Die neue Bundesverteidigungsministerin setzt politische Akzente wie bei den "öffentlichen Gelöbnissen", die bei einem Mann in dieser Position auf mehr Kritik stoßen würden

Chauvinismus ohne schnarrendes „rr“

Nun zeigt sich auch, warum jetzt alle staatlichen Instanzen so begierig darauf sind, Frauen zu fördern und die CDU [4], aber auch die lange Zeit quotenablehnende FDP, plötzlich eine Frauenquote fordern, bzw. erwägen

„Aber auch für mich selbst war das ein besonders emotionaler Moment. Die Fahne, die Nationalhymne, die aufmarschierten Soldaten, da bekomme ich eine Gänsehaut.“ Mit diesen Satz führte sich die neue Bundesverteidigungsministerium in einem FAZ-Interview [1] selber in ihr Amt ein. Bei Politikern der Linkspartei hat sie schon den Spitznamen Knarrenbauer [2] (Achtung Namenswitz!) verpasst bekommen. Doch ansonsten hält sich die Kritik an ihren emotionalen Bekenntnissen in Grenzen und das liegt sicher nicht nur an der Ferienzeit. Lediglich die für ihre scharfzüngige Kommentare bekannte Publizistin….

…..Hengameh Yaghoobifarah fand in der Taz [3]:

Mit Hinsicht auf das rechte „Hannibal“-Netzwerk oder nazimäßig anmutende Anwerbeplakate, aber auch aufgrund grundsätzlicher Strukturen des Mobbings und der toxischen Maskulinität in der Bundeswehr, stellen sich sicher bei sehr vielen Leuten beim Gedanken an ein solches Szenario ebenfalls die Armhaare auf. Nur triggert Ekel bei ihnen diesen körperlichen Zustand und nicht, wie bei Kramp-Karrenbauer, die patriotische Glückseligkeit.

Hengameh Yaghoobifarah, taz

Für was eine Frau im Verteidigungsministerium gut ist

Tatsächlich wäre die Frage zu stellen, ob die Kritik nicht vernehmlicher ausgefallen wäre, wenn ein Jens Spahn oder ein Friedrich Merz Verteidigungsminister geworden wäre und seine Gänsehaut-Gefühle geäußert hätte. Ist es ein Zufall, dass gleich das zweite Mal hintereinander Frauen den Spitzenposten im Verteidigungsministerium bekommen und der als Favorit gehandelte Jens Spahn leer ausging? Sind gerade auf solchen Posten Frauen nicht besonders geeignet, Kritik an der realen Politik zu minimieren?

So kann Karrenbauer militaristische Gefühle äußern, die bei einem Mann zumindest als „machohaft“ und „spätpubertär“ kritisiert würden. Nun zeigt sich auch, warum jetzt alle staatlichen Instanzen so begierig darauf sind, Frauen zu fördern und die CDU [4], aber auch die lange Zeit quotenablehnende FDP, plötzlich eine Frauenquote fordern, bzw. erwägen [5].

Es gab vor mehr als 30 Jahren in einer bestimmten feministischen Strömung, der sogenannten Bielefelder Schule [6], die These, dass die Frauen die letzte Kolonie im Kapitalismus [7] seien. Damit wurde vor allem auf die Arbeit der Frauen als Bäuerinnen in der weltweiten Subsistenzwirtschaft abgezielt.

Heute kann man davon reden, dass die Suche nach Frauen in den kapitalistischen Staatsapparaten und in bestimmten Teilen in Politik und Wirtschaft auch eine Kolonisierung der von den Frauen zugeschriebenen Fähigkeiten bedeutet. Dazu gehört die Fähigkeit, ein Puffer gegen grundsätzliche Kritik zu sein.

Modernisiertes Feindbild Russland

„So haben wir uns das Ende des Patriarchats nicht vorgestellt“, titelte [8] die Taz über das Foto des „Trio Infernale“ der Deutsch-EU, Merkel, Karrenbauer und von der Leyen. Nur ist schon die These vom Ende des Patriarchats fragwürdig.

Doch es ist nicht nur die Frauenkomponente, die dafür sorgt, dass die Kritik an Kramp-Karrenbauers Bekenntnissen bisher so marginal ausgefallen ist. Die Bundeswehr ist auch bei den Teilen der Bevölkerung mittlerweile anerkannt, die vor 20 Jahren noch ihre Abschaffung forderten. Das wird dadurch begünstigt, dass das alte Feindbild Sowjetunion, das in Deutschland meist auf die Parole „Die Russen kommen“ heruntergebrochen wurde, modernisiert auch in Teilen der Linken auf offene Ohren stößt.

Dabei geht es nicht darum, die russische Politik zu affirmieren. Tatsächlich gibt es genügend Gründe, die autoritäre Politik eines Putin klar zu verurteilen und sich mit der demokratischen Opposition und verfolgten Minderheiten dort zu solidarisieren. Problematisch wird es, wenn ein spezielles Bild von Russland fabriziert wird, dem ein eben konstruiertes Bild einer demokratischen EU entgegengesetzt wird, das von Russland bedroht würde.

