Ettlingen erinnert mit Stolpersteinen an Opfer von Euthanasiemorden

Dem Vergessen entrissen

Viele NS-Opfer blieben auch nach dem Ende des Naziregimes ausgegrenzt, manche wurden gar weiter verfolgt. Das betraf vor allem Menschen, die als »asozial« stigmatisiert waren. Nachfahren wollen in einigen Fällen bis heute ein Gedenken verhindern. Daher ist es dem Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis besonders wichtig, auch junge Menschen anzusprechen.

Hier wohnte August Legleiter, geb. 1878, eingewiesen in Heilanstalt Hub, verlegt 1940 Grafeneck, ermordet 10. 7. 1940, T 4« steht auf einem Stolperstein. Auf einem anderen ist zu lesen: »Emil Köhler, geb. 9. 7. 1913 Ettlingen, angeblich am 20. 9. 1940 in Grafeneck gestorben, tatsächlich am 20.08.1940 ermordet«. Diese Angaben kann man auf zwei Stolpersteinen lesen, die an Menschen erinnern, die in der Region ermordet wurden, weil die Nazis sie aufgrund von Behinderungen oder vermeintlichen psychischen Leiden als »unwertes Leben« betrachteten. Dass an sie erinnert wird, ist dem »Ettlinger Bündnis gegen Rassismus und Neonazis« zu verdanken. Der kleine Kreis von Antifaschisten in der knapp 40.000 Einwohner zählenden Stadt in Baden-Württemberg widmet sich…..

….. dem Gedenken an Juden, Zwangsarbeiter und Opfer von Euthanasiemorden.

Bei der örtlichen Gedenkfeier zur Reichspogromnacht am Mahnmal für die jüdischen Opfer aus Ettlingen 2006 wurden wir von einem Bürger gefragt, ob wir uns nicht um die Verlegung von Stolpersteinen kümmern könnten«, berichtet Monika Engelhardt-Behringer vom Bündnis. Das sei der Anstoß für das ehrenamtliche Engagement in Sachen Gedenkarbeit gewesen. In den letzten 13 Jahren wurden in Ettlingen 42 Stolpersteine verlegt, die an die bisher weitgehend vergessene Opfer erinnern. Von den intensiven Recherchen vor jedem neuen Stolperstein erzählt Dietrich Behringer. Bei den jüdischen Opfern seien die Daten meist relativ einfach zu ermitteln, weil es dazu bereits Veröffentlichungen gibt.

Hier sprechen die Behringers ein zentrales Problem an: Viele NS-Opfer blieben auch nach dem Ende des Naziregimes ausgegrenzt, manche wurden gar weiter verfolgt. Das betraf vor allem Menschen, die als »asozial« stigmatisiert waren. Nachfahren wollen in einigen Fällen bis heute ein Gedenken verhindern.

Daher ist es der Initiative besonders wichtig, auch junge Menschen anzusprechen. Sie arbeitet deshalb mit Schulen der Stadt zusammen. Einige Klassen beschäftigen sich selbstständig mit Schicksalen von Opfern. Das Bündnis hat eine Broschüre herausgegeben, in der die Lebenswege der 42 Menschen geschildert werden, für die bislang Stolpersteine in Ettlingen verlegt worden sind. Gegen eine Spende von drei Euro kann sie per Mail bestellt werden (ettlinger-buendnis@gmx.de).

Für die Recherche über ermordete Zwangsarbeiter nutzten die Behringers die Arolsen Archive. In der nordhessischen Stadt befindet sich ein großes Dokumentationszentrum über die Zwangsarbeit in der Nazizeit. Dort fanden sie unter anderem Informationen über das Schicksal des in Ettlingen beigesetzten Boris Tropkin. Der 1919 nahe Leningrad geborene Mann wurde als sowjetischer Kriegsgefangener zur Arbeit gezwungen. Als Mitglied einer Widerstandsorganisation wurde er im Juni 1944 verhaftet und von der Gestapo so schwer misshandelt, dass er am 2. Oktober 1944 starb. Niemand ist für die tödliche Folter des Gefangenen bestraft worden. Heute wird in Ettlingen auch an ihn mit einem Stolperstein erinnert.

Die Behrings erzählen auch von Problemen, denen sie bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit begegnen. »Wir haben alle notwendigen Informationen für die Verlegung eines Steins, aber dann ist es nicht möglich, die letzte Wohnadresse herauszubekommen. Dann können wir natürlich keinen Stolperstein verlegen«, sagt Monika Engelhardt-Behringer. Dietrich Behringer schildert weitere Schwierigkeiten: »Es ist uns schon mehrfach passiert, dass Angehörige gegen die Stolpersteinverlegung waren. Unser Eindruck war, dass man nicht wollte, dass die Familie mit ›Euthanasie‹ in Verbindung gebracht wird. Dann bleibt uns nur der Verzicht, obwohl oft schon jede Menge Arbeit vorher investiert wurde«.

Peter Nowak