Politik We still don‘t love paragraph 129a und b 01.01.2023 - Peter Nowak Die gesellschaftliche Linke hat sich mit Grund immer für die Abschaffung der Anti-Terror-Paragraphen 129a und b eingesetzt. Soll das nicht mehr gelten, wenn sie von den Staatsapparaten gegen rechts eingesetzt werden?

We still don‘t love paragraph 129a und b

Linkskommunist*innen wie Amado Bordiga haben schon in den 1920er Jahren kritisiert, dass die kommunistische Bewegung mit der Losung des Antifaschismus in eine Sackgasse gelaufen ist. Damit sprachen sie sich nicht gegen den antifaschistischen Kampf aus, allerdings gegen einen Antifaschismus unter bürgerlicher Hegemonie, der dann zum linken Flügel des Kapitalismus mutiert. Linke sollten stattdessen für eine sozialistische Gesellschaft eintreten, was auch eine klar antifaschistische Forderung ist, denn damit würde der Faschismus an den Wurzeln bekämpft.

Der Staat geht mit den Paragraphen 129a jetzt auch gegen rechts vor. Das ist das eigentlich Neue an der großangelegten Razzia von Anfang Dezember 2022. Bisher wurden diese Antiterrorparagraphen vor allem gegen linke und migrantische Strukturen angewandt. Linke forderten mit Grund die Abschaffung des Paragraphen 129a und b, weil er Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahmen des Staats legitimiert. Sollte die gesellschaftliche Linke diese Forderung aufgeben, nur weil jetzt diese Paragraphen auch gegen rechts angewandt werden? Man hat den Eindruck, dass …

… die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes, die von Linken und auch von Linksliberalen lange erhoben wurde, aufgegeben wurde, seitdem die Staatsorgane ihn vermehrt auch gegen rechts einsetzen.

Der Wechsel von Hans-Georg Maaßen – der zunehmend rechts-außen agiert – zu Thomas Haldenwang zeigt, dass es unterschiedliche Fraktionen im bürgerlichen Apparat gibt. Doch deswegen wird der Verfassungsschutz nicht plötzlich Verbündeter der Linken. Sollte die gesellschaftliche Linke nun auch noch den 129a und b-Paragraphen, den sie immer sehr begründet bekämpft hat, legitimieren, weil er ja jetzt angeblich gegen die Richtigen angewandt wird, hat sie nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Kritik am Staat und seinen ideologischen und repressiven Apparaten gehörte einst zur vornehmsten Aufgabe einer gesellschaftlichen Linken. Der emeritierte Politikwissenschaftler Joachim Hirsch hat schon während der Corona-Pandemie kritisiert, dass die Linke ihr schärfstes Instrumentarium, die Staatskritik, vergessen hat. Dass hat sich mit dem Ukraine-Konflikt noch verschärfst, wo ein Teil der Linken mit einer Fraktion des ukrainischen Nationalismus Russland besiegen will. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn auch plötzlich Instrumente des staatlichen Repressionsapparates nicht mehr kritisiert werden. Linkskommunist*innen wie Amado Bordiga haben schon in den 1920er Jahren kritisiert, dass die kommunistische Bewegung mit der Losung des Antifaschismus in eine Sackgasse gelaufen ist. Damit sprachen sie sich nicht gegen den antifaschistischen Kampf aus, allerdings gegen einen Antifaschismus unter bürgerlicher Hegemonie, der dann zum linken Flügel des Kapitalismus mutiert. Linke sollten stattdessen für eine sozialistische Gesellschaft eintreten, was auch eine klar antifaschistische Forderung ist, denn damit würde der Faschismus an den Wurzeln bekämpft.

Auch mit der Unterstützung von repressiven Gesetzen des bürgerlichen Staates gegen rechts gibt es historisch schlechte Erfahrungen. So unterstützte auch die USPD vor 100 Jahren nach den rechten Attentaten auf die liberalen Politiker Walter Rathenau und Matthias Erzberger das von der bürgerlichen Regierung verabschiedete Republikschutzgesetz. Doch meistens wurden Linke, darunter viele Kommunist*innen, nach diesem Gesetz verurteilt, während die Rechten oft verständnisvolle Richter*innen fanden. Daran hat heute so viel nicht geändert. Denn auch wenn die unterschiedlichen Fraktionen des Bürgertums zerstritten sind und die Auseinandersetzung auch mal repressiv gelöst wird – wie die Razzia vom Anfang Dezember zeigt – in der Verteidigung der kapitalistischen Eigentümerordnung sind sie sich einig. Gäbe es eine stärkere gesellschaftliche Linke, würden sich die staatlichen Repressionsorgane natürlich gegen sie richten. Das bekommen die Klima-Aktivist*innen, die zivilen Ungehorsam üben, ebenso zu spüren, wie Antifaschist*innen wie Lina, die sich bei ihrem Kampf gegen rechts nicht auf den Staat verlassen.