Da wird bei jeder Opposition gegen die Politik innerhalb der EU-Länder unterstellt, diese würde von Putin bzw. Russland unterstützt. Das wird bei den Gelbwesten genauso versucht [9] wie bei Antifagruppen aus Deutschland, die einen russischen Server nutzten [10]. So werden die sicher vorhandenen Einflussversuche Russlands zu einer Verschwörungstheorie von weltweiten russischen Manipulationsversuchen.

Vor allem wird dann nicht reflektiert, dass natürlich die unter dem Label „westliche Welt“ zusammengefassten Länder genau mit mehr oder weniger großen Erfolg versuchen, Einfluss auf die Politik der Länder in der russischen Einflusssphäre zu nehmen. Im Fall der Ukraine hat das gut funktioniert. Wenn aber das dichotome Bild entsteht, dass Russland die freie Welt bedroht, ist die Legitimation für Militär nicht weit.

Plötzlich diskutieren auch politische Kreise, die vor 20 Jahren noch durchaus bundeswehrkritisch waren, darüber, ob es sich lohnt, für Riga zu sterben. Dazu gehört, dass eine Bedrohung der baltischen Länder durch Russland konstruiert wird. Historisch ist interessant, dass es 1914 der SPD leichter fiel, eine Mehrheit für die Zustimmung der Kriegskredite für den 1. Weltkrieg zu bekommen, weil sie die Bedrohung durch das russische Zarenreich besonders eindrücklich betonte.

Auch heute können mit einer nicht mit Fakten belegten Erzählung von der russischen Gefahr die Aufrüstungsbestrebungen legitimiert werden. Hier liegt einer der Gründe für die fehlende Kritik in Deutschland.

Öffentliche Gelöbnisse könnten Opposition befeuern

Kramp-Karrenbauer hat nicht nur ihre emotionale Nähe zu öffentlichen Bundeswehrauftritten geäußert. Sie hat auch angeregt, dass es öffentliche Gelöbnisse häufiger geben soll [11]. Diese Zurschaustellung des Militärischen soll dazu beitragen, dass sich die Bundeswehr und ihre Auftraggeber „ehrlich machen“.

Sie sollen nicht nur im Halb-Verborgenen an verschiedenen Teilen der Welt Krieg führen, sondern sie sollen diese Kriege auf Plätzen deutscher Städte offensiv verteidigen. Ein Kommentar brachte diesen Zusammenhang in einem Deutschlandfunk-Kommentar gut zur Geltung:

Die Bundesrepublik Deutschland leistet sich eine Armee. Der Bundestag schickt Soldaten in den Krieg. Aber ihre feierliche Verpflichtung auf die deutsche Demokratie und die Werte der Verfassung sollte aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden und – wenn überhaupt – hinter Kasernenmauern stattfinden? Das ergibt keinen Sinn.

Joachim Frank, Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe, Deutschlandfunk

So hält Frank die Zeit reif dafür, dass die Bundeswehr eben jetzt auch in Deutschland nicht mehr als eine Art bewaffneter Arm von Amnestie International, sondern als eine Armee gesehen wird, die deutsche Interessen in aller Welt notfalls mit Krieg durchsetzt. Diese Ehrlichkeit ist begrüßenswert, denn noch vor einigen Jahren war es verpönt, die Bundeswehr bei ihren weltweiten Einsätzen überhaupt mit Krieg in Verbindung zu bringen.

Doch Frank hat in seinen Kommentar auch deutlich gemacht, was er sich von mehr öffentlichen Gelöbnissen politisch verspricht:

Ein gesunder, nicht chauvinistischer oder reaktionärer Konservatismus hat Sinn für die Institutionen des Staates, für die Organe der Exekutive als Garanten von „Recht und Ordnung“ ohne schnarrendes „rrr“ in „Rrrrecht und Orrrdnung“.

Joachim Frank, Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe, Deutschlandfunk

Chauvinismus ohne schnarrendes „rr“ – auch dafür kann eine Frau auf dem Posten gute Dienste leisten. Doch so könnte auch eine stärkere antimilitaristische Bewegung entstehen, die sich schließlich über Symbolpolitik mobilisieren kann [12].

In den letzten Jahrzehnten gab es die größten Proteste gegen die Bundeswehr meist anlässlich von Gelöbnissen. Allerdings solle man dann nicht bei der Kritik an einer Symbolpolitik stehen bleiben, sondern tatsächlich das oft unsichtbare Agieren der Bundeswehr und die sogenannten deutschen Interessen in den Fokus der Kritik stellen.

Die aktuelle Diskussion über die Beteiligung der Bundeswehr an Einsätzen in der Straße von Hormuz [13]könnte ein guter Anlass sein.