Eine schwierige Kooperation, bei der beide Seiten viel zu gewinnen haben

KLIMABEWEGUNG UND GEWERKSCHAFTEN

Es muss sich zeigen, ob das Beispiel des Münchner Bosch-Werks Schule macht. Eine solche Kooperation muss erkämpft werden – gegen GewerkschafterInnen vom Typus eines Klaus Ernst ebenso wie gegen KlimaaktivistInnen, die in den Beschäftigten in den Fabriken der Massenproduktion nur rücksichtslose Klimaschweine sehen. Dabei würden von einer gelingenden Kooperation beide Seiten profitieren. Die Gewerkschaften könnten für jüngere, aktivistische Kreise attraktiv werden, und die Klimabewegung könnte nicht nur neue Bündnispartner gewinnen, sondern auch erkennen, dass der Kampf um ein Klima, in dem alle Menschen leben können, eine Klassenfrage ist.

Mitte Dezember gab es eine kurze Auseinandersetzung zwischen Teilen der Umweltbewegung und der Linkspartei. Es ging um den einzigen Bundestagsausschuss, bei dem die nach den letzten Wahlen geschrumpfte Linksfraktion den Vorsitz hat: den Ausschuss für Klima und Energie. Die Fraktionsmehrheit bestimmte als Ausschussvorsitzenden den Abgeordneten Klaus Ernst. Unterlegen war der ehemalige Parteivorsitzende Bernd Riexinger, der von einer starken Minderheit für die Funktion vorgeschlagen wurde. Innerhalb kurzer Zeit mobilisierten vor allem …

… jüngere Mitglieder und SympathisantInnen der Linkspartei gegen Klaus Ernst. Diese Auseinandersetzung, die vor allem über die Medien stattfand, hat nicht nur eine parteipolitische Bedeutung.

Zwei gegensätzliche Haltungen

Denn mit Ernst und Riexinger standen zwei Gewerkschafter zur Wahl, die zwei konträre Positionen im Umgang mit der Klima- und Umweltbewegung vertreten. Klaus Ernst steht für den traditionellen Flügel der IG Metall, dem es vor allem um eine Kooperation mit den Konzernführungen geht und dessen größte Sorge ist, ob der Betrieb läuft, das heißt, ob die Konzerne gute Profite machen. Die Gewerkschaft sieht dann ihre Aufgabe darin, dass davon auch ein Teil für die Belegschaften abfällt. Neue soziale Bewegungen wie aktuell die Klimabewegung bleiben ihnen fremd. So äußerte Klaus Ernst in einem Interview sein Unverständnis, wie man gegen die Automobilmesse IAA in München demonstrieren kann, wo es doch jetzt darum gehen muss, die angeblich so umweltfreundlichen Elektroautos zu verkaufen.

Dagegen ist der langjährige Stuttgarter Geschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Bernd Riexinger ein Gewerkschafter, der erkannt hat, dass es für die alten sozialdemokratischen Modelle der Sozialpartnerschaft und des Co-Managements heute auf der Kapitalseite vielfach gar keine Ansprechpartner mehr gibt. Dort werden handzahme Gewerkschaften vor allem dann als Sozialpartner geschätzt, wenn es selbstbestimmte, linke Arbeitskämpfe einzuhegen gilt. So ist es nicht verwunderlich, dass nach den selbstorganisierten Arbeitskämpfen der „Gorillas Workers“, der Beschäftigten des Berliner Essenslieferanten Gorillas, im wirtschaftsnahen Handelsblatt plötzlich wieder die Kultur der Sozialpartnerschaft in Deutschland beschworen wurde.

Linke Bündnisse mit Gewerkschaften

Seit einigen Jahren hat sich vor allem in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eine Strömung herausgebildet, die in den oft von jungen Menschen getragenen außerparlamentarischen Protestbewegungen Bündnispartnerinnen sieht, von denen auch die Gewerkschaften profitieren können. Bernd Riexinger war in Stuttgart einer der Protagonisten dieser Strömung. Beim Tarifkampf im Einzelhandel gab es bald auch eine praktische Kooperation zwischen GewerkschafterInnen und Aktiven in sozialen Bewegungen. Im Rahmen der „Aktion Dichtmachen“ blockierten zwischen 2008 und 2012 in verschiedenen Städten linke AktivistInnen von den Beschäftigten bestreikte Einzelhandelsfilialen, um dort den Einsatz von Streikbrechern zu verhindern.

