»Krisengipfel« bespricht, dass tausende Wohnungen auf dem freien Markt landen könnten

Berlin: Sozialbindung in Pankow entfällt

»Das Besondere hier in Pankow ist nicht, dass Menschen durch die auslaufende Sozialbindung Angst vor Vertreibung haben. Das gibt es in vielen Stadtteilen in ganz Berlin«, sagt Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein in einem Input. »Das Besondere in Pankow ist, dass die Mieter*innen das nicht hinnehmen, sondern sich wehren.

»Wir wollen bleiben« steht auf einen handgemalten Schild. Es weist den Weg zum »Krisengipfel« – einem Kongress von Mieter*innen aus Pankow, deren Häuser aus der Sozialbindung zu fallen drohen. Hier wurden in den 90er Jahren viele Häuser mit öffentlichen Geldern saniert. Im Gegenzug verpflichteten sich die Eigentümer, den Mietanstieg zu begrenzen und auf Eigenbedarfskündigungen zu verzichten. Doch jetzt läuft …

„Berlin: Sozialbindung in Pankow entfällt“ weiterlesen
Sozialbauten am Hafenplatz in Kreuzberg: Die Gebäude mit fast 400 Wohnungen sollen einem „lebendigen Innenstadtquartier“ weichen. Die Be­woh­ne­r*in­nen wehren sich gegen den Abriss.

Mie­te­r*in­nen fürchten Verdrängung

Die Mie­te­r*in­nen sehen auch den Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), in der Pflicht. In einem Schreiben fordern sie den Bezirk auf, mit einem eigenen Gutachten die Notwendigkeit und mögliche Folgen eines Abrisses überprüfen. So oder so wollen sie ihren Protest fortsetzen und hoffen auf Unterstützung aus der Berliner Mietenbewegung.

Kaltmieten von 4 bis 8 Euro pro Quadratmeter – mitten im Zentrum von Berlin? Was sich anhört wie ein Märchen, gibt es noch: in …

„Mie­te­r*in­nen fürchten Verdrängung“ weiterlesen
Die Mehrheitsentscheidung der Berliner Stadtgesellschaft droht unter der "rot-grün-roten" Regierung verschleppt zu werden. Eindrücke von einer Podiumsdiskussion über Gegenstrategien

Wie weiter mit Deutsche Wohnen & Co enteignen?

Matthias Clausen von Kotti und Co. hat sehr berechtigt betont, dass die Initiativen nicht in erster Linie auf die Regierungskonstellation schauen, sondern sich auf ihre außerparlamentarische Stärke besinnen sollten.Dabei müsste allerdings auch die Diskussion mit den Teil der außerparlamentarischen Linken gesucht werden, die sich nicht an der Rückkaufinitiative beteiligt haben. Denn ohne sie wird der nötigen außerparlamentarische Druck wohl kaum zustande kommen.

Wie hält es die neue „rot-grün-rote“ Koalition in der Hauptstadt mit der erfolgreichen Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen? Dieser Frage widmete sich am Mittwochabend eine Online-Podiumdiskussion, mit Berliner Stadtteil- und Mieterinitiativen, die das Volksbegehren unterstützten, und der Linke-Politikerin Katalin Gennburg. Moderiert wurde die Debatte von Ines Schwerdtner vom linkssozialdemokratischen Magazin Jacobin. Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten …

„Wie weiter mit Deutsche Wohnen & Co enteignen?“ weiterlesen

Energetische Sanierung zunehmend in der Kritik

Eine empirische Kurzstudie des Berliner Mietervereins bestätigt Sorgen von Mietern

Wacht auf Verdammte dieser Erde“, lautete die Parole einer Protestaktion von Mieterinitiativen und der Politsatiregruppe Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen[1] vor einigen Monaten. Damals wurde in einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen, dass immer mehr Mieter in der „energetischen Sanierung“ in erster Linie ein Instrument der Hauseigentümer sehen, die Miete zu erhöhen und Mieter zu vertreiben. Nun haben sie die Bestätigung durch eine Studie[2] des Berliner Mietervereins[3] erhalten.

