Sozialbauten am Hafenplatz in Kreuzberg: Die Gebäude mit fast 400 Wohnungen sollen einem „lebendigen Innenstadtquartier“ weichen. Die Be­woh­ne­r*in­nen wehren sich gegen den Abriss.

Mie­te­r*in­nen fürchten Verdrängung

Die Mie­te­r*in­nen sehen auch den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), in der Pflicht. In einem Schreiben fordern sie den Bezirk auf, mit einem eigenen Gutachten die Notwendigkeit und mögliche Folgen eines Abrisses überprüfen. So oder so wollen sie ihren Protest fortsetzen und hoffen auf Unterstützung aus der Berliner Mietenbewegung.

Kaltmieten von 4 bis 8 Euro pro Quadratmeter – mitten im Zentrum von Berlin? Was sich anhört wie ein Märchen, gibt es noch: in …

… einem Wohnquartier am Hafenplatz in Kreuzberg, der südlich vom Potsdamer Platz nahe dem U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park liegt.

Man sollte meinen, dass in Zeiten, in denen es in Berlin immer weniger bezahlbaren Wohnraum gibt, Sozialbauten wie die am Hafenplatz unter Bestandsschutz gestellt werden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Mie­te­r*in­nen fürchten die Verdrängung.

Der Berliner Mieterverein spricht von „Monopoly mit Pausen“: Seit sieben Jahren müssten die Be­woh­ne­r*in­nen des Gebäudekomplexes um ihre Wohnungen bangen. Viele von ihnen haben nur befristete Mietverträge. Zudem muss sich die Bewohnerschaft des Hauses Hafenplatz 6-7/Köthener Straße 28-32 mit Missständen wie Schimmel und monatelang defekten Aufzügen herumschlagen.

Nach jahrelangem Leerstand sind rund 400 Geflüchtete aus der Ukraine in den ehemaligen Studierendentrakt eingezogen. Ein anderer Gebäudeteil wurde befristet an Studierende vermietet. Manche von ihnen engagieren sich in einer Mieter*inneninitiative. Zunächst ging es um Unklarheiten bei der Betriebskostenabrechnung. „Einige Be­woh­ne­r*in­nen sollten bis zu 1.000 Euro nachzahlen“, so ein Betroffener. Der Mieterverein hat in einer Prüfung exorbitant hohe Kosten, nicht nachvollziehbare Angaben und eine unzulässige Umlage von Verwaltungsaufwendungen festgestellt.

Befürchtungen bewahrheiten sich

Der Verein zeigt sich empört über die Situation am Hafenplatz: „Warum lässt der Eigentümer das Filetgrundstück weiter verwahrlosen? Warum geht es nicht voran mit der Entwicklung eines ‚vitalen, gemischten Quartiers‘, wie es die Grundstückgesellschaft Hafenplatz Berlin mbH kurz nach dem Ankauf der Immobilie 2016 ankündigte?“ Diese Frage stellten sich die Mie­te­r*in­nen seit Monaten.

Nun haben sich ihre Befürchtungen bestätigt. Die Sozialbauten aus den 1970ern sollen abgerissen werden und durch Neubauten mit mehr Wohnraum, aber auch wohl teurem Gewerbe ersetzt werden. Dann könnte es rund um den Hafenplatz bald so aussehen wie am Potsdamer Platz gleich nebenan.

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Mie­te­r*in­nen fordern Gutachten

Dass im Neubau auch 274 geförderte Wohnungen entstehen sollen, beruhigt die Mie­te­r*in­nen­initiative am Hafenplatz nicht: „Damit kann der Wegfall von rund 380 günstigen  Wohnungen nicht aufgefangen werden. Hier soll massenhaft bezahlbarer Wohnraum mitten in Berlin vernichtet werden“ sagt Klaus von der Initiative.

Die Mie­te­r*in­nen sehen auch den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), in der Pflicht. In einem Schreiben fordern sie den Bezirk auf, mit einem eigenen Gutachten die Notwendigkeit und mögliche Folgen eines Abrisses überprüfen. So oder so wollen sie ihren Protest fortsetzen und hoffen auf Unterstützung aus der Berliner Mietenbewegung.

Peter Nowakjj