Mit aller Härte des Gesetzes gegen Klima-Aktivismus

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin führt ein Ermittlungsverfahren gegen Letzte-Generation-Mitglieder, die regelmäßig versucht haben, Pipelines an der Ölraffinerie Schwedt (Brandenburg) abzustellen. Nach Angaben der Letzten Generation gab es rund 30 Aktionen an Pipelines. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wertet diese Aktionen als „Störung öffentlicher Betriebe“ und ermittelt wegen dieser Straftaten. Außerdem sollen sich die Aktivist*innen an einer kriminellen Vereinigung beteiligt haben, deren Zweck oder Tätigkeit darauf abzielt, Straftaten von hinreichendem Gewicht zu begehen. Mitte Dezember kam es daher zu Hausdurchsuchungen bei 11 Aktivist*innen in sieben Bundesländern, die sich an Pipeline-Aktionen beteiligt hatten. In Bayern sitzen derzeit zwei Aktivisten in Gewahrsam, damit sie keine neuen Straftaten begehen. Der Gewahrsam ist vom Amtsgericht München bis zum 5. Januar festgesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Polizeiaufgabengesetz, das Gewahrsam von bis zu 60 Tagen zulässt, um bevorstehende Straftaten zu verhindern. Daneben wird mit weiteren juristischen Verschärfungen, die vor allem die Klimaaktivist*innen treffen sollen, schon die Bewegung kriminalisiert. Das geht bis zu Überlegungen, den Aktivist*innen die Polizeikosten aufzubürden.


Kampf gegen Kurd*innen in Deutschland
  

Mitte Dezember gab es eine weitere Razzia in Deutschland. Sie richtete sich gegen Vereine und Privatwohnungen von Menschen, die verdächtigt werden, der kurdischen Bewegung in Deutschland anzugehören. Dieser Kampf wird auch in Deutschland mittlerweile auf einem Niveau geführt, das an die Türkei selber ran reicht. Immer neue 129-b-Verfahren gegen kurdische Aktivist*innen, Beschlagnahme von Büchern in großen Ausmaß, Abschiebungen auch in die Türkei, das sind einige der Stichworte dazu. Immer wieder betrifft dies kurdische Aktivist*innen, die teilweise auch in der Türkei lange in Isolationshaft gesessen haben und dort gefoltert wurden. Dass es eine Retraumatisierung für die Betroffenen bedeuten kann, wenn sie erneut solchen repressiven Zuständen ausgesetzt werden, spielt dann keine Rolle. Das deutschtürkische Verfolgungsinteresse gegen Menschen, die mit dem Konzept einer Rätedemokratie durchaus Alternativen zum gegenwärtigen spätkapitalistischen System anzubieten hat, ist der eigentliche Grund, warum der Verfolgungseifer gegen die kurdischen Zusammenhänge so besonders hoch ist. Die kurdischen Linken machen auch deutlich, dass der Begriff Systemchange keine rechte Vokabel ist. Es ist eine genuine linke Forderung, dem kapitalistischen System eine Alternative entgegenzusetzen, die nicht auf der Vernutzung von Mensch und Natur basiert. Das wäre der Systemchange, der auch in der Klimabewegung an Popularität gewinnt, auch weil immer mehr erkennen, dass Kapitalismus und Klimagerechtigkeit ein Widerspruch sind. Je mehr in vielen Kreisen der Gesellschaft also erkannt wird, dass das kapitalistische System nur Krieg, Krise und Ausbeutung für die Mehrheit der Menschen zu bieten hat, desto schärfer gejen die repressiven Staatsorgane gegen verschiedene Oppositionsbewegungen vor. Sie sollten eingeschüchtert und in systemnahe Bahnen integriert werden. Deswegen ist es so wichtig, dass sich die Linke im Zuge eines angeblichen Kampfs gegen rechts nicht zum Teil des repressiven Staatsapparates macht. Zudem sollte sie deutlich machen, dass ein Systemchange heute die einzige Möglichkeit ist die Klimakrise zu bewältigen.

Daher sollte für die gesellschaftliche Linke unverändert gelten:

„We still don’t love Paragraph 129a and b! We still do not love the state power!“ Und selbstverständlich sollte die Forderung, dass alle 129a- und b Gefangenen freigelassen werden. Peter Nowak