Kommentar: In Sachsen-Anhalt setzen CDU und AfD die alte "Rotfunk"-Kampagne der Union fort und Grüne und SPD üben sich wieder einmal in Krötenschlucken

Es geht nicht nur um 0,86 Cent

Da werden noch einmal die Schlachten von Union und FDP der 1970er Jahre gegen den "Rotfunk" geschlagen. Die Regierung Kohl hat schließlich die Privatsender auch deshalb etabliert, um gegen die angeblich linken öffentlich-rechtlichen Medien in die Schranken zu weisen, wie der damalige Postminister Christian Schwarz-Schilling später offen bestätigt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bundes-Union ihre Parteifreunde in Sachsen-Anhalt nicht in die Schranken gewiesen hat.

Wäre wegen 0,86 Cent fast die Koalition in Sachsen-Anhalt zerbrochen? Diesen Eindruck konnte man haben, wenn man den Koalitionsstreit in Sachsen-Anhalt in den letzten Wochen verfolgt hat. Es ging um den Staatsvertrag der Länder für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Es gab da Kritik in verschiedenen Bundesländern, die aber im Laufe der Zeit ausgeräumt wurden. Nur Sachsen-Anhalt machte eine Ausnahme. Die Mehrheit der CDU machte aus dem Rundfunkstaatsvertrag eine ….

….. Prinzipienfrage und wolle absolut nicht zustimmen. Die AfD, die sich die Zerschlagung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks auf die Fahnen geschrieben hat, war nun in der komfortablen Position zuzusehen, wie sich die Koalition in Magdeburg wieder einmal zerstritt. Dabei war das Bündnis aus CDU, SPD und Grüne von Anfang eine Notkoalition, die nur zustande kam, um Linke und AfD aus der Regierung zu halten. Nur wurde schon lange deutlich, dass Teile der CDU in Sachsen-Anhalt den Positionen der AfD näherstehen als beispielsweise den Grünen. Immer wieder stimmten CDU-Abgeordnete mit der AfD, so kam z. B. eine Linksextremismus-Kommission zustande, bei der ein AfD-Abgeordneter als Vertreter der größten Opposition im Land den Vorsitz hat.

Schon mehrmals schien diese Koalition vor dem Zerfall zu stehen. Beispielsweise als der langjährige Landesinnenminister Stahlknecht den rechtslastigen Polizeigewerkschaftler Reiner Wendt zum Staatssekretär ernennen wollte. Nachdem SPD und Grüne die Koalitionsfrage stellten, musste Stahlknecht den Rückzieher machen.

Das zeigt, dass die beiden kleinen Koalitionspartner in Sachsen-Anhalt manchmal Einfluss haben. Schließlich liegt die Ernennung der Staatssekretäre im Bereich der jeweiligen Ministerien. Ein Rechtsausleger im CDU-geführten Innenministerium einer Koalition mit SPD und Grüne hatte ja gerade gezeigt, dass die auch die konservativen Wähler sich dort wiederfinden. Es wäre also gerade kein Erfolg der AfD gewesen. Wahrscheinlich war die Personalie Wendt auch deshalb gescheitert, weil es sich nicht nur um einen Rechtsausleger handelte, sondern um einen Mann, der unrechtmäßig Gehalt als Polizeikommissar neben seiner hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionärstätigkeit bekommen hat.

Man kann auf jeden Fall sagen, dass dieses Bündnis in Sachsen-Anhalt nur deshalb zusammengehalten wird, weil ein Platzen der Regierung wenige Monate vor dem Wahltermin im nächsten Jahr nur der AfD nützt.

Die Firewall gegen die AfD und die Logik des kleineren Übels

Eilfertig erklärten SPD und Grüne, dass sie die Koalition in Sachsen-Anhalt weiterführen wollen, auch wenn sie der Union bescheinigen, in dem Land nicht mehr regierungsfähig zu sein. Dabei zeigt sich hier nur die Peinlichkeit einer Realpolitik des sogenannten kleineren Übels. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck erklärte, dass seine Partei eigentlich die Koalition hätten verlassen müssen. Aber angesichts der Corona-Lage habe man anders entschieden. „Die Kolleginnen und Kollegen hatten die Wahl zwischen schlecht und schlechter.“

Sie hätten sich für die Variante „schlecht“ entschieden. Doch in Wirklichkeit hat die Positionierung von Grünen und SPD weniger mit Corona zu tun als mit der Firewall gegen die AfD. Grüne und SPD haben aus strategischen Gründen ein Interesse daran, die Rechtsopposition als nicht regierungsfähig hinzustellen. Dass bedeutet vor allem, alle Annäherungsversuche der CDU mit ihren rechten Kontrahenten schon im Keim zu ersticken.

Die CDU hingegen müsste aus eben diesen strategischen Gründen eigentlich die AfD mit ins Regierungsspiel bringen, wenn sie nicht in absehbarer Zeit wieder aus den Parlamenten verschwindet. Genau dieser Machtspiele können zurzeit beobachtet werden. Da wird auch der Inlandsgeheimdienst gegen die AFD in Stellung gebracht. Zudem beobachtet man, ob sich die sogenannten Gemäßigten in der AfD durchsetzen, denn mit denen lässt sich mittelfristig leichter ein Bündnis mit der CDU durchsetzen.

