Nachruf: Anne Allex arbeitete zu Marginalisierten gestern und heute

Stichwortgeberin und Forscherin

Bald machte sie auch die Erfahrung, als Erwerbslose der Willkür der Arbeitsämter hilflos gegenüberzustehen. Dabei richtete sie zunehmend den Blick auf die Geschichte von Ausgrenzung und Stigmatisierung armer Menschen. Auch eine Großmutter von Allex wurde als asozial verfolgt und ab 1936 als Zwangsarbeiterin bei Osram dienstverpflichtet. Allex hatte erst Mitte der 199er Jahre von der Dimension dieser Verfolgung erfahren. Seit dieser Zeit setzte sie sich für ihre Rehabilitierung ein.

Die Einführung von Hartz IV war 2005 von Protesten der unterschiedlichen Art begleitet. In Berlin spielte Anne Allex dabei eine wichtige Rolle als Stichwortgeberin und Autorin. Letzten Freitag ist sie im Alter von 64 Jahren ge- storben. Erste Nachrufe kamen nicht nur von Aktivist*innen aus der Selbstorganisation von einkommensarmen Menschen, wo sie als langjähriges Mitglied des Runden Tisches von Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen auch bundesweit aktiv war, sondern auch von Gedenkinitiativen, in denen sie sich in den letzten Jahren engagierte. In der DDR arbeitete Allex als Ökonomin vor allem in der Technologieforschung …

… und musste nach der Wende wie viele Wissenschaftler*innen die Geringschätzung ihrer Qualifikationen erleben. Bald machte sie auch die Erfahrung, als Erwerbslose der Willkür der Arbeitsämter hilflos gegenüberzustehen. Dabei richtete sie zunehmend den Blick auf die Geschichte von Ausgrenzung und Stigmatisierung armer Menschen. Auch eine Großmutter von Allex wurde als asozial verfolgt und ab 1936 als Zwangsarbeiterin bei Osram dienstverpflichtet. Allex hatte erst Mitte der 199er Jahre von der Dimension dieser Verfolgung erfahren. Seit dieser Zeit setzte sie sich für ihre Rehabilitierung ein.

So gehörte Allex 2007 zu den Mitbegründer*innen des Arbeitskreises „Marginalisierte gestern und heute“, der sich für die Aufarbeitung der sozialrassistischen Verfolgung von als asozial stigmatisierten Menschen einsetzte. Mit Broschüren, Ausstellungen, Büchern und Gedenkveranstaltungen hat der AK Marginalisierte erreicht, dass die Geschichte des Berliner Arbeitshauses an der Rummelsburger Bucht nicht mehr vergessen ist. So erinnern heute in der Nähe des Ortes Tafeln an die Menschen, die dort verfolgt wurden, aber auch einige der Verantwortlichen werden genannt.

2017 gab Allex im Verlag AG Spak ein Buch heraus, in dem sich Autor*innen der Frage widmen, warum es bis heute so schwierig ist, dieser Opfer zu gedenken. Zudem wird dort an verschiedenen Beispielen auf die Kontinuität dieser Verfolgung bis in die Gegenwart hingewiesen.

Die Aufarbeitung dieser Geschichte und ihre Vermittlung an die jüngere Generation wurde für Allex zu einem zentralen Thema. Daran hindert sie ab 2020 die schwere Erkrankung, der sie nun erlag. Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort: