer, dem auch soziale Themen nicht fremd sind. Er galt als jemand, der den Merkel-Kurs in der Union fortsetzen, also auch im linksliberalen Terrain weiter Stimmen für die CDU holen wollte. Dass Merz ihn überhaupt zum Generalsekretär machte, lag aber vor allem daran, …

… dass er einen langjährigen PDS- bzw. Linkspartei-Wahlkreis für die CDU gewinnen konnte. Im Wahlkampf spielte Czaja seine ostdeutsche Herkunft aus und spekulierte auf sozialkonservative Wähler mit SED-Hintergrund, denen zu viele moderne Themen wie Feminismus und Umwelt fremd sind. Der Merz-Vertraute Linnemann hingegen ist ein Marktkonservativer, der bisher immer als konsequenter Verfechter des ungeregelten Unternehmertums aufgefallen ist.

CDU und AFD

Nun stellt sich die Frage, welches Kalkül hinter diesem Personalwechsel steckt. Schließlich muss die CDU bei einigen Landtagswahlen in Ostdeutschland wie Sachsen und Sachsen-Anhalt befürchten, von der AfD als stärkste Partei überholt zu werden.

Warum aber meinen Merz und seine Berater, der AfD und ihrer nationalpatriotischen Propaganda ausgerechnet mit einem Marktradikalen aus der ehemaligen BRD Paroli bieten zu können? Die Frage ist, ob sie das grundsätzlich überhaupt wollen, denn bei genauerem Hinsehen wird klar, dass auch die AfD Teil des Besitzblocks ist und sich in der Verteidigung von Kapitalinteressen kaum von Linnemann und Co. unterscheidet.

Dass die Rechtspartei den Kapitalismus ethnisiert und sich auf vermeintliche deutsche Kapitalinteressen beruft, mag auf den ersten Blick anachronistisch erscheinen, da das Kapital längst global agiert.

Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass gerade für die mittelständische Industrie der Standort Deutschland nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. In diesen Kreisen verfängt die Propaganda einer angeblich von den Grünen betriebenen Deindustrialisierung Deutschlands.

Tatsächlich konkurrieren hier AfD und CDU um die Interessenvertretung. Die Personalie Linnemann soll diese konservativen Wirtschaftskreise ansprechen und ein Abwandern zur AFD verhindern.

Man darf nicht vergessen, dass ein Teil des rechten Flügels der Union, der mit der Merkel-Union fremdelte, in den letzten Jahren längst zur AfD gewechselt ist. Dafür stehen Personen wie Martin Hohmann, aber auch viele Politiker aus der zweiten Reihe.

Friedrich Merz repräsentierte den maximalen Gegensatz zur Merkel-Union, weil er von ihr über ein Jahrzehnt in seinen Karriereplänen ausgebremst worden war und sich dann zunächst ganz aus der Politik zurückgezogen hatte. Erst mit Merkels Abgang bekam er nach einigen Anlaufschwierigkeiten seine zweite Chance.

Nun waren viele dieser Konservativen in den letzten Monaten von Merz enttäuscht, weil sie eine Fortsetzung der Merkel-Union light sahen. Mario Czaja war ihr Gegenspieler. Mit seiner Ablösung setzt Merz alles auf eine Karte, wie die FAZ kommentiert.

Mit Linnemann ist der Parteiapparat nun auf Kurs. Sollten die Wahlerfolge dennoch ausbleiben und die AfD gar in einem der ostdeutschen Bundesländer stärkste Partei werden, wird die Kanzlerdebatte in der Union wieder Fahrt aufnehmen.

CDU: Innerparteiliche Kampfansage

Längst haben Merz‘ Konkurrenten deutlich gemacht, dass er für sie noch nicht als Kanzlerkandidat ausgemacht ist. Natürlich sind noch viele Fragen offen, unter anderem, wann die nächste Bundestagswahl stattfindet. Es kann als unsicher betrachtet werden, ob die Regierung in ihrer jetzigen Konstellation die gesamte Legislaturperiode übersteht. Auch die Ergebnisse der nächsten Landtagswahlen spielen eine wichtige Rolle.

Damit hat Merz eine Ankündigung stillschweigend zurückgenommen. Er hatte sich einmal vorgenommen, die Wahlergebnisse der AfD zu halbieren. Damals lag die Rechtspartei bei rund zehn Prozent, eine Halbierung hätte sie in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde gebracht.

Wenn es heute gelänge, die Zustimmung zur AfD zu halbieren, wäre sie ungefähr dort, wo sie heute im Bundestag sitzt. Insofern könnte Merz sein Versprechen mit Worttricks vielleicht doch noch einlösen, wenn der demographische Höhenflug der AfD – wie man erwarten kann – sein Ende findet.

Ob es seiner Partei aber gelingen wird, der AfD vor allem im Osten Stimmen streitig zu machen, ist völlig offen. Immerhin hat die AfD in einigen Bundesländern ein eigenes Milieu aufgebaut, das nicht so schnell zu einer der verpönten „Altparteien“ zurückkehrt.

Dort hätte eine sozial-konservative Wagenknecht-Partei prinzipiell größere Chancen, wie es in der Praxis aussieht, bleibt abzuwarten. Dass die Aufstellung eines rechtskonservativen CDU-Politikers in Ostdeutschland nicht unbedingt eine Erfolgsgarantie ist, zeigte die Nominierung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in Südthüringen. Seine Kandidatur sorgte dafür, dass sich die Kräfte, die einen rechtsextremen Kandidaten ablehnten, zusammenschlossen und ihren Kandidaten durchsetzten.

