Klassenkampf statt Konsumentenideologie

Ukraine: Wenn Konsumenten einen Krieg verhindern wollen

Das Frieren für Putin ist nur eine neue Erscheinungsform, dieses Irrglaubens, es gäbe heute in der bürgerlichen Gesellschaft keine Klassen mehr, sondern nur noch Konsumenten, die mit ihren Kaufentscheidung angeblich den Lauf der Welt beeinflussen könnten.

Mal geht die Bildung baden und Studierende springen aus Protest in den Brunnen, dann wird das Asylrecht zu Grabe getragen und aus Protest dagegen tragen Menschen einen Sarg auf einer Demonstration herum. Eine solche Kultur der symbolischen Proteste sorgt immer wieder für viel Spott. Auch Frieren gegen Putin könnte in die Serie dieser Aktionen aufgenommen, die im Zweifel mit einer Erkältung bei den Protestierenden bezahlt werden, aber natürlich am Kriegsverlauf überhaupt nichts ändern.Trotzdem gibt es auch unter Teilen der gesellschaftlichen Linken Menschen, die …

… seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine lieber in der kalten Wohnung sitzen, als weiter mit russischem Gas zu heizen. Das könnte man als typisches Beispiel eines irrationalen Denkens bezeichnen. Schließlich hat es auf den Kriegsverlauf keinerlei Einfluss.

Selbst wenn sämtliche Bezieher von russischem Gas sich der Aktion „Frieren für Putin“ anschließen würden, würde damit die Kriegsmaschinerie nicht zum Stehen kommen. Russland hat genug Waffen, kann sie zudem selber produzieren und auch die Devisenreserven sind weiterhin hoch. Aber um Logik geht es nicht, wenn die angebliche Konsumentendemokratie aufgerufen wird.

Der Konsument als Weltverbesserer

Das Frieren für Putin ist nur eine neue Erscheinungsform, dieses Irrglaubens, es gäbe heute in der bürgerlichen Gesellschaft keine Klassen mehr, sondern nur noch Konsumenten, die mit ihren Kaufentscheidung angeblich den Lauf der Welt beeinflussen könnten.

Daher wird auch schon länger so ausgiebig diskutiert, zu welchen Stromlieferanten man wechseln sollte, bei welcher Bank der politisch korrekte Bürger sein Konto eröffnet und welche Biersorte der woke Linksliberale auf jeden Fall meiden sollte. Am Ende aber wird man immer feststellen, welches Produkt man auch wählt, es sind immer Waren im Kapitalismus und die so hehren gesellschaftspolitischen Ziele dienen da nur der Imagepflege.

Wenn sich schon nichts an den gesellschaftlichen Zuständen ändern lässt, so haben diejenigen, die sich bemüßigt fühlen, als Konsumenten die Welt verbessern zu wollen, wenigstens ein gutes Gefühl. Darauf kommt es ihnen ja auch in erster Linie an.

Diese Zufriedenheit verstärkt sich noch, wenn man auch noch Opfer vorweisen kann, die man für die gute Gesinnung bringt. Wenn man dann also mit einem Wollpullover und einer Mütze in der kalten Wohnung sitzt, weil man ja ein russisches Gas verbrauchen will, kann man sich in die vielbeschworenen Menschen in der Ukraine wähnen, die jetzt in schlecht beheizten Unterkünften ausharren müssen.

„Ich kann kein Blau-gelb mehr sehen“

Denn, wenn der Konsument als Gesellschaftsveränderer nur eine Schimäre ist, so unschuldig ist das Konsumentenbewusstsein im Krieg nicht. Es geht mit einer Mythologisierung der Ukraine als kämpfende widerständige Nation einher, wo plötzlich auch für manche gestandene Antifaschisten die faschistische Asow-Armee zumindest akzeptabel ist.

Denn in Kriegen gibt keine Widersprüche mehr, da kennt man auch keine Faschisten und Antifaschisten mehr, sondern nur noch Wahl-Ukrainer. Dass zumindest an Teil der realen Bewohner in der Ukraine schon seit 2014 im Krieg leben, die Bomben in den umkämpften Ostgebieten auch von der ukrainischen Armee kommen, darf dann auch nicht mehr erwähnt werden.

Wie es einer Ukrainerin aus diesen Gebieten geht, die aktuell in Deutschland lebt, kann man in einen Bericht in der Wochenzeitung Freitag lesen. Die Frau mit den Alias- Namen Marija Hirt vermittelt ein Bewusstsein, gerade im Krieg den Mythen keiner Seite zu trauen, das hierzulande auch bei vielen Linken verloren gegangen scheint.