Anhand von knapp 200 Modernisierungsankündigungen hat der Berliner Mieterverein in den Zeiträumen 2012 bis 2013 und 2015 bis 2016 die aufgewendeten Baukosten nach Art der Maßnahme sowie die Mietentwicklung nach der Modernisierung untersucht. Der durchschnittliche Mietenanstieg um 2,44 €/qm bzw. 186,37 € absolut im Monat bedeutet – gemessen an der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete im Mietspiegel 2015 – einen Anstieg von fast 42 %.

Die Nettokaltmiete steigt im Schnitt nach den Ergebnissen der Kurzstudie von 4,73 €/qm im Monat auf 7,14 €/qm im Monat. „Die Modernisierung ist aus dem Ruder gelaufen“, kritisiert der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins Reiner Wild.

Energetische Sanierung gut für die Eigentümer – nicht für die Umwelt

Die Studie bestätigt, was viele Mieter nicht nur in Berlin[4] seit Jahren beklagen. Die energetische Sanierung ist das Einfallstor für Mieterhöhungen und für die „Schleifung des Mietrechts“. Doch die Studie gibt den Kritikern noch in einem weiteren Punkt Recht.

In den untersuchten Fällen haben sich trotz energetischer Maßnahmen im Jahr nach der Modernisierung die Heizkosten nicht verringert. Die Vermieter verlangen weiterhin die alten Vorauszahlungen, offenkundig weil sie der vermuteten Energieeinsparung und damit auch der Heizkostenersparnis nicht trauen. Nur bei einer sehr kleinen Fallzahl konnte anhand von Heizkostenabrechnungen vor und nach der Modernisierung die tatsächliche Reduktion des Energieverbrauchs ermittelt werden.

Für Kurt Jotter vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen sind die Befunde der Studie nicht überraschend. Er hat seit Jahren seine oft satirische Kritik an der energetischen Sanierung geäußert, die durchaus nicht immer auf Zustimmung stieß. Schließlich wird eine Maßnahme, die vorgeblich im Namen der Umwelt geschieht, gerne von Umweltverbänden und den Grünen verteidigt – auch wenn sie letztlich der Umwelt gar nicht nützt. So wirbt der BUND noch immer mit dem Slogan „Je besser die Dämmung, desto besser der Klimaschutz“[5].


Die Mieter sollen die Energiewende bezahlen

„!ch habe ja diesen ganzen neoliberalen Irrsinn mit der energetischen Sanierung schon bei seiner Entstehung miterlebt – als ich zwischenzeitlich für die Energiewende und Solar in Brandenburg Freiflächen akquiriert habe“, begründet Jotter gegenüber Telepolis seine besondere Sensibilität diesem Thema gegenüber. Das Duo Merkel/Rösler habe Agrarflächen für Solar gesperrt, die Förderungen radikal gekürzt und schließlich fast die gesamte Solarindustrie zerschlagen[6], moniert Jotter, der damals erarbeitete Provisionen in beträchtlicher Höhe verloren hat.

„Die ‚Volksenergie‘ Solar war den vier herrschenden Energie-Konzernen ein Dorn im Auge – ebenso wie ihrem neoliberalen Regierungs-Duo“, ist Jotter heute überzeugt und sieht einen Zusammenhang zu den nun in der Kritik stehenden energetischen Sanierung: „Als die Verdrängung von Solar aus dem Erneuerbaren Energie-Mix offensichtlich war, fragten Journalisten sichtlich erregt auf der Bundespressekonferenz Merkel und Rösler: Wie bitte sollt denn nun ohne Solar die Energiewende noch gelingen? Die beiden wie aus der Pistole geschossen: Das kompensieren wir mit energetischer Sanierung und dämmen in ganz Deutschland die Wände. Die Gesetze wurden dann so umgestaltet, dass dies letztlich nicht die Hausbesitzer traf, sondern nur die Mieter, die – durch diese Zwangsgesetzgebung völlig entrechtet – ganz allein die Zeche zahlen müssen. Es wurde auch noch ausgebaut zum Vielfach-Renditebringer und zur Melkkuh für die internationalen Investoren.“

Dabei sind die Mieter nach einer Kasseler Untersuchung deutschlandweit nur zu 7% an dem Co2-Ausstoß beteiligt! Wann kommen solche „Zwangsgesetze“ für die restlichen 93 % der Umweltverschmutzer? Das fragen sich auch immer mehr Mieter und auch bei Gericht gibt es erste Erfolge.

Pankower Urteil ermutigt Mieter

Sie stützen sich dabei auf eine Gerichtsentscheid, das als Pankower Urteil[7] bei kritischen Mieterinitiativen Beachtung gefunden hat. Anfang 2015 sprach eine Amtsrichterin in Deutschland einer Mietpartei erstmals gleiches Recht zu, wie es auch für Hauseigentümer gilt: das Recht auf Wirtschaftlichkeit bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen[8].

Die Beklagten haben […] nicht die Dämmung der Fassade zu dulden … Erst nach ca. zwanzig Jahren würde erstmals die Umlage niedriger sein als die eingesparte Heizenergie. Da kann von einer modernisierenden Instandsetzung aber nicht mehr die Rede sein […].

Pankower Urteil
Nach Auffassung des Gerichts können die Beklagten die Unwirtschaftlichkeit der Maßnahme „bereits im hiesigen Duldungsverfahren einwenden“, so der Tenor des Pankower Urteils. .

Abschaffung des § 559 gefordert

In der Kritik von Mieterorganisationen steht der mit dem Mietrechtsänderungsgesetz 2013 eingeführten Modernisierungs-Paragraph § 559 BGB[9], der die Mieterhöhungen bei energetischen Sanierungen und die Einschränkung der Mieterrechte legitimiert. Mieteraktivisten fordern die Abschaffung dieses Paragraphen und haben im Internet eine Petition[10] dazu gestartet.

Sie verweisen darauf, dass der Paragraph gegen Urteile des Bundesverfassungsgerichts verstößt, wonach Vermieter und Gesetzgeber keine „Regelungen“ treffen dürfen, die das Bestandsinteresse des Mieters gänzlich missachten oder unverhältnismäßig beschränken.

Es wäre wünschenswert, wenn das Thema einen solchen gesellschaftlichen Stellenwert bekäme, dass sich auch die Parteien im Bundestagswahlkampf dazu positionieren müssten. Schließlich sind ja Mieter ein stark umworbenes Klientel. Beim Paragraphen § 559 BGB müssten die Parteien nun zeigen, was die schöne Rhetorik wert ist.

https://www.heise.de/tp/features/Energetische-Sanierung-zunehmend-in-der-Kritik-3798624.html

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-3798624

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bizim-kiez.de/blog/initiativenthemen/buero-fuer-ungewoehnliche-massnahmen/
[2] http://www.berliner-mieterverein.de/downloads/pm-1725-modernisierung-bmv-kurzstudie.pdf
[3] http://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/pm1725.htm
[4] http://www.taz.de/!t5424124/
[5] https://www.bund-naturschutz.de/oekologisch-leben/energie-sparen/energetische-sanierung.html
[6] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/zerschlagung-solar-millennium-verkauft-flagsol-anteile/6850544.html
[7] https://pankowermieterprotest.jimdo.com/2017/03/28/pankower-urteil-es-geht-weiter
[8] https://pankowermieterprotest.jimdo.com/2015/02/23/urteil-des-amtsgerichts-pankow-wei%C3%9Fensee-fassadend%C3%A4mmung-ist-unwirtschaftlich/
[9] https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__559.html
[10] https://www.change.org/p/bundestag-abschaffung-der-bgb-vorschriften-%C3%BCber-mieterh%C3%B6hungen-nach-modernisierungen-2c1505f0-9859-43cc-9ab8-e5ef3c363e10#share