Aktionskünstler wird Amtsanmaßung vorgeworfen

Anklage wegen Satireaktion

Weil er ein Onlineportal erstellte, auf dem der Militärgeheimdienst vermeintlich zur Mithilfe bei der Suche nach gestohlenen Waffen aufrief, geht die Staatsanwaltschaft gegen Philipp Ruch vor.

Der Ton des Aufrufs des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der im Oktober 2020 durchs Internet geisterte, offenbarte eigentlich deutlich, dass es sich um Satire handelte. Unter dem Titel »Wo sind unsere Waffen?« versprach der vermeintliche Geheimdienst der Bundeswehr Personen, die sich an der Suche nach von der Truppe vermisstem Kriegsgerät beteiligen wollen: »Jetzt mitmachen und 1000 Euro für jeden Hinweis absahnen!« In einem Video wird selbstkritisch eingeräumt: »Seit Jahren klauen …

… rechtsextreme Netzwerke der Bundeswehr ungestraft Munition und schwere Waffen, um einen Bürgerkrieg anzuzetteln.« Das wolle man nun nicht länger zulassen: »Wir wollen jetzt unsere Waffen wiederhaben!«
Urheber des Aufrufs war das »Zentrum für politische Schönheit« (ZPS). Die Initiative ist seit langem für Aktionen bekannt, mit denen auf politische Skandale hingewiesen werden soll. Dennoch hat die Berliner Staatsanwaltschaft vergangene Woche Anklage gegen den Sprecher und Mitbegründer des Zentrums, Philipp Ruch, erhoben. Die Behörde wirft dem 42-Jährigen »Amtsanmaßung und Fälschung beweiserheblicher Daten« vor. Es sei zudem zu klären, ob derartige Aktionen noch von der Kunstfreiheit gedeckt sind.
In einem anderen Verfahren, in dem es ebenfalls um eine Aktion des ZPS ging, habe das Landgericht Berlin dies im Mai 2022 verneint, so die Staatsanwaltschaft. Damals ging es um eine Aktion, bei der die AfD im Wahlkampf 2021 mit Flyern hinters Licht geführt worden war. Im jetzt zur Debatte stehenden Fall müsse das Amtsgericht Tiergarten klären, ob sich Ruch strafbar gemacht habe.

Ruch soll Urheber des vermeintlichen Hinweisportals des MAD sein. Amtsanmaßung sieht die Staatsanwaltschaft einerseits in der Zusicherung an Personen, die Hinweise auf die Waffendiebe geben, bei eigener Beteiligung an Diebstählen straffrei zu bleiben. Andererseits wirft sie Ruch den Missbrauch von Hoheitszeichen der Bundeswehr für die Gestaltung der Webseite vor. In der Vergangenheit haben auch andere Aktionskollektive beispielsweise »Werbeplakate« der Bundeswehr im typischen Flecktarn-Design mit antimilitaristischen Botschaften gestaltet.
Ruch reagierte gelassen auf die Anzeige: »Wir sind uns sicher, dass uns die Kunstfreiheit schützt«, erklärte er. Das ZPS hat Erfahrungen mit der Justiz. So ermittelte der Geraer Staatsanwalt Martin Zschächner 2017 sogar wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches gegen die Gruppe.
Das ZPS hatte damals auf dem Nachbargrundstück von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke einen Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals errichtet. Damit hatte es auf eine Rede Höckes in Dresden reagiert, in der von einem »Denkmal der Schande« schwadroniert und eine »geschichtspolitische Wende« gefordert wurde. Nach Beginn des Ermittlungsverfahrens in der Angelegenheit wurde jedoch bekannt, dass Staatsanwalt Zschächner, der mit Vorliebe gegen linke Gruppen ermittelte, der AfD nahestehen soll. Er wurde in der Folge »auf eigenen Wunsch« mit anderen Aufgaben betraut. Später wurden die Ermittlungen eingestellt.
Das ZPS wird indes auch von links kritisiert. Im vergangenen Dezember war es für eine Umfrage verantwortlich, bei der die Teilnehmer*innen darüber abstimmen sollten, ob und wie der russische Präsident Wladimier Putin wegen Kriegsverbrechen bestraft werden soll. Dabei stand auch die Guillotine zur Auswahl. Zivilgesellschaftliche Organisationen monierten, hier werde die Todesstrafe wieder diskutierbar gemacht. In seiner spektakulärsten Aktion ließ das ZPS 2015 im Regierungsviertel Gräber für die im Mittelmeer getöteten Geflüchteten ausheben. Peter Nowak

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