Der Antikommunismus der Nachkriegs-CDU kannte keine Grenzen

Die Spitzelaffäre

Nun könnte man die Meldungen über die Spitzelaffäre nutzen, um endlich eine Unabhängige Untersuchungskommission einzurichten, die – analog zur DDR – auch die Geschichte der Verfolgung der linken Opposition in der BRD aufarbeitet. Stoff dafür gibt es genug, vom KPD-Verbot bis zu den Prozessen gegen Kommunist*innen (mit und ohne Parteibuch) bis in die 1960er Jahre.

»Es ist ein ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispielloser Vorgang, dass der erste demokratische Bundeskanzler seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ausbaute und festigte«, echauffierte sich Kevin Kühnert. Der SPD-Generalsekretär reagiert damit auf die Ergebnisse einer Unabhängigen Untersuchungskommission, die von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung beauftragt worden war. Darin enthüllt der Historiker Klaus-Dieter Henke, dass der …

… ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) gleich zwei Informanten im Parteivorstand der SPD platziert hatte; diese informierten ihn über parteiinterne Diskussionen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Für Kühnert erscheinen nun »Teile unserer bundesrepublikanischen Geschichte in einem ganz anderen Licht«.
So unbekannt, wie Kühnert suggeriert, ist die Geschichte der Verfolgung der oppositionellen Linken in der BRD allerdings nicht. Zumindest nicht für jene, die sich schon einmal kritisch mit der bundesrepublikanischen Geschichte befasst haben. Zahlreiche Schriften über die Verfolgung der Linken in den 1950er Jahren wurden etwa von radikaldemokratischen Jurist*innen wie Heinrich Hannover verfasst. Ins Visier gerieten damals linke Christ*innen, Pazifist*innen, kritische Gewerkschafter*innen sowie Sozialist*innen in und außerhalb der SPD. Einer von Adenauers Informanten im SPD-Vorstand hieß Siegfried Ortloff und war für die Abwehr kommunistischer Unterwanderung der SPD zuständig. Der zweite Spitzel, Siegfried Ziegler, war Mitglied der »Organisation Gehlen«, einem Kreis von Alt-Nazis, die von den Alliierten damit beauftragt worden waren, in der BRD weiter das Geschäft zu betreiben, das sie schon vor 1945 gut beherrschten: den Kampf gegen linke »Unterwanderung«. Die SPD-Interna landeten über seinen Vertrauten Hans Globke auf kurzem Weg bei Adenauer, der sich wohl immer Zeit für die Lektüre nahm. Globke stand als Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassegesetze weltweit in der Kritik, doch für Adenauer war er als Kämpfer gegen alle Linken unersetzlich.
Nun könnte man die Meldungen über die Spitzelaffäre nutzen, um endlich eine Unabhängige Untersuchungskommission einzurichten, die – analog zur DDR – auch die Geschichte der Verfolgung der linken Opposition in der BRD aufarbeitet. Stoff dafür gibt es genug, vom KPD-Verbot bis zu den Prozessen gegen Kommunist*innen (mit und ohne Parteibuch) bis in die 1960er Jahre. Oft wurden diese Linken verurteilt von Richtern mit NS-Hintergrund, die gerne eine besonders schwere Schuld feststellten, wenn eine angeklagte Person schon in der NS-Zeit bestraft worden war und deshalb als »unverbesserliche*r Überzeugungstäter*in« betrachtet wurde. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang etwa an die Ausschaltung des linken Gewerkschafters Victor Agartz, der für eine klassenkämpferische Linie des DGB stand. Weil er sich schon in den 1950er Jahren mit Gewerkschafter*innen in der DDR traf, wurde er verhaftet und öffentlich als Ostzonen-Agent diffamiert. Obwohl er nie verurteilt wurde, war er als kritischer Gewerkschafter damit ausgeschaltet. Nicht nur in seinem Fall haben führende Sozialdemokrat*innen bei der Demontage mitgeholfen. Der rechte Sozialdemokrat Georg Leber etwa rechnete es sich Zeit seines Lebens als Verdienst an, dass er als Vorsitzender der IG BAU 15 demokratisch gewählte Funktionäre aus dem Amt gejagt hatte, weil sie als Linke bekannt waren. Um Rechtsstaatlichkeit kümmerte der sich dabei genauso wenig wie die CDU-Informanten im SPD-Apparat. Peter Nowak

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