Fast fünf Jahre nach dem Verbot der linksradikalen Internetplattform linksunten.indymedia hat der Staatsanwalt Manuel Graulich ein Ermittlungsverfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) eingestellt, wie die Antifa Freiburg in einer kurze Erklärung auf ihrer Webseite mitteilt. Die Freiburger Anwältin Angela Furmaniak, die einige der von dem Ermittlungsverfahren Betroffene verteidigt, hat die Einstellungen der Ermittlungen bestätigt. Im August 2017 war die Internetplattform Indymedia Linksunten vom …
… Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach dem Vereinsgesetz wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten worden. Die Maßnahme erfolgte wenige Wochen nach den teilweise militanten Protesten gegen den G8-Gipfel in Hamburg und im Vorfeld einer Bundestagswahl, die stark von Law-and Order-Parolen gegen Linke geprägt war. Den mutmaßlichen BetreiberInnen der Plattform Indymedia Linksunten wurde vorgeworfen, sie hätten nicht verhindert, dass dort auch Texte gepostet wurden, die zu militanten Aktionen aufrufen oder sich zu solchen Aktionen bekennen.
Dagegen geklagt hatten die fünf Personen aus Süddeutschland, denen die Verbotsverfügung als Einzelpersonen zugestellt wurde. Sie bestritten, dass es den Verein überhaupt gegeben hat und sie dort Mitglied waren. Im Januar 2020 hatte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht die Klage gegen das Verbot abgewiesen, aber in der Sache nicht entschieden. Danach nahm die Karlsruher Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Beschuldigten wieder auf, konnte allerdings nicht genügend Beweise für die Erhebung einer Anklage finden. Nach Angaben der Antifa Freiburg konnten die Ermittlungsbehörden zahlreiche der im August 2017 beschlagnahmten Datenträger bis heute nicht entschlüsseln.
Mit dem Vereinsrecht gegen Medien
Die Abschaltung der Plattform wurde als Schlag gegen Medien interpretiert, die sich einer linken Gegenöffentlichkeit verpflichtet fühlen. Indymedia wurde vor fast 25 Jahren als weltweites und hierarchiefreies Netzwerk Unabhängiger Medienzentren gegründet. Als erste internationale Auftritte galten der „Carnival Against Capital“ in London und Köln sowie der WTO-Gipfel in Seattle 1999. Im Zuge der kurzlebigen globalisierungskritischen Bewegung gründeten sich in vielen Ländern Indymedia-Initiativen, die den Anspruch einer linken Gegenöffentlichkeit hatten. Schon bald waren sie von staatlicher Repression betroffen. Die Bilder der bei einem Polizeieinsatz im Indymedia-Zentrum blutig geschlagenen MedienaktivistInnen in der Diaz-Schule in Genua ging am 20. Juli 2001 um die Welt.
Auch die Abschaltung der Internetplattform Indymedia Linksunten stand in der Kritik vonseiten eines linken Solidaritätsnetzwerkes, aber auch von Grundrechtsorganisationen. So bezeichnete es der Jurist David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte als „extrem gefährlich“, wenn mit dem Vereinsrecht gegen Medien vorgegangen wird. Auch die JournalistInnenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) sprach von einem „rechtsstaatlich fragwürdigen Verbot“.
„International ist das ein bedenkliches Signal und liefert repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun“, lautet die Befürchtung von ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Um gegen strafbare Inhalte auf Indymedia Linksunten vorzugehen, hätte es weniger einschneidende Mittel gegeben. Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig“, monierte Mihr
Mit der Einstellung der Verfahren ist das Verbot nicht aufgehoben, kritisiert die Bloggerin Detlef Georgia Schulze, die sich in einem Solidaritätskomitee mit Indymedia Linksunten engagierte. Auch der juristische Streit ist noch nicht zu Ende. Gegen die Abweisung der Klage läuft noch eine Verfassungsbeschwerde, über die bisher nicht entschieden wurde. Erhalten geblieben ist das Archiv, in dem die Texte von Indymedia Linksuntendokumentiert sind, darunter auch Recherchearbeit über die rechte Szene in Südwestdeutschland sowie die Burschenschaftsszene. Peter Nowak
Nach einer Durchsuchung beim Freiburger Sender Radio Dreyeckland geriet wegen eines Beitrags zu Indymedia Linksinnen fand auch dieser Artikel wieder journalistisches Interesse: So schrieb Andrej Reisin auf den Blog Uebermedien über den Artikel:
Besonders interessant im Sinne der Argumentation der Staatsanwaltschaft ist, dass die „taz“ ihren Artikel ebenfalls mit einem Foto bebilderte, auf dem ein das Transparent einer Demonstration zu sehen ist, auf dem „Wir sind alle linksunten“ steht. Dennoch teilte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Übermedien mit, es werde nicht gegen andere Medien ermittelt, weil die Verlinkung nur strafbar sei, wenn sich die Inhalte zu eigen gemacht würden, was ausschließlich im inkriminierten Artikel von „Radio Dreyeckland“ der Fall sei.
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-linke-Plattform/!5871408/