Im Krieg ist Medien nicht zu trauen. Die russischen verbreiten abenteuerliche Geschichten und übertreiben maßlos, um die „Militäroperation“ als „Entnazifizierung“ oder unmittelbare Notwehr zu verkaufen. In Wahrheit geht es um kühle Geopolitik. Aber auch hierzulande zeigen die Medien ein Zerrbild. Ihnen zufolge steht die ganze Ukraine Gewehr bei Fuß gegen den – wahrscheinlich verrückten – Aggressor. Wer von Spaltung redet, bediene nur das „Putin- Narrativ“! Warum hat die Regierung dann jetzt „pro-russischen“ Parteien jede Betätigung verboten? Wenn hierzulande Kriegsbilder gesendet werden oder Flüchtlinge befragt, passt alles genau zum Tenor. Zwischentöne gibt es kaum. Warum? Weil man aus der Ostukraine Deutschland nicht erreichen kann? Glauben die Befragten, mit ihren Erzählungen ihre Anwesenheit rechtfertigen zu müssen? Will man nichts berichten, was „dem Feinde nützt“?

Marija Hirt, Freitag

Positiv ist zu konstatieren, dass manche Linke sich nach sechs Wochen Ukraine-Krieg an anti- nationale Basisschulungen erinnern.

„Hinter der deutschen Solidarität mit der Ukraine verbirgt sich auch eine fragwürdige Begeisterung für den nationalen Kampf. Den Menschen in der Ukraine ist damit nicht geholfen“, erkennt Torsten Mense sehr richtig in der Jungle World.

Strafe für Zeigen der Sowjetfahne

Eine Kritik an der Ukranophilie, der Mythologisierung der Ukraine als widerständige Nation, die von den Asow-Brigaden bis zu den Anarchisten, den Besatzern entgegentritt, ist gerade in Deutschland dringend notwendig. Denn sie ist deshalb sehr gefährlich, weil sie auch in Deutschland dafür sorgt, dass die Grundrechte der Menschen noch weiter abgebaut werden und die Staatsapparate Maßnahmen verfügen können, die noch vor Wochen undenkbar gewesen wären.

So verfügte der niedersächsische Innenminister Pistorius, dass nicht nur das ominöse Z-Symbol sondern auch die Sowjetfahne verboten ist.

Auch der Anmelder des Bremer Ostermarsches erhielt eine Verfügung des Ordnungsamts, in der es heißt:

Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Russischen Föderation auf dieUkraine kann derzeit in der Verwendung bestimmter Symbole in der Öffentlichkeit eine Straftat liegen (Billigung eines Angriffskrieges gemäß § 140 Satz 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB und § 13 Völkerstrafgesetzbuch). In der aktuellen Lage gehören zu diesen Symbolen u.a. das sog. „Georgsband“, die Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Siegesfahne der Roten Armee. Wir weisen Sie eindringlich darauf hin, dass die Verwendung solcher Symbole durch Versammlungsteilnehmende eine strafrechtliche Überprüfung durch Polizei und Staatsanwaltschaft zur Folge haben würde.

aus der Verfügung des Ordnungsamtes Bremen zum Ostermarsch.

Selbst pessimistische Kritiker der deutschen Verhältnisse hätten sich wohl nicht vorstellen können, dass wenig Wochen vor dem Jahrestag des Sieges über den Nationalsozialismus in Deutschland das Zeigen der Fahne eines der Länder verboten wird, die am meisten zum Ende des NS-Regimes beigetragen haben.

Klassenkampf statt illusionäre Konsumentenideologie

Der Melange aus wirkungslosen Konsumentenbewusstseins und gefährlicher Ukranophilie wäre ein Klassenbewusstsein entgegenzusetzen. Nicht die Konsumenten, sondern die Arbeiter können real in das Kriegsgeschehen eingreifen. Dafür gibt es nicht nur historische, sondern auch aktuelle Beispiele. So haben sich in Belorussland Arbeiter geweigert, russisches Militärgerät zu transportieren. Lohnabhängige in Italien) und Griechenland weigerten sich, Nato-Waffen weiterzuleiten

Solche Meldungen werden allerdings auch in den hiesigen Medien kaum erwähnt. Sie würden schließlich einen Hinweis geben, wo der Hebel sitzt, um Kriege zu verhindern, nicht in dem sie sich als Konsumenten, sondern als Arbeiter organisieren. Daran hat sich seit mehr als 100 Jahre, nachdem Arbeiter den 1. Weltkrieg durch Revolutionen beendet haben, ebenso wenig verändert wie am Drang der kapitalistischen Blöcke zum Krieg. Der Konflikt in der Ukraine zwischen Nato und Russland ist da nur das aktuelle Beispiel.

https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Wenn-Konsumenten-einen-Krieg-verhindern-wollen-6684830.html
https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Wenn-Konsumenten-einen-Krieg-verhindern-wollen-6684830.html