„Bei Verdi mal was Neues“ betitelte damals die Tageszeitung Neues Deutschland einen Bericht über die ersten Dichtmachen-Aktionen in Berlin. Auch wenn sie heute weitgehend vergessen sind, standen sie am Beginn der Kooperation zwischen außerparlamentarischen Linken und Gewerkschaften. Diese fand ihre Fortsetzung unter anderem in der Kampagne „Make Amazon Pay“, bei der es um die außerbetriebliche Unterstützung der Beschäftigten des Online-Konzerns im Kampf um einen Tarifvertrag geht.

Ohne ÖPNV keine Verkehrswende

In Berlin gab 2021 eine Kooperation zwischen verschiedenen Gruppen der außerparlamentarischen Linken und Verdi im Rahmen der Berliner Krankenhausbewegung, einem Bündnis zur Unterstützung des mehrwöchigen Arbeitskampfs der Belegschaften verschiedener Klinken. Daran beteiligten sich auch KlimaaktivistInnen. Ihre Begründung: Wie beim Kampf um Klimagerechtigkeit gehe es auch bei der Care-Arbeit – wie der Krankenhaus- und Pflegebereich genannt wird – um Bedürfnisse der menschlichen Selbstsorge, die gegen kapitalistische Profitinteressen durchgesetzt werden müssen.

Bundesweite Beachtung fand die Kooperation zwischen Klima- und Gewerkschaftsbewegung erstmals 2020 im Tarifkampf für eine bessere Bezahlung der Beschäftigten im Öffentlichen Nahverkehr. Durch die erschwerten Bedingungen in der Pandemie lief die Zusammenarbeit zunächst langsam an. Doch vor allem im Sommer 2020 gab es in verschiedenen Städten Unterstützungsaktionen von KlimaaktivistInnen für die Bus- und BahnfahrerInnen. „Ohne ÖPNV keine Verkehrswende“ lautete das verbindende Motto.

Kampf um ökologische Produktionsumstellung

Überraschender war schon, dass sich im Sommer 2021 in München KlimaaktivistInnen mit den bedrohten Beschäftigten des dortigen Bosch-Werkes solidarisierten, das bisher Benzinpumpen hergestellt hat. „Bei ihrem Kampf um ihre Zukunft haben die Beschäftigten unerwartete Verbündete gefunden: Klimaaktivisten, die sich gegen die Werksschließung der Produktion engagieren“, schreibt die IG Metall München auf ihrer Homepage. „Gemeinsam mit den Beschäftigten verfassten sie eine Petition und sammelten Unterschriften im Betrieb: Keine Entlassungen für den Klimaschutz. Für eine ökologische Umstellung. Die große Mehrheit der Beschäftigten hat unterschrieben.“

Diese Kooperation beim Münchner Bosch-Werk knüpft an die Diskussion um Rüstungskonversion an, die schon in den 1970er Jahren in der Antimilitarismusbewegung geführt wurde. Statt Produkte herzustellen, die für eine solidarische Gesellschaft überflüssig bis schädlich sind, sollen mit den vorhandenen technischen Anlagen gesellschaftlich sinnvolle Dinge produziert werden.

Mit der Forderung nach Konversion stellen die Beschäftigten auch die Machtfrage, weil sie sich eben nicht mehr auf Forderungen nach mehr Lohn und weniger Arbeitszeit beschränken und die Frage, was produziert wird, nicht länger der Kapitalseite überlassen. Dafür brauchen sie außerbetriebliche Verbündete – und fanden sie im Falle des Münchner Bosch-Werks in der Klimabewegung, die ihnen lange Zeit als Gegnerin hingestellt wurde, die ihnen angeblich ihre Arbeitsplätze wegnehmen will.

Beide Bewegungen würden profitieren

Es muss sich zeigen, ob das Beispiel des Münchner Bosch-Werks Schule macht. Eine solche Kooperation muss erkämpft werden – gegen GewerkschafterInnen vom Typus eines Klaus Ernst ebenso wie gegen KlimaaktivistInnen, die in den Beschäftigten in den Fabriken der Massenproduktion nur rücksichtslose Klimaschweine sehen. Dabei würden von einer gelingenden Kooperation beide Seiten profitieren. Die Gewerkschaften könnten für jüngere, aktivistische Kreise attraktiv werden, und die Klimabewegung könnte nicht nur neue Bündnispartner gewinnen, sondern auch erkennen, dass der Kampf um ein Klima, in dem alle Menschen leben können, eine Klassenfrage ist.

Peter Nowak

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