In Frankfurt am Main pochen Studierende auf Freiräume

Alte Druckerei in Frankfurt am Main besetzt

Zudem lehnen die Besetzer*innen einen Abriss auch aus historischen Gründen ab. Schließlich wurde die jüdische Familie Dondorf, der das Gebäude einst gehörte, von den deutschen Faschisten enteignet und verfolgt. Einige Mitglieder wurden durch den NS-Terror in den Suizid getrieben, andere ermordet.

»Die Druckerei hat ihre Tore wieder geöffnet«, sagte eine Frau am Samstagnachmittag in Frankfurt am Main und wies auf ein fünfgeschossiges Gebäude. Dort hing zu diesem Zeitpunkt schon ein Transparent mit der Parole »Klimagerechte statt prekäre Wissenschaft« aus dem Fenster. Studierende der Goethe-Universität haben …

die ehemalige Dondorf-Druckerei im Stadtteil Bockenheim besetzt. Sie wollen damit einen Abriss des Gebäudes verhindern. Stattdessen solle es renoviert und ein Kulturzentrum darin eingerichtet werden, fordern die Besetzer*innen. Der Kampf um den Erhalt des 1890 errichteten Backsteingebäudes dauert bereits einige Monate an. Ende Juni war es von Studierenden besetzt, aber nach drei Wochen von der Polizei geräumt worden. Doch die Besetzer*innen gaben ihre Forderungen nicht auf und bekamen auch Unterstützung aus der Stadtgesellschaft. Der Ortsbeirat hatte sich mehrheitlich für den Erhalt ausgesprochen, selbst die FDP unterstützte dies.

Das war auch ursprünglich der Plan der Uni gewesen. In das Gebäude sollte 2018 das Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik einziehen. Damals sollte noch der Altbau erhalten und durch einen Neubau ergänzt werden. Doch Anfang 2023 erklärte das Institut, dass die »für eine Arbeitsstätte geltenden Anforderungen an Statik, Barrierefreiheit, Brandschutz, Schallschutz und Schadstofffreiheit« im Altbau nicht realisiert werden könnten, und sprach sich für den Abriss aus.

In Zeiten des Klimawandels wächst in vielen Städten die Kritik am mit vielen Emissionen und Ressourcenverbrauch für Neubauten verbundenen Abriss gut erhaltener Gebäude. Eine Sanierung wäre aus ökologischen Gesichtspunkten sinnvoller. Deswegen kämpfen auch Initiativen wie die Gruppe Architects for Future für den Erhalt der früheren ehemaligen Druckerei. Zudem lehnen die Besetzer*innen einen Abriss auch aus historischen Gründen ab. Schließlich wurde die jüdische Familie Dondorf, der das Gebäude einst gehörte, von den deutschen Faschisten enteignet und verfolgt. Einige Mitglieder wurden durch den NS-Terror in den Suizid getrieben, andere ermordet.

In einem Kulturzentrum könne auch ihrer gedacht werden, meinen die Studierenden. Obwohl die Unterstützung für den Erhalt des Gebäudes groß ist, hat die Universitätsleitung die Besetzer*innen am Montag zum Verlassen des Hauses aufgefordert. Die Polizei hat den Zugang zur ehemaligen Druckerei bereits am Wochenende blockiert. Am Samstag räumten Beamte eine Kundgebung vor dem Tor des Gebäudes. Die Uni-Leitung könnte nun darauf spekulieren, dass die nahende Weihnachtspause eine längere Besetzung erschwert. Zudem sind die seit 1987 leer stehenden Räume schwer zu beheizen

Emma Scholz vom Vorstand des Allgemeinen Studierendenausschusses der Goethe-Uni sagte gegenüber »nd«, es sei schon ein Erfolg, dass die befürchtete Räumung bisher ausgeblieben ist. Sie sieht die Besetzung in der Tradition langjähriger Kämpfe gegen Kahlschlagsanierung in Frankfurt.

Das begann schon Ende der 60er Jahre, als die Stadt eine Hochburg der Besetzer*innenbewegung war. In den letzten Jahren haben Studierende immer wieder versucht, historische Gebäude vor dem Abriss zu bewahren. Dazu gehörte der 2014 gesprengte AfE-Turm, in dem lange die Soziologiefakultät residierte, in der die berühmte Frankfurter Schule um Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ihr Domizil hatte. Ab 2003 besetzten linke Studierende schließlich ein Gebäude des ehemaligen Amerika-Instituts und errichteten darin das »Institut für Vergleichende Irrelevanz«. Bis zu seiner Räumung im April 2013 war es mehr als zehn Jahre ein Bezugspunkt linker Studierender. Peter Nowak