Bei den mit viel Pathos geführten Auseinandersetzungen geht es schlicht und einfach um Regierungsoptionen. Fällt die Firewall zur AfD hat die Union mehr Regierungsoptionen. Vor Jahrzehnten wurde dieses Schauspiel in seiner Gesamtheit schon einmal geboten: Damals war für die Union, FDP und Teile der SPD die PDS als „SED-Nachfolgepartei“ nicht bündnisfähig. Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis die mittlerweile zur Linkspartei transformierte Partei regierungsfähig wurde.

In Sachsen-Anhalt würde sie wohl auch, wenn sie gebraucht würde, in die Notkoalition gegen die AfD eintreten. Ihre Gegnerschaft zum Rundfunkstaatsvertrag hat die Linkspartei in Sachsen-Anhalt bereits vorher aufgegeben, weil sie nicht mit der CDU und der AfD stimmen wollten. Hier wird einmal mehr deutlich, wie absurd es ist, wenn man alle politischen Fragen nur danach beurteilt, ob man in einer Frage scheinbar mal mit der AfD einig ist.

Gibt es eine linke Kritik am Rundfunkstaatsvertrag?

Dabei wäre es doch eine Aufgabe für die Linkspartei gewesen, eine Kritik am öffentlichen Rundfunk zu formulieren, die sich von der der AfD und der CDU unterscheidet. Hat die Linke eine solche Kritik nicht, dann ist es natürlich vernünftig, wenn sie für den Rundfunkstaatsvertrag stimmt.

Gibt es aber eine begründete linke Kritik, dann hätte die Linkspartei bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben sollen, schon um deutlich zu machen, dass es andere Einwände als die der Rechten gibt und dass Kritiker des Rundfunkstaatsvertrags eben nicht den Eindruck haben müssen, dass nur die AfD dagegen ist.

Ein Argument gegen den Rundfunkstaatsvertrag hätte sein können, dass beispielsweise der Deutschlandfunk noch immer historische Ereignisse ausschließlich aus einer BRD-Perspektive beurteilt. Aktuell wurde das an den Berichten zum 50ten Jahrestag des Kniefalls von Willi Brandt vor dem Mahnmal für die im Nationalsozialismus deutlich.

Der ehemalige DDR-Oppositionelle und heutige SPD-Politiker Frank Richter bemängelte, dass bei den Berichten außer Acht gelassen wurde, dass nicht die BRD, sondern die DDR über mehr als 40 Jahre eine gemeinsame Grenze mit der Volksrepublik Polen hatte. Das war für den europäischen Friedensprozess ein Glück. Denn in der DDR wurde die Oder-Neiße-Grenze frühzeitig anerkannt, während in der BRD noch viele davon träumten, die verlorenen Ostgebiete zurückzuerobern.

Richters Einspruch ist berechtigt, obwohl der Kniefall Brandts im Gedenken an die jüdischen Opfer der deutschen Mordmaschinerie erfolgte und nicht wegen der deutsch-polnischen Grenze. Doch Richter spricht hier auch eine generelle Tendenz an, dass gerade im Deutschlandfunk historische Ereignisse überwiegend aus einer BRD-Sicht dargestellt wird. Hier könnte beispielsweise eine linke Kritik am Rundfunkstaatsvertrag ansetzen.

Sollte das Bundesverfassungsgericht, das bereits von den Verbänden des Öffentlichen Rundfunks angerufen wurde, entscheiden, dass der Vertrag auch ohne Zustimmung des Landesparlaments von Sachsen-Anhalt in Kraft treten kann, werden die Diskussionen darüber nicht verstummen.

Fortsetzung der konservativen Kampagne gegen den „Rotfunk“

Es wird nur die Frage sein, ob da vor allem rechtskonservative Töne geschwungen worden, wie sie nicht nur in der AfD, sondern auch in konservativen Medien von Welt bis zur NZZ zu lesen sind. Da wird klar das Phantom eines Linksfunks aufgebaut, den man noch einmal bekämpft. Da werden noch einmal die Schlachten von Union und FDP der 1970er Jahre gegen den „Rotfunk“ geschlagen.

Die Regierung Kohl hat schließlich die Privatsender auch deshalb etabliert, um gegen die angeblich linken öffentlich-rechtlichen Medien in die Schranken zu weisen, wie der damalige Postminister Christian Schwarz-Schilling später offen bestätigt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bundes-Union ihre Parteifreunde in Sachsen-Anhalt nicht in die Schranken gewiesen hat.

Schließlich kann die Union zufrieden sein, dass ihre alte „Rotfunk-Kampagne“ nun in Sachsen-Anhalt gleich von zwei Parteien vertreten werden. Wenn es nun zu einer Abstimmung kam, war aber klar, dass die Mehrheit von AFD und CDU dazu geführt hat, dass Sachsen-Anhalt dem Vertrag nicht zustimmt.

Lehrreich ist dann auch, dass Grüne und SPD schon zufrieden sind, dass die beiden Parteien ihr Ziel erreichten, ohne gemeinsam abzustimmen. Wenn dann vielleicht auch die fehlende Abstimmung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beeinflusst und den Rundfunkstaatsantrag in Kraft setzt, kann wieder einmal die AfD zufrieden sein. Peter Nowak