Die AfD konnte zufrieden sein, konnte sie doch einmal mehr für sich reklamieren, die beste Adresse für diejenigen zu sein, die rechte Politik im Bundestag vertreten sehen wollen. Dass ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen ausgerechnet in den Tagen des Amtsantritts von Linnemann abgelehnt wurde, dürfte eher dem Terminkalender dieses Gremiums geschuldet gewesen sein.

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass in die Entscheidung auch Signale aus der Berliner Parteizentrale eingeflossen sind, den rechten Rand wieder stärker einbinden zu wollen. Gleichwohl dürften die Wirkungsmöglichkeiten Maaßens auf die Werteunion und ihr Umfeld beschränkt bleiben. Dafür hat er sich in den letzten Jahren zu deutlich am rechten Rand positioniert.

Kampagnenfähige Bürgergesellschaft

Hier zeigt sich auch das Dilemma einer CDU, die den rechten Rand wieder stärker integrieren will. Prinzipiell hätte sie dazu viele Möglichkeiten, denn in vielen gesellschaftspolitischen Fragen sind die Schnittmengen zwischen konservativer CDU und AfD groß.

Aber es gibt inzwischen eine linksliberale Zivilgesellschaft, die kampagnenfähig ist. Sie wird sofort mobilisieren, wenn sich die Positionen von CDU und AfD in bestimmten Fragen zu sehr überschneiden.

Wie das funktioniert, wurde erst kürzlich bei der Auseinandersetzung um das Renaturierungsgesetz im EU-Parlament deutlich. Da wurde der konservative Fraktionsvorsitzende Manfred Weber schon mal mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verglichen, weil er sich gegen die Vorstellungen der Grünen und vieler Umweltverbände stellte.

Das Gesetz bekam zwar eine knappe Mehrheit, war dann aber auch aus ökologischer Sicht so verwässert, dass die Konservativen das als Erfolg verbuchen können.

Wenn rechte Kooperationen kaum auf Kritik stoßen

Die Kampagnenfähigkeit der Linken zur Verhinderung rechter Kooperationen hat allerdings Grenzen. Dass sich die postfaschistische italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni recht erfolgreich als Teil der europäischen Konservativen zu präsentieren versucht, ist auch deshalb nicht so skandalträchtig, weil sie in der Frage des Umgangs mit dem Russland-Ukraine-Konflikt mit vielen Liberalen auf einer Linie liegt.

Es geht um die weitere Aufrüstung der Ukraine und die Etikettierung des Konflikts als Kampf zwischen Freiheit und Diktatur. Da mögen sich Rechte in der Opposition prorussisch geben, wie manche AfD-Politiker. Rechte, die in Europa Regierungsämter bekleiden, mögen sich wie Meloni als besonders nationaltreu darstellen.

Aber das wird in weiten Teilen des linksliberalen Spektrums nicht skandalisiert, weil man sich einig ist. Deshalb stieß auch ein Interview des verteidigungspolitischen Sprechers der CDU/CSU Roderich Kiesewetter in der taz kaum auf Kritik. Dabei rüstete er dort zumindest rhetorisch weiter auf, indem er Deutschland und nicht abstrakt einen Wertewesten als russisches Angriffsziel benannte. Auch sonst bediente er sich einer militaristischen Rhetorik, als er die Stationierung von Bundeswehrsoldaten in Ostdeutschland kommentierte:

Mit dieser Entscheidung geht auch ein Ruck durch die Bundeswehr. Damit wird deutlich, es sind keine Verteidigungsbeamten im Inland, sondern es sind Soldaten, und zwar Soldaten, die die Sicherheit Deutschlands und des Bündnisses verteidigen. Russland versucht sehr schleichend, den Zusammenhalt der westlichen Staaten zu zerstören, und wir sind hybrides Kriegsziel. Putin darf nicht an unserem politischen Willen zweifeln, dass wir die rumänischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verteidigen, oder das Baltikum mit seinen rund sechs Millionen Menschen.

Roderich Kiesewetter im Taz-Interview

Noch vor etwa 25 Jahren galt bis weit in linksliberale Kreise hinein der Grundsatz, dass Bundeswehrsoldaten zumindest in den Ländern nichts zu suchen hätten, in denen im Zweiten Weltkrieg Wehrmacht, Sondereinsatzkommando und Deutsche Bank gewütet haben.

Inzwischen gilt es fast schon als Standortvorteil für die Bundeswehr, wenn sie wieder in Ländern wie dem Baltikum stationiert ist, in denen es eine starke prodeutsche Nationalbewegung gab, die bereits mit dem Nationalsozialismus kollaborierte.

Vor rund zehn Jahren gab es in Süddeutschland ein kleines antimilitaristisches Bündnis, das gegen die von Kiesewetter maßgeblich initiierten Königsbronner Gespräche protestierte.

Wie sich jetzt herausstellt, hatten die Antimilitaristen mit ihrer Kritik völlig recht, dass Kiesewetter auch mit diesem Gesprächsformat eine Modernisierung des deutschen Militarismus vorantreibt. Hier wurden Diskussionen vorweggenommen, die heute in der Ära der Zeitenwende hegemonial geworden sind.

Nur hört man von den Antimilitaristen, die diese vorausschauende Kritik formuliert haben, heute kaum noch etwas. Roderich Kieswetter, der in der Union bestens vernetzt ist, entzieht sich der linksliberalen Kritik. Denn die Verteidigung des neuen deutschen Militarismus gilt dort nicht mehr als rechts. Peter Nowak