Corona-Virus: Bei der Aufregung geht es nicht nur um Gesundheit, wie die kursierenden Verschwörungstheorien und die rassistische Hetze in Hongkong deutlich machen

Wenn es um Seuchenangst geht, ist der Aluhut nicht weit

Ständig werden irgendwelche Bedrohungskampagnen inszeniert. Mal ist es Milzbrand, dann die angebliche Schweinegrippe, die die Bevölkerung bedrohen würde. Aktuell ist es der Coronavirus. Es sind oft die gleichen Kreise, die diese Krankheiten zum Aufhänger für ihre rechte Propaganda machen, die als Impfgegner mit davor sorgen, dass eine schnelle medizinische Bekämpfung von Krankheiten, die heilbar wären, verhindert wird.

„Dem Patienten geht es gut. Ich habe erst vor wenigen Stunden mit ihm geredet.“ Solche Erklärungen muss der verantwortliche Mediziner des ersten Patienten, der sich in Deutschland mit dem Coronavirus angesteckt hat, häufig machen. Dass keine Lebensgefahr besteht, unterstreicht der Arzt noch einmal dadurch, dass er betont, dass man schon überlege, wann der Patient entlassen werde. Man würde sich wünschen, dass auch die Bekämpfung anderer Krankheiten, die oft viel gefährlicher sind als das Coronavirus mit ebenso viel Engagement und Aufwand bekämpft würden. Dann müssten vielleicht weniger Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben. Wenn man die Toten des Coronavirus mit den Opfern vergleicht, die ….

…. durch die erhöhten Feinstaubwerte sterben, wird deutlich, es geht bei dem Coronavirus nicht nur um die Gesundheit.

Die Fama von der chinesischen Biowaffe

Da verbreiten Verschwörungstheoretiker im Netz die Fama von einer chinesischen Biowaffe, die gegen ihre Konkurrenten am Weltmarkt in Stellung gebracht wird. Diese Fake News wurden sogar von Gesundheitsminister Spahn direkt zurückgewiesen.

Das macht auch deutlich, dass solche Verschwörungen in einem Klima der Angst und der Irrationalität dann wirkungsmächtig werden können, wenn die Krankheit sich auch hier ausbreitet. Rationale Erklärungen, die darauf verweisen, dass es viel gefährlichere und weit verbreitere Krankheiten gibt, die kaum beachtet werden verfangen da nicht.

Die Kombination einer als Seuche markierten Krankheit mit einem Land, das als globaler Konkurrent wahrgenommen wird, kann derart ein ideologisches Gebräu amalgamieren, das auch gesellschaftlichen Einfluss hat.

Rassistische Mobilisierung in Südkorea und Hongkong

Natürlich wirkt sich die Krankheit auch auf die innenpolitische Situation von Chinas Nachbarländern aus. So hat in Südkorea eine Petition auf der Präsidenten-Webseite dazu aufgerufen, „chinesische Staatsbürger aus unserem Land zu verbannen“. Nach wenigen Tagen war die Initiative bereits von über 285.000 Menschen unterschrieben worden, obwohl bisher nur von drei Krankheitsfällen in dem Land die Rede ist. Auch hier geht es nicht in erster Linie um Gesundheitsschutz.

Das ist nur der Vorwand für eine neue rassistische Mobilisierung gegen Menschen chinesischer Herkunft in Südkorea. Diese antichinesischen Kampagnen haben auch nichts mit einer Kritik an der realen Politik der chinesischen Regierung zu tun. Das lässt sich schon daran festmachen, dass in verschiedenen asiatischen Staaten immer wieder chinesische Händler, die dort seit Generationen leben und keinerlei Beziehungen zur chinesischen Regierung haben, Opfer solcher rassistischen Angriffe werden. Sie werden von den einheimischen Händlern als Konkurrenten gesehen und sollen verjagt werden.

Eine besondere Situation besteht in Hongkong, wo die Proteste gegen eine zu starke Angleichung an China seit Monaten andauern. Es gibt auch unter den Linken den Streit, ob diese Proteste überwiegend emanzipatorisch sind und sich gegen den Machtanspruch eines autoritären Staates wenden oder ob es sich um eher um eine reaktionäre Bewegung handeln, wie es ein Autor in der Januar-Ausgabe der Monatszeitschrift Konkret mit der Überschrift „Pegida in Hongkong“ polemisch zugespitzt auf den Punkt brachte.

Zumindest für einen relevanten Teil der Bewegung dürfte die harsche Beurteilung so falsch nicht sein. Schließlich fordert ein Teil der Protestbewegung, die Grenzen zu Festlandchina zu schließen. Diese Forderung war schon vor dem Ausbruch der Krankheit laut geworden und wurde jetzt nur mit einer neuen Begründung versehen. Dass von Aktiven aus der Protestbewegung der Zusammenhang zwischen der Krankheit und dem Protest gegen China selber hergestellt wird, zeigt ein von der Taz zitierter Twitter-Eintrag des Hongkonger Oppositionellen Joshua Wang:

„Vor wenigen Wochen noch haben wir Hongkonger darüber geredet, welche Masken uns am besten vor dem Tränengas der Polizisten schützen. Heute diskutieren wir noch immer über Masken, aber welche, die uns vom Coronavirus aus China schützen können.“

Ein rationaler Umgang mit der Krankheit müsste alle Kräfte mobilisieren, um die Krankheit effektiv medizinisch zu bekämpfen. Dabei dürfte keine Rolle spielen, aus welchem Land die Menschen kommen, die sich dieser Aufgabe verschreiben. Eine solche Krankheit müsste also eine Aufforderung sein, solche Probleme transnational zu lösen.

Die rechten politischen Kräfte aller Länder hingegen nutzen die Krankheit für weitere Ausgrenzung und für Nationalismus. Das hat Tradition. Die von rechten Kreisen geschürte Angst vor der Syphilis hat in der Weimarer Republik mit zur Faschisierung des bürgerlichen Subjekts beigetragen, wie es in einem im Argument-Verlag erschienenen Buch von Wolfgang Fritz Haug gut herausgearbeitet wurde. Die Gesellschaft muss immer wieder und in regelmäßigen Abständen in Panik gehalten werden.

Ständig werden irgendwelche Bedrohungskampagnen inszeniert. Mal ist es Milzbrand, dann die angebliche Schweinegrippe, die die Bevölkerung bedrohen würde. Aktuell ist es der Coronavirus. Es sind oft die gleichen Kreise, die diese Krankheiten zum Aufhänger für ihre rechte Propaganda machen, die als Impfgegner mit davor sorgen, dass eine schnelle medizinische Bekämpfung von Krankheiten, die heilbar wären, verhindert wird. (Peter Nowak)