Zwangsräumung ausgesetzt

Aktivisten besetzten zuvor Zentrale der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo

Ausgesetzt ins Nichts – so laufen viele Zwangsräumungen in der Hauptstadt. Aber manchmal werden die Räumungen zum Glück der Mieter selber ausgesetzt.

Eigentlich sollte Nils S. am Montag seine Wohnung im Berliner Stadtteil Hellersdorf verlieren. Für 10 Uhr hatte sich der Gerichtsvollzieher angekündigt. Doch in letzter Minute wurde der Räumungstermin ausgesetzt. 25 Mitglieder des Berliner Bündnisses »Zwangsräumungen verhindern« hatten am vergangenen Donnerstag das Foyer der Berlinovo Immobilien AG-Zentrale besetzt. Der Firma gehört das Haus, in dem S. wohnt. Sie hatte dem schwer kranken Mieter gekündigt und sich damit juristisch durchgesetzt. Hintergrund war ein Streit zwischen S. und einigen Nachbarn. Nach Gesprächen mit den Besetzern teilte ein Jurist der Berlinovo mit, dass die Räumung ausgesetzt werde.

Der Räumungstitel bleibt allerdings weiterhin gültig. Für das Bündnis gegen Zwangsräumungen ist die Auseinandersetzung daher auch noch längst nicht beendet. Inwieweit die Berlinovo bereit ist, das Mietverhältnis generell fortzusetzen, werden Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und dem Mieter zeigen. Trotzdem sehen die Aktivisten die Aussetzung der Zwangsräumung als einen Erfolg: »Ohne die Aktion sowie der Solidarität und Hartnäckigkeit der Beteiligten wäre es am 4. Mai zu einer Zwangsräumung inklusive deren Folgen gekommen«, meinte Bündnisaktivistin Sarah Walter gegenüber »nd«. Die Aktivisten haben Gesprächspartner der Berlinovo darauf aufmerksam gemacht, dass eine Räumung für S. eine existenzielle Gefahr bedeute. »Der Mieter ist schon gesundheitlich angeschlagen. Wenn er auf die Straße gesetzt wird oder in einem Obdachlosenheim leben muss, kann sich sein Zustand schnell verschlechtern«, redete ein Aktivist den Mitgliedern des Vorstands der Berlinovo ins Gewissen. Doch bei der Aussetzung der Räumung dürfte vor allem die Präsenz von Medienvertreten bei der Aktion eine Rolle gespielt haben.

Schließlich kann die Firma schlechte Nachrichten kaum gebrauchen, ist sie doch ein Überbleibsel einer der kostspieligsten Berliner Politaffären der letzten Jahrzehnte. In der Berlinovo sind die ursprünglich von der Bankgesellschaft Berlin AG aufgelegten Immobilienfonds zusammengefasst, die im Jahr 2001 ein Grund für den Berliner Bankenskandal waren. In den letzten Jahren hat sie einiges für ihre Imagepflege getan. So wirbt die Berlinovo mit dem Label »Fair-mieter« und verspricht auf ihrer Homepage »Gemeinsam Zukunft gestalten« zu wollen. Für Mieter S. haben sich die Zukunftsaussichten nach der Aussetzung der Zwangsräumung zunächst einmal etwas verbessert.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/970070.zwangsraeumung-ausgesetzt.html

Peter Nowak