Lange Zeit sah es so aus, als sollte die Corona-Politik des Bundes aus dem Wahlkampf herausgehalten werden. Das hat sich nun geändert. Das Boulevardblatt Bild skandalisiert RKI-Protokolle und …
… fragt: „Hat Lauterbach die Deutschen betrogen?„.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, fordert – da seine Partei nicht mehr Teil der Regierungskoalition ist – sogar einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik. Damit nähert er sich den bisherigen Forderungen von AfD und BSW an.
In einem Punkt will Ullmann allerdings nicht auf die Ergebnisse eines möglichen Untersuchungsausschusses warten. Lange hatte sich die FDP gegen einen Corona-Untersuchungsausschuss gewehrt und die Einberufung eines Expertenrates gefordert, der über die Corona-Politik beraten sollte. Ullmann sagte jetzt, die Forderung habe sich erübrigt, weil SPD und Union gegen eine Expertenkommission seien.
Rücktritt von Lauterbach gefordert
„Außerdem muss Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sofort zurücktreten. Er hat deutlich gezeigt, dass er seinem Amt nicht gewachsen ist. Wenn er an seinem Amt klebt, muss Olaf Scholz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dem Bundespräsidenten die Entlassung des Ministers vorschlagen“, so Ullmanns klare Ansage.
Alles nur Wahlkampf?
Lauterbachs Kritiker verschärfen damit ihren Ton. Sie verweisen auf E-Mails, die belegen, dass Gesundheitsminister Lauterbach nicht immer bedingungslos dem Rat von Wissenschaftlern gefolgt ist.
Das Robert-Koch-Institut hatte im Februar 2022 empfohlen, die Risikostufe des Virus von sehr hoch auf hoch herabzustufen. Das hätte eine Lockerung der Corona-Regeln bedeutet. Dieser Empfehlung ist Lauterbach damals jedoch nicht gefolgt. Die Risikostufe blieb bei sehr hoch und die Beschränkung der Grundrechte in Kraft.
Eine Entscheidung, die Lauterbach bis heute verteidigt. „Hätten wir die Risikostufe im Februar 2022 gesenkt, als teilweise noch hunderte Menschen am Tag an Covid starben, wäre das ein Fehler gewesen“, schreibt der Minister auf Instagram.
Lauterbach verwies auch darauf, dass das RKI im Frühjahr 2022 erneut verschärfte Maßnahmen empfohlen habe, weil eine neue Virusvariante entdeckt worden sei.
Lauterbach schon länger in der Kritik
Nun ist die Aufregung um Lauterbach nicht neu. Er gehörte zu den Politikern, die während der Pandemie immer wieder vor einer zu schnellen Lockerung der Schutzmaßnahmen gewarnt und auf die gesundheitlichen Gefahren vor allem für ältere und vorerkrankte Menschen hingewiesen haben.
Es ist daher keineswegs überraschend, dass sich Lauterbach damals wie heute gegen verfrühte Lockerungen wendet. Dafür wurde er schon damals zum Gegner nicht nur vieler Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen gegen die Corona-Politik protestierten.
Er war gerade im Winter 2022 auch der Gegenspieler großer Teile der Wirtschaft und auch der FDP. Diese hatte sich schon damals für einen schrittweisen Abbau der Pandemie-Schutzmaßnahmen ausgesprochen und vor einem Zusammenbruch der Wirtschaft gewarnt – eine Position, die damals auch große Teile des Handwerks und viele Selbstständige vertraten.
Sie argumentierten auch, dass das Risiko, durch das Virus schwer zu erkranken, durch die zunehmende Durchimpfung der Bevölkerung gesunken sei. Deshalb seien die massiven Einschränkungen für große Teile der Bevölkerung nicht mehr zu rechtfertigen.
Es ist nun kein Zufall, dass 2024 im Wahlkampf wieder die alten Fronten aus der Zeit der Pandemie aufbrechen. Manche hatten gehofft, diese Polarisierung gehöre der Vergangenheit an. Ein Irrtum.
Jeder für sich
Das liegt auch daran, dass es keine gemeinsame, parteiübergreifende Aufarbeitung der Corona-Politik gegeben hat. Es gab viele kleine Aufarbeitungsversuche, und diese bezogen sich immer nur auf Teilbereiche der Corona-Politik.
Unklar ist, welche Auswirkungen es hat, wenn die Corona-Politik jetzt Teil des Wahlkampfes wird. Werden AFD und BSW, die schon lange eine Aufarbeitung fordern, davon profitieren? Oder wird ihnen durch solche Maßnahmen das Wasser abgegraben? Peter Nowak