rmittlungen gegen linksunten.indymedia fünf Jahre nach Verbot eingestellt

Linkes Online-Medium doch nicht kriminell

Nach dem Verbot der der Plattform linksunten.indymedia 2017 wurden zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Betreiber angestrengt. Jetzt sind die letzten beendet worden. Das ändert nichts daran, dass die Plattform weiterhin verboten ist.

Fünf Jahre lang ermittelten Staatsanwälte gegen Menschen, die bis zum Jahr 2017 ehrenamtlich die linke Nachrichtenplattform linksunten.indymedia betreut hatten beziehungsweise von denen dies vermutet wurde. Der Vorwurf lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs. Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte 2017 auch das Verbot des linken Mediums nach dem Vereinsgesetz verfügt und dies mit angeblich verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Plattformbetreiber*innen begründet. In der Folge wurden Rechner und andere Arbeitsmaterialien beschlagnahmt, in den Büros von Studierendenvertretungen gab es danach immer wieder Razzien. Doch jetzt hat offenbar Staatsanwalt Manuel Graulich das Ermittlungsverfahren endgültig für beendet erklärt. Das teilte die Autonome Antifa Freiburg mit. Demnach erhielt Anwältin Angela Furmaniak, die einige der von dem Ermittlungsverfahren Betroffenen verteidigte, bereits Mitte Juli eine entsprechende Mitteilung. Anlass von Verbot und Ermittlungsverfahren waren Texte, die …

… während und nach den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 auf linksunten.indymedia erschienen waren. In der Folge begann eine Law-and-Order-Kampagne, an der sich Politiker*innen von SPD bis AfD beteiligten. Die AfD hatte einen eigenständigen Antrag zum Verbot sämtlicher Indymedia-Strukturen in den Bundestag eingebracht, der allerdings keine Mehrheit fand. Im Visier der Kampagne standen vor allem außerparlamentarische Linke. So wurde gefordert, linken soziokulturellen Zentren wie der Roten Flora in Hamburg ihre Mietverträge zu kündigen, weil sie für die Proteste gegen den Gipfel geworben hatten. Schnell stellte sich aber heraus, dass es gegen solche Einrichtungen keine Handhabe gab. Mit dem Verbot von linksunten.indymedia wollte der CDU-Innenminister wenige Wochen vor den Bundestagswahlen Entschlossenheit gegen »linksextremistische Strukturen« demonstrieren. Getroffen wurde ein Organ der linken Gegenöffentlichkeit.  Indymedia war als transnationales Medium erstmals während der Proteste gegen den WTO-Gipfel in Seattle 1999 in Erscheinung getreten, der zugleich den Beginn der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung markierte. Die Medienaktivist*innen von Indymedia waren immer dabei und stellten die Infrastruktur, mit der über die Proteste und die staatliche Repression ungefiltert berichtet werden konnte. Schon früh wuden Indymedia-Aktivist*innen deshalb selbst Ziel staatlicher Repression. Im Juli 2001 gingen die Bilder vom Sturm schwerbewaffneter Polizist*innen auf die Diaz-Schule in Genua um die Welt. Es war auch der Ort, von dem aus Indymedia Nachrichten über die Massenproteste gegen den G8-Gipfel in der italienischen Stadt in alle Welt gesendet hatte. Die Euphorie des linken Medienaktivismus, die sich in frühen Erklärungen des Indymedia-Netzwerks niedergeschlagen hatte, war aber bald verflogen. Immer häufiger geriet es in die Kritik auch von links. Der Vorwurf lautete, dass sich auch rechte und irrationale Gruppen der Plattform bedienten. Im Jahr des Verbots von linksunten.indymedia hatten sich viele Aktivist*innen längst andere Kommunikationsformen geschaffen. Daher hielt sich der Protest gegen das Verbot in Grenzen. Eine größere linke Mobilisierung gegen die Kriminalisierung von mutmaßlichen Indymedia-Aktivist*innen gab es aber im Januar 2020, als vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klage gegen das Verbot nach dem Vereinsrecht behandelt wurde. Vor Gericht gezogen waren die fünf Beschuldigten aus Freiburg, denen die Verbotsverfügung zugestellt worden war. Sie betonten, nie Mitglied eines Vereins gewesen zu sein, und bestritten, dass es überhaupt einen Verein gegeben habe. Das Gericht nahm die Klage nicht an, entschied daher auch nicht über die Rechtmäßigkeit der Abschaltung des Mediums. Gegen diese Entscheidung legten die Betroffenen Beschwerde ein, über die aber noch nicht entschieden ist. Die Einstellung der letzten Ermittlungsverfahren – elf waren bereits 2019 ergebnislos beendet worden – ändert nichts daran, dass die Plattform weiterhin verboten ist. Erhalten geblieben ist das Archiv. Unter https://linksunten.indymedia.org können sich Leser*innen ein Bild von den Texten machen, die dort gepostet wurden. Es handelt sich tatsächlich überwiegend um Recherchearbeit über faschistische und antisemitische Strukturen. Texte über die Gentrifizierung von Städten finden sich dort. Peter Nowak

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